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Manche Assoziationen im Fußball sind für die Ewigkeit. Boninsegna und die Dose. Van der Kroft und die Fehlentscheidungen. Sepp Herberger und „der Ball ist rund“. Ente Lippens und „Ich danke Sie“. Frank Mill und das leere Bayern-Tor. Uli Hoeneß und der Nachthimmel von Belgrad. Maradona und die „Hand Gottes“. Der FC Homburg und die Kondome.


Auf der langen Liste der Lächerlichkeiten in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes steht der Streit um die Präservative weit oben. Man schrieb das Jahr 1987, AIDS war wenige Jahre zuvor entdeckt worden, die Angst grassierte. Wie von Sinnen kreischende Aufklärungskampagnen ermutigten zum Kondomkauf. Der Bundesliga-Aufsteiger aus Homburg aber durfte nicht dafür werben. Der Schriftzug „London“ (der nicht zu Urlaubtrips in die britische Hauptstadt einladen sollte, sondern zum Gebrauch gleichnamiger Gummierzeugnisse) erschien den gestrengen Herren vom DFB als Anschlag auf Sitte und Moral. Die Anordnung, den Werbetext züchtig zu verhüllen, erwies sich aber als mediales wie juristisches Eigentor. Das Verbot wurde vor Gericht als „offensichtlich willkürlich“ kassiert, über Gerhard Mayer-Vorfelder ergoss sich Spott und Hohn. Der Homburger Präsident Manfred Ommer, der nach eigenem Bekunden die kleinkarierte Reaktion der Funktionäre bewusst provoziert hatte, hatte kostengünstig mehr Aufmerksamkeit generiert, als die sportlichen Leistungen des Clubs rechtfertigten.

Ohnehin scheute Ommer selten eigene Wege. Bei den Olympischen Spielen 1972 war der Sprinter der einzige bundesdeutsche Leichtathlet, der nach den Mordanschlägen auf das israelische Team auf eine weitere Teilnahme und damit auch auf eine mögliche Medaille verzichtete. Halbseidener war ein selbst entwickeltes Leasing-Modell, mit dem Ommer als Präsident des FC Homburg auf dem Transfermarkt Gewinne einfahren wollte, sich letztlich aber zu oft verkalkulierte.

Seinen Club dauerhaft in der Bundesliga zu etablieren, gelang ihm nicht. Die beiden Gastspiele endeten jeweils mit dem direkten Wiederabstieg. 1995 verließ das Gründungsmitglied der 2. Bundesliga Süd den Profifußball ganz, die Rückkehr sollte bis heute nicht gelingen. Auch im DFB-Pokal liegen die Erfolge – drei Viertelfinalteilnahmen, zwei Siege gegen Bayern München, davon einer in München – lange zurück. Der vorläufig letzte Höhepunkt datiert aus dem Jahre 1996, als der FC Homburg im Viertelfinale knapp dem 1. FC Kaiserlautern unterlag.

Neben Ommers Marketing-Coup liegt der wichtigste Beitrag des Vereins denn wohl in der ansehnlichen Liste ehemaliger Spieler, die mit anderen Mannschaften Erfolge feierten. Werner Kohlmeyer zählt dazu, der mit Kaiserslautern zwei deutsche Meistertitel feierte  und beim WM-Finale 1954 zweimal für den bereits geschlagenen Toni Turek auf der Linie rettete. Miroslav Klose zählt dazu, frisch gebackener Weltmeister und Rekord-WM-Torschütze. Für Rodolfo Cardoso war Homburg das Sprungbrett in die Bundesliga, Jimmy Hartwig und Horst Ehrmanntraut ließen ihre Karriere dort ausklingen. Und mit Teammanager Steffen Korell hat auch ein aktueller Gladbacher eine Homburger Vergangenheit.

Die Homburger Gegenwart heißt Regionalliga Südwest. Der Verein, der in den Jahren zuvor zwischen Viert- und Fünftklassigkeit pendelte, entschied sich im Sommer zur Runderneuerung seines Teams: 16 (sechzehn!) Neuzugänge stehen zu Buche, viele davon mit Erfahrung in höheren Ligen. Auch der frühere Aufstiegstrainers Jens Kiefer, einst in Saarbrücken Jugendtrainer von Patrick Herrmann, wurde zurückgeholt. Derart geliftet, wurde das Team von manchen schon als Aufstiegsaspirant gehandelt. In den ersten drei Ligaspielen konnte es diesen Vorschusslorbeeren aber nicht gerecht werden. Im als Spitzenspiel apostrophierten Duell mit dem 1. FC Saarbrücken konnten die Homburger nach einer packenden Aufholjagd zwar noch einen 0:2-Rückstand in ein Remis verwandeln. Gegen Kaiserslauterns U23 und gegen Eintracht Trier setzte es aber zwei Niederlagen, bei denen die Homburger defensivbetonter auftraten, als es viele erwartet hatten, und im Spiel nach vorne vieles schuldig blieben. Speziell Stürmer Angelo Vaccaro, der aus Elversberg kam und für den VfB Stuttgart immerhin schon zweimal Bundesligaluft schnuppern durfte, agierte vor dem Tor unglücklich, selbst vom Elfmeterpunkt. So rangiert der FC aktuell auf einem enttäuschenden vorletzten Platz der Regionalliga Südwest.

Allerdings: Sowohl die Lauterer als auch die Trierer taten sich gegen die massierte Homburger Deckung schwer. Alles andere als eine extrem defensive Ausrichtung des Gastgebers, gepaart mit der Hoffnung auf einen Lucky Punch oder das Elfmeterschießen, wäre am Samstag eine Überraschung. Das weckt in Gladbach böse Erinnerungen an das letzte Jahr, als quälende hundertzwanzig Minuten eher antiklimaktisch endeten. In der Hoffnung auf Lustvolleres reist man nun zum saarländischen Viertligisten.

Die Fahrt dahin werden ein Weltmeister und ein verhinderter WM-Fahrer nicht mitmachen. Dabei hat der Ausfall Max Kruses besondere Pikanterie. Nicht nur, weil der anatomische Ort seines Leidens so gut zur Homburger Kondom-Assoziation passt. Sondern auch, weil sein Vertreter gerade jener Branimir Hrgota ist, der das letztjährige Pokalaus mit einem fahrlässig-arrogant an die Latte gelupften Elfmeter besiegelte. Der junge Stürmer dürfte nun in gleich mehreren Spielen von Beginn an die Chance erhalten, sich positiver in Erinnerung zu bringen. Lucien Favre hat ihn ja ohnehin nie vergessen.

Im defensiven Zentrum spricht nach dem Trainingsrückstand von Christoph Kramer alles für das Duo Nordtveit – Xhaka, mit Mo Dahoud als erstem Einwechselkandidaten. In der Innenverteidigung dürfte nach den Eindrücken des Bilbao-Spiels Jantschke statt Dominguez an der Seite Martin Stranzls verteidigen. Auf den Außenpositionen der Viererkette spricht die zu erwartende Mauertaktik des Gegners für die offensiveren Varianten Johnson und Wendt. Traore dürfte fürs Erste gesetzt sein, Raffael ist es ohnehin. Bleibt die Frage, ob auf der rechten offensiven Außenbahn André Hahn oder Patrick Herrmann angreifen. Allen dürfte es die Aufgabe erleichtern, wenn ein frühes Gladbacher Tor gelingt. Sind die Homburger nämlich gezwungen, Räume zum Kontern zu öffnen, dann könnte dies nicht nur der neuen Gladbacher Schnelligkeit in die Karten spielen, sondern auch eine Schwäche der Gastgeber offenlegen. Denn die meisten Homburger Gegentore in dieser Saison fielen nach Kontern des Gegners.

Aufstellungen:

FC Homburg: Buchholz – Gaebler, Halet, Noll, Fischer – Kröner, Kilian – Gallego, Stegerer – Kesse, Vaccaro.

Borussia M’gladbach: Sommer – Johnson, Stranzl, Jantschke, Wendt – Nordtveit, Xhaka – Herrmann, Traoré – Raffael, Hrgota.

Schiedsrichter: Benjamin Cortus.
Asssistenten: Daniel Schlager, Johannes Huber.
Vierter Offizieller: Thomas Stein.

SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: Wiederholungen gefallen nicht. Diesmal fällt das erlösende Gladbacher Tor, das die Dinge so viel einfacher macht. Nach dem 2:0 kann die Favre-Elf ein paare Gänge herunterschalten.

Michael Heinen: Die Phrase des Tages lautet: Homburg ist nicht Darmstadt. Es wird zwar wieder kein rauschendes Fußballfest, aber ein souveräner, ungefährdeter 3:0-Auswärtssieg.

Thomas Häcki: Gegen Homburg hat die Borussia noch nie verloren und fängt an diesem Wochenende auch nicht damit an. Mit einem humorlosen 4:0 Erfolg startet man erfolgreich in die Saison.

Christian Spoo: Früh genug geht Borussia in Führung, so dass nie wirklich die Sorge aufkommt, das Erstrundenaus könnte sich wiederholen. Am Ende heißt es 4:1 für den Favoriten.