KölnHoffentlich sind die Probleme hinterher vor allem fußballerische. So muss man es bei Spielen gegen Köln inzwischen leider so ausdrücken. Zu lang ist inzwischen die Liste der Fan-Entgleisungen, zu martialisch das Drumherum, zu enthemmt ein Teil der Anhängerschaft. Unter dem Schutz des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit werden sich in Rheydt auch solche Kölner tummeln, die ansonsten aus guten polizeilichen Gründen am Spieltag mit einem Betretungsverbot für Gladbach und Umgebung belegt sind. Das Fanprojekt warnt die Gladbacher Fans davor, am Spieltag einen Fuß in die Nachbarstadt Rheydt zu setzen, der eigenen Sicherheit zuliebe. No-go-zones vor der eigenen Haustür, so weit sind wir schon. Sollten schlimmste Befürchtungen wahr werden, die fußballerischen Probleme wären hinterher die kleinsten.

Hoffen wir, dass sie die größten sind. Und um ganz unbescheiden zu wünschen: die größten, aber keine übermächtigen. Denn dass das Gladbacher Spiel keine Fragen aufwerfen wird, steht kaum zu erwarten. Mag André Schubert auch Optimismus verbreiten, auf einen guten Start in Hamburg verweisen und auf die „Basics“, die man danach „ein wenig“ vergessen habe. Bei Lichte betrachtet, lag bei der Niederlage am letzten Sonntag sehr viel mehr im Argen. Schon vor dem Doppelschlag, mit dem der HSVdas Spiel drehte, agierte die Borussia im und um den eigenen Strafraum vogelwild, klafften riesige Lücken zwischen den Mannschaftsteilen und lähmten Ungenauigkeiten und Nervosität das Aufbauspiel. Nur „ein wenig“ die Basics vergessen? Wenn selbst ein spielerisch so biederer Gegner wie es der HSV aktuell ist und auch am Samstag war, mit simplen langen Bällen regelmäßig für größte Konfusion sorgen konnte? Wenn bei besserer hanseatischer Chancenverwertung auch ein Dutzend Gegentore möglich und noch nicht einmal unverdient gewesen wären? Wohlgemerkt: Gegen den HSV.

Bleibt der hoffnungsvolle Verweis auf Bremen. Auf den 5:1-Sieg beim letzten Heimspiel also, der zwar vielleicht am Ende ein, zwei Tore zu hoch ausfiel. Bei dem die Borussia aber Feuerwerke abbrannte (keine Chaoten in Rheydt, sondern die Spieler auf dem Platz, man muss das aktuell dazu sagen), bei dem das Offensivspiel phasenweise begeisterte und sich die obligatorische defensive Wackelphase auf hinnehmbare 14 Minuten beschränkte.

Zweites Argument für Optimisten ist der Minimalismus der Kölner Offensive. Zwar kommen die Domstädter mit dem frischen Erfolgserlebnis eines 3:1-Siegs gegen Frankfurt im Gepäck nach Gladbach gereist. Davor muss man aber schon bis Anfang Oktober zurückgehen, bevor man auf ein Spiel trifft, in dem die Kölner mehr als zweimal getroffen haben. Selbst zwei Tore sind selten: In mehr als der Hälfte der Bundesligaspiele dieser Saison gelang dem FC nur ein oder gar kein Treffer. Bei der Borussia war das unter Trainer Schubert nur in knapp jedem fünften Spiel der Fall.

Kehrseite ist die Kölner Defensivstabilität: In nur 3 aus 24 Bundesligapartien musste Timo Horn mehr als zweimal den Ball aus dem eigenen Netz holen. Das ist ein Verdienst der starken Abwehr mit Maroh, Mavraj und Heintz, der nach eigenem Bekunden vor der Saison auch mit der Borussia sprach, sich dann aber für das aus seiner Sicht überzeugendere Gesamtpaket beim rheinischen Rivalen entschied. Es ist ein Verdienst der stabilen defensiven Mittelfeldzentrale, in der am Samstag Mladenovic allerdings auf seinen gelbgesperrten Partner Risse verzichten muss. Es ist nicht zuletzt aber ein Verdienst einer im Ganzen engagiert und systemsicher nach hinten arbeitenden Mannschaft.

Dieses Abwehrbollwerk zu knacken, daran wird sich an Gladbacher Seite Patrick Herrmann noch nicht versuchen können. Zwar werden ihm seit seiner Rückkehr ins Mannschaftstraining tägliche Fortschritte attestiert, für einen Kaderplatz am Samstag wird es aber schwerlich schon reichen. So streiten sich Traoré und Hazard um den Startplatz auf dem rechten Flügel, links dürfte Fabian Johnson gesetzt sein. Jonas Hofmann hat bei seinen letzten Kurzeinsätzen noch nicht nachhaltig genug auf sich aufmerksam gemacht, um diesbezüglich Ansprüche stellen zu können. Ohnehin darf man das Preis-Leistungsverhältnis der Wintertransfers zumindest bis jetzt skeptisch beurteilen.

Das gilt leider eben auch für Martin Hinteregger, der bislang eher unglücklich agiert. Dem von ihm tapsig verursachten Strafstoß gegen Bremen folgte ein Eigentor und ein weiterer folgenschwerer Fehler in Hamburg. Schon deshalb würde manches für eine Pause für den Österreicher sprechen; dass er krankeitsbedingt die komplette Woche mit dem Training aussetzen musste, kommt erschwerend hinzu. Sein Landsmann Stranzl ist mal wieder malad, diesmal riss die Faser eines Muskels.

Immerhin ist der junge Elvedi wieder einsatzbereit. Er dürfte sich mit Korb um den Platz rechts in der Abwehrkette streiten. Im Abwehrzentrum könnte neben dem gesetzten Christensen auch der ins Vertragsdingen weiter zaudernde Nordtveit auf seiner Lieblingsposition auflaufen. Dass Schubert der Norweger als Stabilisator ins defensive Mittelfeld stellt, ist insofern nicht zu erwarten, als dann entweder Xhaka oder Dahoud weichen müssten. Beide zeigten in Hamburg zwar sehr viel mehr Schatten als Licht, zuvor in dieser Saison aber zumindest offensiv schon zahllose inspirierte Momente. Dass sich im Gladbacher Transferportfolio des Sommers und Winters kein erfahrener, defensivorientierter Sechser der Marke Galasek findet ist ein Manko, das erst in ein paar Monaten korrigiert werden kann.

So bleibt zu hoffen, dass das in dieser Spielzeit so oft nur sehr eingeschränkt abgesicherte Spektakel gegen defensivstarke, zumeist aber offensivschwache Gäste in der Gesamtabwägung am Ende ausreichen wird. Noch sehr aber steht zu hoffen, dass nach dem Spiel schwerpunktmäßig über Fußball gesprochen werden wird und darf.

Aufstellungen:


Borussia Mönchengladbach: Sommer – Korb, Christensen, Nordtveit, Wendt – Xhaka, Dahoud – Traoré, Johnson – Raffael, Stindl.
1. FC Köln: Horn – Maroh, Mavraj, Heintz – Olkowski, Lehmann, Hector, Mladenovic – Bittencourt, Gerhardt – Modeste.

Schiedsrichter: Knut Kircher.
Assistenten: Robert Kempter, Markus Sinn.
Vierter Offizieller: Florian Meyer.

SEITENWAHL-Meinung:


Christoph Clausen: Ganz was Neues, Borussia hält die Null. Hinten wie vorne.

Thomas Häcki: Es schwelt in der Borussengemeinde. Gelingt gegen Köln kein Sieg, wird die Kritik an der sportlichen Leitung deutlich anschwellen. Braucht man das wirklich? Nein, deshalb muss ein Sieg her. Gerne auch mal schmutzig und ohne Spektakel-Gedöns. 2:1 für den Gastgeber.

Michael Heinen: Bisher ist in den letzten Spielen jeder meiner Tipps daneben gegangen. Von daher ist es reiner Aberglaube, wenn ich für das Derby auf eine 1:2-Heimniederlage setze.

Christian Heimanns: Ein enges Ding: "Gegen Köln klappt es doch immer" gegen "Hat im Hinspiel auch nicht geholfen". Dazu das Verletzungspech, der 70 Minuten lange Aussetzer gegen Hamburg, und dies und das und dann noch. Es hilft nichts: Hirn ausschalten und 2:1 Sieg tippen.

Christian Spoo: Ein Torfestival wird das vermutlich nicht. Mehr als ein Tor pro Seite fällt nicht - weniger aber auch nicht. Das Derby endet 1:1.