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Ginge es nach den Ergebnissen der jüngsten Testspiele, dann könnte sich Borussia auf einen spannenden Abstiegskampf mit Schalke 04, VfL Wolfsburg, Bayern München und dem BVB freuen. Drei Niederlagen gegen Velbert, Bilbao und den HSV stehen nur einem vollständig überzeugenden Sieg in Enschede gegenüber. Zum Glück lehrt die Vergangenheit, dass solchen Ergebnissen nicht allzu viel Gewicht beizumessen ist. Ab nächsten Samstag gilt es zu überzeugen, wenn beim FC 08 Homburg das erste Pflichtspiel der Saison ansteht. In den beiden darauffolgenden Wochen warten zudem noch der VfB Stuttgart, der SC Freiburg und zweimal FK Sarajevo auf die neuformierte Fohlenelf, die somit keine Zeit bekommen wird, um sich in Ruhe abzustimmen und einzuspielen. Ein Fehlstart, wie man ihn im Vorjahr in Darmstadt hinlegte, könnte im schlimmsten Fall in gleich 2 von 3 Wettbewerben das frühzeitige Aus bedeuten und einen traurigen Schatten auf die eigentlich so erfolgreiche Vorsaison werfen.

Neue Schnelligkeit in der Offensive

Dass es soweit nicht kommt, dazu sollen auch die Neuzugänge beitragen, für die Max Eberl und sein Einkaufsteam von vielen Experten gelobt wurden. Wie im Vorjahr wurde vornehmlich auf in Deutschland etablierte Spieler gesetzt, die bereits bei anderen Bundesligisten – oder im Falle von Yann Sommer in der Champions League – auf sich aufmerksam gemacht haben. Die Auswahl der Neuen zeigt zudem: Noch mehr als bisher schon möchte Lucien Favre in Zukunft mit Tempofußball zum Erfolg kommen. Die schnellen Außen Hahn und Traoré bieten hier andere Optionen an als es bisher Juan Arango tat. Fraglich ist hingegen, inwieweit sie dessen Genialität in den entscheidenden Momenten werden ersetzen können. Am ehesten wird dies dem trickreichen Traoré zugetraut, der zunächst auf der linken Außenposition in die Saison starten soll. Beim VfB Stuttgart war er in seinen zwei Jahren zwar nicht durchgängig Stamm, gehörte dort aber gerade zum Ende der letzten Spielzeit zu den herausragenden Akteuren, wobei er zeitweilig auch in zentraler Rolle hinter den Spitzen erfolgreich agierte.

André Hahn erinnert in vielem Borussias letztem Schnäppchen-Transfer: Wie Max Kruse, so lieferte Hahn bei einem Überraschungsteam eine herausragende Saison ab, wodurch er sich sogar für Jogi Löw empfahl. Wie Kruse tat er sich in jungen Jahren eher schwer, im Profifußball Fuß zu fassen und hofft nunmehr, in Mönchengladbach den nächsten Schritt auf seiner Karriereleiter zu tätigen. Wie Kruse konnte er dank einer Ausstiegsklausel relativ billig aus dem Vertrag gekauft und eine Vielzahl anderer Interessenten ausgestochen werden. Bei all diesen Gemeinsamkeiten sollte aber kein Automatismus erwartet werden. Nicht jeder Shooting-Star kann - wie Kruse zuletzt - an seine Erfolge aus einer herausragenden Spielzeit anknüpfen. Schon in der letztjährigen Rückrunde ließen Hahns Leistungen spürbar nach, so dass er sich in Augsburg teilweise gar auf der Ersatzbank wiederfand. Technisch weist der 23jährige noch enorme Defizite auf, die selbst ein Favre kaum vollständig wird beseitigen können. Mit seiner Schnelligkeit und Dynamik ist er für die Außenbahn prädestiniert und bietet hier zweifelsohne eine weitere gute Option zu Traoré oder Herrmann.

Neue Gefahren in der Defensive

Hinten rechts könnte mit Fabian Johnson ein weiterer Neuzugang agieren, der bei 1860 München sowie in Hoffenheim über Jahre hinweg nachgewiesen hat, ein ordentlicher Bundesliga-Verteidiger zu sein. Anders als Julian Korb oder Tony Jantschke interpretiert er die Rolle des Rechtsverteidigers sehr offensiv, was seinen Mitspielern entsprechende Mitarbeit abverlangen wird. Trotz der beachtlichen WM-Leistung des Amerikaners wird er zunächst noch beweisen müssen, inwieweit er diese weiterhin konstant umsetzen kann, ohne die für Favre so wichtige Stabilität in der Defensive allzu sehr zu gefährden.

Eine solche Gefahr wurde gegen Bilbao bei gegnerischen Ecken ausgemacht. 3 nahezu identische Tore innerhalb von 10 Minuten zeigten auf, dass in diesem Bereich noch einiges getan werden muss. Auch der neue Torhüter Yann Sommer sieht sich bereits nach zwei Testspielen erster Kritik ausgesetzt, was im schnelllebigen Internetzeitalter nicht überbewertet werden sollte. Von Marc-André ter Stegen wurden Borussias Fans in den letzten Jahren extrem verwöhnt, was herausragende Torwartleistungen angeht. Auch Sommer wird diesbezüglich einiges vorzeigen können, wenn man seine Top-Leistungen in zahlreichen Champions-League-Spielen zum Maßstab nimmt. Er gehört nach Einschätzung zahlreicher Experten zu den Besseren seines Fachs. Es ist ihm aber nicht anzulasten, dass er nicht zu 100% ein Abbild seines Vorgängers darstellt.

Ter Stegen hatte eine fast schon unheimliche Präsenz im Strafraum und fischte einen Großteil der gegnerischen Flankenbälle mit einer eleganten Leichtigkeit herunter wie vor ihm noch kein Keeper in der Gladbacher Historie. Sommer hingegen vertraut häufiger seinen überragenden Stärken auf der Linie und bleibt im Zweifel lieber auf der ihm so vertrauten Torlinie. Für das Spiel der Borussia, die in den letzten Jahren stets die meisten Flanken aller Bundesligisten zuließ, wird dies eine Umstellung mit sich bringen müssen. Sommer wird sich ebenso an das Spiel seiner neuen Kollegen anpassen müssen wie sich die Innenverteidiger um Bälle zu kümmern haben, die ihr neuer Schlussmann nicht mehr so konsequent wegräumt wie sein Vorgänger. Wer Favres Hang zur Akribie kennt, wird sich vorstellen können, dass genau daran spätestens seit dem Bilbao-Spiel intensiv gearbeitet wird.

Neue Stärke in der Breite

Anders als auf so vielen anderen Positionen könnte Lucien Favre einen Ausfall des Stammtorhüters nicht ohne signifikanten Qualitätsverlust kompensieren. Hinter Sommer streiten sich mit Christofer Heimeroth und Janis Blaswich zwei Keeper um den Platz auf der Ersatzbank, bei denen erhebliche Zweifel bestehen, ob sie einen längerfristigen Ausfall des Stammkeepers adäquat ersetzen könnten. Größeres Talent wird seit Jahren dem 20 Jahre jungen Niklas Bolten zugeschrieben, der seinen Trainer im diesjährigen Trainingslager aber offensichtlich nicht ausreichend überzeugte, um für die Rolle der Nr. 2 in Frage zu kommen.

Trotzdem ist es Borussias neue Stärke, auf allen Positionen doppelt besetzt zu sein. Die Neuzugänge haben hier noch einmal zu einer Stärkung der Breite beigetragen, da Favre für den Typ durchschlagkräftiger Zentrumsstürmer, den die abgegebenen Mlapa und de Jong verkörpern, offensichtlich wenig Verwendung hat. So sind Kruse und Hrgota die einzigen beiden Spieler, die als vorderste Sturmspitze ernsthaft in Frage kommen. Spätestens der Ausfall des Ex-Freiburgers zu Saisonbeginn hat Befürchtungen hochkochen lassen, ob sich aus den übrigen Offensivspielern ein geeignetes System – ggf. ohne Zentrumsstürmer – wird basteln lassen. Das Vertrauen allein in den talentierten, aber weiterhin auf seinen endgültigen Durchbruch wartenden Hrgota könnte gerade in der bedeutsamen Saisonanfangsphase erhebliche Gefahren bergen. Gut vorstellbar, dass der Verein bis Ende August noch reagiert und im Sturm nachlegt, nachdem sich der Transfer von Jorge Benitez in buchstäblich letzter Sekunde noch zerschlagen hat.

Neue Youngster beleben die Konkurrenz

Gespannt sein darf man auf die jungen Akteure, die zumindest in den Kader drängen. Im vergangenen Jahr war es keinem Akteur aus Jugend oder U23 gelungen, sich für die Bundesliga-Elf nachhaltig zu empfehlen. Mo Dahoud wurde verletzungsbedingt gebremst, hat in der Vorbereitung jetzt aber wieder voll angegriffen. Bei allem Talent wird er es schwer haben, sich in den ohnehin schon umkämpften Konkurrenzkampf im defensiven Mittelfeld weit vorne einzureihen. Selbst der 30-Minuten-Weltmeister Christoph Kramer kann sich hier seines Stammplatzes nicht sicher sein, wenngleich er dank seiner enormen Laufleistung mittelfristig die besten Aussichten haben sollte. Es ist aber nicht zu unterschätzen, wie Kramer mit dem stark zugenommenen Rummel um seine Person umgehen wird. Als einziger „Weltmeister“ der Borussia wird er ständig im Fokus stehen. Seine unerfreuliche Vertragssituation wird zusätzlich für Schlagzeilen sorgen, die Kramer dringend wird ignorieren oder ausblenden müssen, um weiter erfolgreich spielen zu können. Denn auch wenn die Medien es in der nächsten Zeit anders suggerieren werden, so ist der Ex-Bochumer leistungsmäßig nicht allzu weit vor seinen Konkurrenten anzusiedeln.

Granit Xhaka z. B. wird sich in seinem dritten Borussen-Jahr noch viel weniger als bislang mit gelegentlichen Bankaufenthalten anfreunden können. Spielt er so wie in der letzten Vorrunde braucht er solche nicht zu befürchten. Knüpft er hingegen an die Leistungen aus der Rückrunde an, so könnte dies seine letzte Saison im Borussen-Trikot sein. Denn auch Havard Nordtveit hat den eigenen Anspruch, zu den stärksten 11 Borussen zu gehören. Die letzte Saison war diesbezüglich ein kleiner Rückschritt in seiner Karriere und er wird sich enorm steigern müssen, um sich die Rückkehr in den Stamm dauerhaft zu verdienen.

In der Innenverteidigung scharrt der 19jährige Marvin Schulz mit den Hufen, um sich gegen die erfahrene Konkurrenz aus Jantschke, Stranzl, Brouwers und Dominguez durchzusetzen. Auf den Außenbahnen konkurrieren jeweils  ein Spieler mit offensiver (Wendt bzw. Johnson) und einer mit defensiver Ausrichtung (Dominguez bzw. Korb). In Verbindung mit den laufstarken Offensivaußen dürfte Favre zunächst den angriffslustigeren Spielern den Vorzug geben – zumindest solange wie dies keine negativen Auswirkungen auf die Stabilität der Defensive haben wird. Für Altmeister Daems dürfte es hingegen schwer genug werden, überhaupt noch in den Spieltags-Kader nominiert zu werden.

Neue Ziele nur schwer zu erreichen

Zusammengefasst hat sich Borussia durch die Neuzugänge zweifelsohne verstärkt, dies aber vornehmlich in der Breite. Ob man in der ersten Elf so viel besser dasteht wie einige Kommentatoren es einschätzen, wird sich erst noch zeigen müssen. Bei aller Wertschätzung für Yann Sommer, so ist der zweitbeste deutsche Torhüter, der nicht ohne Grund vom FC Barcelona verpflichtet worden ist, kaum gleichwertig zu ersetzen. Ebenso fraglich, ob Traore, Hahn oder Hazard den Verlust eines Juan Arango vollständig kompensieren können. Und selbst der bei der WM so hochgejubelte Johnson wird erst noch nachweisen müssen, dass er gegenüber Korb (bzw. vormals Jantschke) einen Qualitätssprung darstellt.

Die Top5-Vereine der Liga haben sich allesamt millionenschwer verstärkt und einige namhafte Akteure hinzugewonnen, ohne gleichzeitig den Abgang zweier so wertvoller Spieler beklagen zu müssen wie Borussia. Es wird daher alles andere als einfach, den Abstand zu diesen Vereinen in dieser Saison zu verringern. Erinnert sei zudem daran, dass die Mannschaft schon beim letzten Gang nach Europa mit der Doppelbelastung zu kämpfen hatte, so wie zuletzt auch Freiburg oder Frankfurt. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es zu optimistisch, von einer Verbesserung über den bisherigen Platz 6 hinaus zu träumen. Selbst dieser Platz wird schwer genug zu halten sein, da sich auch auf den nachfolgenden Plätzen eine Reihe ambitionierter Vereine tummeln, die ihrerseits zur Borussia werden aufschließen wollen. Geht man von der Kaderstärke aus und kalkuliert die diversen Unwägbarkeiten des Fußballs mit ein, so erscheint eine Endplatzierung zwischen Platz 5 und 8 am realistischsten. Trotz aller Neuerungen wäre es als Erfolg zu werten, wenn zumindest im Endergebnis dann doch alles beim Alten bliebe.