Mit dem 1:2 beim Tabellenvorletzten aus Bochum hat Borussia seinen Platz im tristen Tabellenmittelfeld für die kommenden Monate zementiert. Selbst ein Sieg am kommenden Freitag gegen den BVB würde daran tabellarisch nicht mehr viel ändern, wenngleich er immerhin die theoretische Perspektive böte, im kommenden Jahr evtl. doch noch in den Kampf um die europäischen Plätze eingreifen zu können. Nach der abermals ernüchternden Auswärtsleistung in Bochum wird aber immer deutlicher, dass solch utopische Träume mit der aktuellen Mannschaft praktisch kaum umzusetzen sind.

Verschlafene Anfangsphase

Hoffenheim, Schalke, Mainz, Bremen, Darmstadt, Frankfurt, Bochum. Zum siebten Mal in dieser Saison gelang es der Fohlenelf, den Anfang einer Partie – gegen einen individuell zumeist schlechter besetzten Gegner – komplett zu verschlafen. Die Debatte um den vermeintlich (ir)regulären Treffer zum 2:2 darf ebenso wie die Verletztenmisere nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Borussia zum wiederholten Male in dieser Saison „mutlos, lauffaul, gedanklich langsam“ präsentierte, wie Daniel Farke nach dem Spiel schonungslos-berechtigt zu Protokoll gab. Sobald ein Gegner Einsatz und Willen zeigt, scheint Borussia überfordert, es ihm in diesen Punkten gleichzutun. Gegen geduldiges Spiel ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Es darf aber nicht die Grundtugenden ersetzen, mit denen ein jeder Bundesligaprofi in jedes Pflichtspiel gehen sollte.

Immerhin traditionsbewusst ist die Mannschaft mit ihrer Rückbesinnung auf die alt-ehrwürdige Rolle als „Auswärtsdepp“. Auf fremden Plätzen konnte sie in dieser Saison bislang ausschließlich in Oberachern gewinnen. Bei den beiden derzeit schlechtesten Bundesligisten blieb sie ebenso sieglos wie beim Zweitliga-Tabellenführer. Das 0:0 in Freiburg war noch am ehesten als ordentlich anzusehen, weil zu diesem Zeitpunkt immerhin noch so etwas wie defensive Stabilität gegeben war.

Verkorkste Defensive

Seit dem 1:5-Debakel beim Aufsteiger aus Bremen ist diese aber vollständig dahin, sodass zwei Gegentore pro Partie inzwischen standardmäßig eingeplant werden können. Angesichts der indiskutablen Vorstellung fast aller Defensivakteure im Ruhrstadion konnte man froh sein, dass es der Gegner nach der frühen 2:0-Führung weitgehend dabei beließ, das Spiel zu kontrollieren und nur noch bei Bedarf zu kontern. Ein Bedarf, der aber lange Zeit nicht bestand, weil Borussia offensiv in der ersten Stunde der Partie so gut wie nichts anbot und offensichtlich auf den rettenden Becherwurf aus der Bochumer Fankurve wartete.

Außer Rami Bensebaini konnte kein Defensivspieler seine Normalform abrufen. Bei Joe Scally ist dabei zu bedenken: Er ist und bleibt weiterhin 19 Jahre alt, was normalerweise kein Alter ist, in dem man wie selbstverständlich jedes Spiel absolviert. Er hat in seiner bisherigen Zeit bei Borussia ein für sein Alter beachtliches Potential gezeigt. Ebenso wird aber auch immer wieder deutlich, dass er noch viel zu lernen hat und gerade gegen schnelle Gegenspieler Antwi-Adjej (noch) oft überfordert wirkt.

Versagende Führungsspieler

Doch Kritik gebührt stärker den erfahrenen Spielern, die sich teilweise unerklärliche Patzer leisteten. Nico Elvedi war nach seinem kapitalen Bock vor dem 0:2 im weiteren Verlauf der Partie völlig verunsichert. Marvin Friedrich ist spielerisch erschreckend und zudem derart langsam, dass man sich fragt, wie er in Berlin über Jahre hinweg als Abwehrchef glänzen konnte. Julian Weigl erwischte ebenfalls einen rabenschwarzen Tag und wird sich damit immerhin diesen Winter eine längere Erholungspause gönnen können. Spielt die Mannschaft ordentlich, so ist Weigl mit seiner Passgenauigkeit und Ballsicherheit eine klare Verstärkung. Wenn es in der Mannschaft aber hakt, dann ist er mit seiner Art zu spielen leider kein Führungsspieler, der die Mannschaft mitreißen kann.

Auch die WM-Ambitionen von Christoph Kramer, die in einigen Medien nach dem starken Spiel gegen Leipzig hochgekocht wurden, haben sich als heiße Luft entpuppt. Dabei war der Weltmeister immerhin noch einer der wenigen, die sich offenkundig nicht mit der Niederlage abfinden wollten. Sein vehementer Einsatz in Halbzeit 2 wurde zwar mit der Gelben Karte bestraft, rüttelte die Mannschaft aber zumindest ein wenig auf.

Sportlich darf dennoch hinterfragt werden, ob das Experiment mit Kramer im offensiven Mittelfeld wirklich so zielführend ist. Es ist beeindruckend, wie vielseitig er auf verschiedenen Positionen seine Leistung abruft. Seine Stärken sind und bleiben aber vornehmlich im zentralen Mittelfeld.

Vernachlässigte Ersatzspieler

Solange Kramer offensiver eingeplant wird, ist hingegen kein Platz mehr für Lars Stindl, den der Trainer trotz des Spielstands erstaunlich spät einwechselte. Es ist erkennbar, dass Borussias Kapitän mit 34 Jahren so langsam dem Alter Tribut zollt und seit einiger Zeit nicht mehr die Topleistungen abruft, die auch ihn einst in die Nationalmannschaft katapultierten. Trotzdem sollte ihm gerade bei der aktuellen Personalnot mehr zuzutrauen sein als eine Jokerrolle für die letzte Viertelstunde.

Das Vertrauen von Daniel Farke in seine Ersatzleute ist aber insgesamt weiterhin überschaubar. Gerade die jungen Spieler, wie Borges oder Reitz hätten in der aktuellen Konstellation die große Chance, sich beim Trainer aufzudrängen. Offensichtlich gelingt ihnen dies nicht in ausreichender Form. Dass mit Oscar Fraulo und Nathan Ngoumou zwei Neuzugänge zu dieser Gruppe gehören, ist ärgerlich. So sehr die Transferplanung perspektivisch ausgerichtet sein muss, wäre es schon wünschenswert gewesen, wenn mindestens einer der beiden schon direkt eine echte Verstärkung in der Breite gewesen wäre. Gerade bei der aktuell dünnen Personaldecke fehlen so die brauchbaren Alternativen, um formschwache Spieler auszuwechseln oder zu schonen.

Verdientes Sonderlob

Im Tor stand mit Jan Olschowsky notgedrungen ein Talent in der Startelf. Nach nur 12 Minuten hatte er unverschuldet zwei Bälle aus seinem Tor holen müssen. Trotz dieses denkbar schlechten Karrierestarts agierte der 20jährige im weiteren Verlauf der Partie erstaunlich souverän und abgeklärt. Sofern Yann Sommer bis Freitag nicht fit wird, hat sich Olschowsky gegen den BVB eine weitere Bewährungschance verdient.

Immerhin darf Borussia am Freitagabend wieder zuhause antreten, was die Chance auf einen halbwegs versöhnlichen Jahresabschluss deutlich erhöht. Wirklich zufrieden kann man mit dem Gesamtauftritt der Mannschaft in diesem ersten Saison-Halbjahr aber schon jetzt nicht sein. Dafür wurden zu viele Punkte in Spielen wie in Bochum unnötig und fahrlässig verschenkt.