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Ein höfliches Lächeln zuckt über das Gesicht des für gewöhnlich ein wenig distanziert wirkenden Schweizers. Die Erleichterung, mit dem 2:1 Erfolg über Hannover die Mini-Krise von Borussia Mönchengladbach vorerst beendet zu haben, merkt man ihm deutlich an. Zwanzig Punkte aus elf Spielen sei recht gut resümiert Lucien Favre. Aber man müsse weiter realistisch bleiben und nicht in die eine oder andere Richtung übertreiben. Dass er dabei bereits den nächsten Gegner im Visier hatte, darf vermutet werden.


Die Geschichte des Trainers Lucien Favre ist eng mit Hertha BSC Berlin verbunden. Eine Liaison, in welcher die Erwartungen der damals sowieso zum Größenwahn neigenden Hertha in ungesunde Höhen stiegen und in einem bitteren Erwachen für alle Beteiligten endeten. Lucien Favre ist also ein gebranntes Kind, was Übertreibungen angeht. Am Samstag kommt es zu einem Wiedersehen mit der Vergangenheit.

 

Es darf bezweifelt werden, ob der Mönchengladbacher Trainer noch den sprichwörtlichen Koffer in Berlin besitzt. Zu drastisch war sein Abgang, der zunächst für Irritation und dann zur offenen Ablehnung führte. Favre hatte nach seiner Entlassung zu einer privaten Pressekonferenz ins exklusive Hotel Adlon geladen und die Vereinsführung scharf kritisiert. Dass er dabei eine unglückliche Figur abgab, schadete ihm und stempelte ihn in den Augen vieler Fans zum Sündenbock für den Niedergang der Traditionsclubs. Das Verhältnis der Berliner zum Schweizer ist zwiespältig. Ihm wird der Abstieg der Hertha angelastet. Er könne nicht mit Stars umgehen und habe die Garanten des Berliner Wunders, mit denen man kurz zuvor noch fast Deutscher Meister geworden war, vergrault. Dass dies Unsinn ist, ist offensichtlich. Durch jahrelanges Missmanagement hatte Hertha BSC  die Lizenz schon seit geraumer Zeit nur unter Auflagen erhalten. Es scheiterte somit schlicht und ergreifend an der begrenzten wirtschaftlichen Potenz des Hauptstadtclubs, um Voronin, Pantelic oder Simunic zu einem Verbleib überreden zu können. Der Abstieg war somit zwar überraschend, jedoch die folgerichtige Konsequenz des Größenwahns, mit denen die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse über Jahre zu sehr strapaziert wurden.

 

Letztendlich hat man dies auch in Berlin erkannt und unter Trainer Babbel zu einer neuen Bescheidenheit ausgerufen. Eine Bescheidenheit, die in Anführungszeichen zu setzen ist. Mit Raffael und Ramos konnten Spieler zum Verbleib überredet werden, welche in der zweiten Bundesliga den Unterschied ausmachen. Ein hohes Risiko. Einen weiteren Misserfolg mit einem vergleichsweisen teuren Kader hätte man wohl kaum überlebt. Der Aufstieg gelang, doch die Ziele blieben bescheiden. Auch nachdem man in der Liga mit Siegen in Dortmund und Wolfsburg sowie einem Kantersieg gegen den 1. FC Köln durchaus für Furore sorgte. Großen Erfolgen folgte bislang jedoch die Ernüchterung auf dem Fuß. Nach dem Husarenstück beim deutschen Meister folgte zu Hause ein 2:2 gegen Augsburg. Im Anschluss an die Demontage von Podolski & Co. wurde man von den Bayern ebenfalls vorgeführt. Dies wird allerdings auch in Berlin nicht als dramatisch angesehen. Die Mannschaft befindet sich in einem Lernprozess, welcher mit 16 Punkten aus elf Spielen erfolgreich voranschreitet. Dass Trainer Babbel diese Weiterentwicklung erwartet und fördert, wurde zuletzt anhand seiner Personalentscheidungen deutlich. Nachdem er die Lernfähigkeit von Patrick Ebert und Änis Ben-Hatira anzweifelte, strich er beide Akteure vorerst aus dem Kader.

 

Typisch für Mannschaften, die sich in einem solchen Lernprozess befinden, sind die Schwierigkeiten, ein Spiel zu gestalten. Tut dies der Gegner, spielt die Hertha durchaus sehr gefällig mit. Prunkstück ist dabei das Mittelfeld mit Ottl, Niemeyer, Ramos und Raffael. Besonders letzterer ist derjenige, der einem Spiel den Stempel aufdrücken kann. Das ist Segen und Fluch gleichzeitig. Erwischt Raffael einen guten Tag, dann wächst die gesamte Mannschaft an ihm. Spielt der Brasilianer hingegen zu eigensinnig, ist das Team schlichtweg ungefährlich. In einem solchen Fall profitiert auch Eigengewächs Lasogga nicht von den Ideen des Südamerikaners. Der bullige Stürmer war die Entdeckung der vergangenen Saison und hat nach einigen Anfangsschwierigkeiten nun auch in der Bundesliga Fuß fassen können. Sein Sturmpartner wird hingegen noch gesucht. Derzeit dürfte Rukavytsya die besten Karten besitzen. Es sind die defensivstarken Mannschaften, welche den Hauptstädtern die meisten Probleme bereiten. Dass dies derzeit für die Rheinländer spricht, wird von den Fans immer noch als ein schöner Traum empfunden. Verlassen darf man sich darauf jedoch nicht. Die Hertha ist an ihrem Abstieg gewachsen. Aus der einstigen Solokünstler-Truppe ist eine intakte Mannschaft geworden. Ein Prozess, der übrigens seinerzeit von Lucien Favre eingeleitet wurde. Insofern steht die Partie am Samstag ganz in seinem Schatten.

 

Hertha: Kraft – Lell, Franz, Mijatovic, Kobiashvili – Ramos, Ottl, Niemeyer, Raffael –  Rukavytsya, Lasogga

 

Borussia: ter Stegen – Jantschke, Dante, Stranzl, Daems – Herrmann, Marx, Neustädter, Arango – Reus, Hanke

 

Seitenwahl-Tipps

 

Thomas Häcki: Warum nicht mal zero Tore bei zero Spannung. Beide Mannschaften neutralisieren sich weitestgehend und können mit einem 0:0 gut leben.

 

Michael Heinen: Borussia spielt auswärts, also wird das erste Tor vermutlich entscheiden. Leider erzielt dies aber Raffael.

 

Christian Heimanns:Falls Favre noch einen Koffer in Berlin hat, dann einen mit drei Punkten drin. Und einem Tor. 1:0 für Borussia.

 

Christoph Clausen: Hoffen wir, dass die Berliner das plumpe Nachtreten den Gämperles dieser Welt überlassen und somit alle Borussen gesund die Rückreise antreten. Dass sie im Gepäck nur ein 1:1 mitnehmen, wird man dann verschmerzen können.