Da sage noch einer, Borussia sei nicht innovativ. Aufmerksamen Beobachtern sollte eine Pressemeldung nicht entgangen sein, die vor kurzem von der DPA verbreitet wurde. Demnach bringt auch der Mensch prinzipiell die genetische Eignung für einen Winterschlaf mit. Anders als manches Tier muss er das nicht ausleben, weil er Wege gefunden hat, sich auch im Winter ausreichend mit Nahrung und Wärme zu versorgen. Aber gehen würde es schon. Wissenschaftler der NASA forschen bereits daran, ob man durch Unterkühlung Menschen gezielt in den Winterschlaf versetzen kann. Sie haben mehrmonatige Weltraumexpeditionen im Sinn, aber die Liste möglicher Anwendungen ist viel länger: Man bedenke das Potenzial zur Lösung von Welternährungsproblemen oder zu zeitweisen Ruhigstellung dauertwitternder Staatenlenker. Cool down, Mr President!

Wie der menschliche Winterschlaf praktisch aussehen kann, dazu lieferten am Samstag die Borussen erhellendes Anschauungsmaterial. Somnologen der Welt, schaut nach Mönchengladbach! Wie Elvedi den Ball völlig unbedrängt dem einzigen Mainzer weit und breit in die Füße spielte, wie Sommer vor zaghaftem Hochhüpfen süßen Träumen nachhing, wie die beiden Außenverteidiger ihre Seiten gähnend leer ließen, wie Raffael über den Platz tappste, als suche er Pantoffeln und Wärmflasche – Operation Dornröschen hätte eindrucksvoller nicht verlaufen können. Nur die Mainzer wollten partout nicht mitmachen, sieht man vom kuriosen Sekundenschlaf ihres Torwarts an einer Stelle ab, als er den Ball aus den Augen verlor. Wortspiele mit Namen stehen ja auf dem Index des schlechten Geschmacks. Sonst böte sich der des Keepers für eines an, in dem auch das Wort „Last“ eine Rolle spielen und das die Erleichterung Robin Zentners über den glimpflichen Ausgang seines Luftloches ausdrücken würde.

Zurück zu den Borussen. Vielleicht hatte deren Auftritt ja auch einen gesellschaftskritischen Akzent? In diesem Jahr wurden die Nobelpreise für Medizin an die drei US-Forscher Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young vergeben, die der Frage nachgegangen sind, wann die innere Uhr eines Menschen asynchron zu äußeren Zeitmessgeräten tickt. Wer viel auf Auslandsreisen ist, leidet bekanntlich unter diesem Zustand, aber das hat sich für die Borussen in dieser Europacup-freien Zeit ja erledigt. Wilde Partynächte fördern den „sozialen Jetlag“, aber zu denen gaben die spielerischen Leistungen dieser Saison wenig Anlass. Schüler, so warnen Mediziner immer wieder, leiden unter frühem Unterrichtsbeginn. Ließe man sie zwei Stunden länger schlafen, würden sie die PISA-Ranglisten rocken wie die Heynckes-Bayern die Liga. Vielleicht war der samstägliche Borussentorpor also eine subtile Solidarisierung mit pubertierenden Unterrichtsopfern? Irgendwo sind Bundesliga-Fußballer ja auch noch Schüler: Man spricht nicht umsonst von Trainern als Fußball-Lehrern und wer sich eine Weile die Sky-Quasselrunden antut, stellt fest: Die großen Streitigkeiten der Fußballwelt sind auch nur Variationen über „Lars hat mir den Stift weggenommen“.

Dass am Ende dieses Spiels ein Unentschieden stand, hatte mit einen wachen Moment Jannik Vestergaards zu tun, mit Mainzer Nachlässigkeit, der selektiven Nutzung des Videobeweises durch die Unparteiischen und sehr, sehr viel Dusel. Wer sich auf den dauerhaft nicht verlassen will, muss sich überlegen, wie die Borussen es demnächst wieder wacher angehen können. Die Defizite des Kaders (das Ungleichgewicht zwischen läuferisch-kämperischem und spielerischem Element im defensiven Mittelfeld zum Beispiel oder mangelnder Konkurrenzkampf bei den Außenverteidigern) sind zumindest kurzfristig nicht zu beheben und der Trainer hat als Stabilisator mehr überzeugt denn als Innovator.  Alfred Wiater, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, empfiehlt neben blauem Licht viel körperliche Aktivität im Freien, um hellwach zu bleiben. Am Samstag vermieden es die Borussen, sich diesbezüglich übermäßig zu verausgaben. Vielleicht sollten die Flutlichtprogrammierer mal das mit dem blauen Licht probieren?