Dass Duelle zwischen dem FC Köln und Borussia Mönchengladbach etwas besonderes sind, muss man dem Leser dieser Seiten genausowenig erklären, wie die Tatsache dass “Kölsch” weder ein angenehmes Erfrischungsgetränk noch eine kulturell wertvolle Mundart ist sondern wahlweise eine aus Wasser und Spucke fabrizierte Bieratrappe oder ein Härtefall für jeden Logopäden. Das diesjährige Rheinderby ist noch von den zusätzlichen Besonderheiten geprägt, dass zum ersten Mal seit längerem die Domstädter als leichter Favorit zu sehen sind und dass zum ersten Mal seit noch viel längerem beide Teams noch reelle Chancen auf die Teilnahme am internationalem Geschäft haben.

 Rund um den Borussia-Park haben sich die Gesichter seit dem Sieg über Hertha BSC am Mittwoch stark aufgeklärt. Nach 5 sieglosen Pflichtspielen in Folgen, unrühmlich gekrönt durch das bittere Ausscheiden im EL-Achtelfinale, konnte verhindert weren dass die Worte “Krise” und “Abstiegskampf” in den Medien und sozialen Netzwerken im Zusammenhang mit der Borussia zum Trend werden konnten. Auch die Art und Weise wie der Erfolg zu Stande kam macht Hoffnung: Vor allem in der zweiten Halbzeit zeigte sich der VFL erheblich agressiver als noch beim blutleeren Auftritt in Frankfurt am Wochenende und dominierte die Berliner teilweise nach Belieben. Einzig die Chancenverwertung kann man kritisieren, aber bei zwei Pfostentreffern ist das dann teilweise auch einfach nur Pech. Der Siegtreffer als solcher trug auch noch zur guten Stimmung bei: Wenn ein Youngster wie Benes bei seinem Startelf-Debut dann gleich das entscheidene Tor mit eine schönen (wenn auch haltbarem) Schuss macht, so verbreitet das einfach gute Laune und das Gefühl, dass man da doch vielleicht ein paar Riesentalente in der Hinterhand hat (Doucouré, Sow,…).

Für Trainer Hecking bedeutet Benes auch ansonsten ansehnliches Spiel gegen Berlin nun ein kleines Luxusproblem: Belohnt er den Slowaken mit einer erneuten Startelfnominierung oder lässt er den nach Sperre wieder verfügbaren erfahreneren Strobl als Partner von Dahoud in der Doppelsechs ran. Keine Wahl gibt es auf der rechten Verteidigerseite, da Tony Jantschke weiterhin ausfaellt und somit Elvedi wohl gesetzt ist. Ziemlich sicher ist, dass es in der Offensive eine Umstellung gibt. “Sergeant Pappa” Raffael wird mit grosser Wahrscheinlichkeit ins Team zurückkehren und vermutlich damit Herrmann oder Hofmann verdrängen. Vielleicht finden sich sogar beide auf der Bank wieder, wenn Dieter Hecking Ibrahim Traoré für startelfreif befinden sollte. Es sollte allen Borussenanhägern auf jeden Fall Mut machen, dass bis auf Kramer, Johnson und Jantschke alle Stammkräfte jetzt wieder an Bord sind und vor allem in der Offensive einige Alternativen existieren.

Beim Gegner in Köln war man unter der Woche ebenfalls erleichtert den direkten Konkurrenten aus Frankfurt mit 1:0 besiegt zu haben und damit einen drohenden Abwärtstrend in der Rueckrunde aufgehalten zu haben. Der momentane 5. Platz mag zwar zum Teil auch dem kollektiven Schwächeln von Teams wie Schalke, Leverkusen oder auch unserer Borussia zu Verdanken sein, ist aber insgesamt kein Zufallsprodukt sondern das Ergebnis jahrelanger solider Arbeit. Der dröge wirkende Peter Stöger mag ursprünglich so überhaupt nicht zum launisch-rheinischen Chaos-Club gepasst zu haben, war aber wohl genau das was die Kölner nach vielen turbulenten Jahren brauchten. Zusammen mit Manager Schmadtke hat man in Köln – mit Sicherheit mit einem Blick den Rhein hinunter nach Mönchengladbach und was dort Eberl/Favre gleichzeitig auf die Beine stellten – langsam eine Mannschaft entwickelt, die zunächst relativ sicher den Abstieg vermied, sich dann im MIttelfeld festsetzte und jetzt ein ernsthafter Anwärter auf die Europa-League ist. Bei aller Rivalität verlangt das Respekt und auf gewisse Weise macht es auch mehr Spass gegen einen ernstzunehmenden FC Köln zu spielen als gegen die Karnevalstruppe vergangener Jahre.

Der Stögersche Fussball ist dabei selten mitreissend sondern eher pragmatisch defensiv orientiert. 31 Gegentore in 27 Spielen sind ein guter Wert, vorne hilft der liebe Gott, der in Köln dieser Tage den Namen Modeste trägt. Mit 22 von 38 erzielten Kölnern Treffern ist er der Hauptverantwortliche für die gute Kölner Situation dieser Saison und wenn die zuletzt durchaus überzeugende dänische Innenverteidigung der Borussia den Franzosen ausschalten kann, ist schon mal viel gewonnen.

Es ist eines dieser Spiele für die man den mathematisch-dubiosen Begriff des “6-Punkte-Spiels” eingeführt hat: gewinnt Borussia, so ist es nur noch ein machbarer Punkt der die beiden Teams trennt, verliert man, sind es scheinbar unüberwindbare 7 Punkte Rückstand. Ein echtes “Endspiel” ist es trotzdem nicht: auch bei einem Sieg kann die Borussia in Hoffenheim und gegen Dortmund schon wieder den Anschluss nach oben verlieren; auch bei einer Niederlage wird zumindest Platz 7 immer noch theorethisch machbar sein. Insofern sollte man den Rechenschieber stecken lassen und sich in erster Linie auf einen echten Bundesliga-Klassiker freuen bei dem es diesmal um einiges geht. Man kann nur hoffen, dass dieses Derby nicht mal wieder durch eine Minderheit von Vollpfosten sabotiert wird, die meinen ihre eigene Armseligkeit rund um ein Fussballspiel an anderen auslassen zu müssen, indem sie Steine auf Busse werfen, auf Menschen einschlagen,  Feuerwerkskörper und Rauchbomben zünden oder maskiert den Platz stürmen.

 

Mögliche Aufstellungen:

Borussia: Sommer – Elvedi, Christensen, Vestergaard, Wendt – Strobl, Dahoud – Traoré, Hazard- Raffael, Stindl

Köln: Horn - OlkowskiSörensenHeintzHector -  LehmannHöger - BittencourtJojicRausch - Modeste

Seitenwahl-Prognose:

Claus-Dieter Mayer: Rechtzeitig zum Derby hat Borussia wieder in die Spur gefunden. Nach einem packenden Spiel gewinnt man 3:1 und hat im Rennen um die EL-Plätze eine vernünftige Ausgansposition.

Thomas Häcki: Borussia bleibt zwischen den Welten. Zwar ist das 1:1 durchaus respektabel. Wie es einzuordnen ist, wird man aber erst in einigen Wochen sehen.

Christian Spoo: Borussia wird mit Europa genauso wenig zu tun haben, wie mit der Zweiten Liga. Das 1:1 in Köln passt zu dieser faktischen Ambitionslosigkeit.

Uwe Pirl: Wie oft hat Borussia schon im Köln gewonnen? Kaum zählbar, gefühlt eigentlich immer. Egal - ab Samstag einmal mehr: Borussia gewinnt 3:1.

Michael Heinen: Es ist noch gar nicht so lange her, da galt ein Borussensieg im Derby als sichere Wette. Es wird Zeit, daran endlich mal wieder anzuknüpfen. Borussia gewinnt mit 2:1.