Seitenwahl IMG 0071 Die 0:2-Niederlage in Leipzig wurde überschattet durch die Todesfälle eines Mitglieds der Gladbacher Fanszene sowie eines Leipziger Stadionbesuchers. Unser Beileid gilt daher zuvorderst den Angehörigen und Freunden der beiden Verstorbenen.

Der besonderen Situation am Samstagabend war es geschuldet, dass es keine längere Spielpause ob des andauernden Investorenstreits gab. Die Fans von RB Leipzig müssen sich in der Frage naturgemäß zurückhalten, um sich nicht völlig (bzw. noch mehr als ohnehin schon) der Lächerlichkeit preiszugeben. Von Borussen-Seite hätte es aber ansonsten Grund genug gegeben, die Vereinsverantwortlichen an ihre Verantwortung gegenüber den Mitgliedern zu erinnern. Von Stephan Schippers gab es zuletzt zwar die Zusage, sich für eine neuerliche, transparente Abstimmung aussprechen zu wollen, obwohl er selbst eine andere Auffassung vertritt. Aber zur Erinnerung: Borussia hat sich in der letzten Abstimmung für einen Investor (bei der DFL) ausgesprochen, obwohl es einen Mitgliederbeschluss gegen die Einbindung solcher Investoren (bei Borussia) gibt. Es darf bezweifelt werden, dass Borussias Mitglieder in der Mehrheit dafür wären, dass die Liga einen zusätzlichen Investor erhält, der in erster Linie die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen soll.

Nach den Leistungen der letzten Wochen hat Borussia bereits genügend Probleme, überhaupt die nationale Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Durch das achte sieglose Auswärtsspiel in Folge fiel die Mannschaft in der Rückrundentabelle noch hinter Darmstadt 98 auf den letzten Platz zurück. Insgesamt trennt sie nur noch ein Platz von der Relegation und der dazugehörige Puffer von 6 Punkten darf nicht darüber hinwegtäuschen: Borussia Mönchengladbach befindet sich ab sofort im knallharten Abstiegskampf.

seitenwahl 202308051529 IMG 2454In den kommenden vier Partien hat die Elf von Gerardo Seoane die Chance, sich aus diesem wieder zu befreien und sich durch das Sahnehäubchen DFB-Pokal-Halbfinale eine zusätzliche Möglichkeit zu verdienen, die bislang sehr unbefriedigende Saison doch noch zu einem halbwegs versöhnlichen Ende zu bringen. Sollte sich Gladbach aber weiter so präsentieren wie in den letzten Wochen, droht weit größeres Ungemach. Die Defensive wirkte zuletzt zwar weniger instabil als noch im vergangenen Jahr. Dies geht aber zu Lasten des zuvor ordentlichen Offensivspiels, das inzwischen regelmäßig uninspiriert und einfallslos wirkt. Tomas Cvancara ist seit Monaten verletzt, Jordan in der Rückrunde außer Form und glücklos im Abschluss. Robin Hack ist stets bemüht und sticht damit bereits meist positiv heraus. An Toren beteiligt war er aber bisher nur in zwei seiner 18 Bundesligaeinsätze.

So hängen die Hoffnungen in der Offensive sehr stark an Alassane Plea, der in Leipzig verletzungsbedingt fehlte und voraussichtlich auch in den kommenden wichtigen Spielen ausfallen wird. Am Samstag versuchte sich Seoane daher mit der bewährten Abwehrriegel-Taktik, die in Leverkusen ein glückliches 0:0 gebracht hatte, aber gegen solche Gegner nur selten zum Erfolg führt. Mit Hack und Jordan wurde lediglich zwei Offensivkräfte aufgeboten, die spätestens nach dem frühen 0:1 die undankbare Aufgabe hatten, mit ihren defensiv orientierten Mitspielern eine Art Angriffsfußball aufziehen zu müssen.

Mit Florian Neuhaus stand eine weitere Offensivvariante nicht zur Verfügung, die im bisherigen Saisonverlauf leider an die kläglichen Leistungen der letzten Jahre anknüpft und der ihm selbst vorschwebenden Führungsrolle alles andere als gerecht wird. So gut es war, vor dieser Spielzeit eine Lösung gefunden zu haben, die einen ablösefreien Wechsel des einstigen Nationalspielers verhindert. Ein Verkauf wäre für alle Seiten die bessere Alternative gewesen gegenüber der vorgenommenen Vertragsverlängerung inkl. Gehaltssteigerung.

Julian Weigl und Christoph Kramer sind weitere gute Beispiele dafür, dass das Attribut „ehemaliger deutscher Nationalspieler“ mittlerweile kaum noch einen Wert besitzt. Bei Benfica Lissabon wird man sich gut überlegt haben, warum man sich trotz deutlich höherer Kaufoption mit einer Ablöse von rund 7 Mio. Euro zufriedengegeben hat. Weigl ist ohne jeden Zweifel ein sympathischer Mensch, dem die Loyalität zum Verein hoch anzurechnen ist. Auf dem Platz füllt er die Rolle des Kapitäns aber unzureichend aus – sowohl als Führungspersönlichkeit, als auch mit der eigenen Leistung. Das defensive Mittelfeld ist auf dem Papier mit Spielern wie Weigl, Koné, Kramer und Neuhaus so hochkarätig besetzt wie kein anderer Mannschaftsteil. Mit Leistung vorweg geht aber fast nur ein Rocco Reitz, der im vergangenen Jahr noch in der belgischen Liga kickte und dessen positive Entwicklung gar nicht hoch genug bewertet werden kann.

seitenwahl 201804141818 BC8T7707Reitz, Nicolas sowie mit Abstrichen Hack und Jordan sind bislang die positiven Überraschungen dieser Saison. Was nicht zuletzt daran liegt, dass ihnen anzumerken ist, in jedem Spiel alles zu geben und zu versuchen. Zufriedenstellend sind zudem noch die Leistungen von Plea, Elvedi, Wöber und Itakura. Alle anderen Akteure im Kader müssen bei der bisherigen Saisonleistung hinterfragt werden, inwieweit ihre Leistungen für die Bundesliga und speziell den bevorstehenden Abstiegskampf ausreichen. Gerade in den Spielen gegen Bochum, Mainz, Köln und Saarbrücken bedarf es einer deutlich anderen Einstellung als zuletzt, damit (möglichst frühzeitig) der Klassenerhalt gesichert und Planungssicherheit für die kommende Spielzeit geschaffen wird.

Von den oben genannten Leistungsträgern könnten den Verein im Sommer zwei oder drei verlassen. Hinzu kommt Manu Koné, angesichts dessen bisheriger Saisonbilanz es derzeit viel Fantasie benötigt, um sich tatsächlich eine Ablöse von 35 Mio. Euro vorstellen zu können. Das Geld wird aber dringend benötigt, um den im vergangenen Sommer begonnenen Umbruch erfolgreich(er) fortzusetzen. Ein erstes Zwischenzeugnis sollte dem Team Virkus erst zum Saisonende ausgestellt werden. Bislang deutet aber wenig darauf hin, dass dieses positiv ausfallen wird. Das Ziel, sich vom Abstiegskampf fernzuhalten, wurde bereits verfehlt. Nicht viel besser sieht es mit dem perspektivischen Ziel aus, einen vielversprechenden Kader aufzustellen, der zukünftig wieder in die Nähe der europäischen Plätze vorrücken kann.

In Bochum, gegen Heidenheim (Pokal) Wolfsburg und Stuttgart deutete sich an, welche Spielidee Seoane vorschweben dürfte. Diese Auftritte sind aber viel zu selten, um daraus eine ernsthafte Perspektive abzuleiten. Vielmehr setzt sich bei Borussia 2024 dieselbe Inkonstanz, Ambitions- und Hilfslosigkeit fort, die schon in den vergangenen Jahren unter anderen Trainern zu beobachten war – nur dass der Kader inzwischen deutlich an individueller Qualität verloren hat. Letzteres wird sich im kommenden Sommer aller Voraussicht nach fortsetzen. Sollte es Borussias Trainer dann weiterhin nicht gelingen, aus der Summe der Einzelspieler ein stärkeres Mannschaftskollektiv zu entwickeln, ist der Weg des Vereins nach Europa vorgezeichnet – und zwar in die europäischen Städte Elversberg, Wiesbaden und Gelsenkirchen.