Der Fußball sorgt manchmal für die verrücktesten Ergebnisse. Man frage z. B. die Fans von Arminia Bielefeld, die vor zwei Jahren nach einem 3:1-Sieg im Relegationsspiel in Darmstadt den Klassenerhalt bejubelten und wenige Tage später nach der 2:4-Rückspielpleite aus allen Wolken fielen. Auch Borussia hat in seiner Vereinshistorie schon einige sicher geglaubte Vorsprünge hergeschenkt. Das 5:1 gegen Real Madrid schmerzt so manchen Fan noch über 30 Jahre später. Das nicht minder legendäre 7:1 über Inter Mailand wurde gar durch eine Coladose wertlos. Tragisches Scheitern gehört ein Stück weit zur Vereins-DNA der Gladbacher. Von daher sollte sich niemand zu sicher sein, dass der zweifelsohne komfortable 3:1-Erfolg aus Bern bereits automatisch zum Einzug in die Champions League Gruppenphase berechtigt. Es bedarf einer zumindest konzentrierten Durchschnittsleistung über weitere 90 Minuten, ehe dieses große Ziel endgültig bewältigt sein wird.

Bei aller gebotenen Vorsicht: Young Boys Bern ist nicht Real Madrid oder Inter Mailand. Und Borussia macht nicht den Anschein, als wollte sie irgendeinen Gegner auf die leichte Schulter nehmen. Selbst im dürftigen Pokalspiel bei der SV Drochtersen/Assel kann man ihr dies nur bedingt vorwerfen. Hier traten vielmehr die nicht ganz neuen Probleme zum Vorschein, eine kompakte Defensive zu knacken. Ein Problem, das am Mittwoch eher nicht auftreten sollte, denn die Berner werden gezwungen sein, ihr Heil in der Offensive zu suchen – benötigen sie für ein Weiterkommen doch mindestens drei eigene Tore.

Borussia hat in den ersten beiden Saisonspielen in mancher Situation offenbart, dass die eigene Abwehrreihe nicht immer sattelfest steht. Nach dem Ausgleich der Berner hätte die Partie bei unglücklicherem Verlauf auch in eine unschöne Richtung kippen können. Die gute Nachricht fürs Rückspiel: Yann Sommer wird voraussichtlich wieder spielfähig sein. Davor setzt André Schubert auf eine sehr starke Rotation. Gleich 7 Spieler wechselte er im Pokal gegenüber dem Play-Off-Hinspiel aus. Es ist zu erwarten, dass er am Mittwoch ähnlich verfahren wird, um so all seinen 18 "Stammspielern" relativ gleichmäßig Spielpraxis verschafft zu haben. Gerade für die defensive Stabilität ist es oft von Vorteil, auf eine eingespielte Achse zu setzen. Es wird sich im Saisonverlauf zeigen, ob die nötige Feinabstimmung mit der offensichtlich geplanten Extrem-Rotation ebenfalls zu erzielen sein wird oder ob sich in einigen Wochen zumindest ein Kern von Spielern herauskristallisiert, der von den regelmäßigen Wechseln ausgenommen wird.

Berns Trainer Adi Hütter wäre froh, könnte er über einen solch hochkarätigen und breiten Kader verfügen wie sein Kollege. Aufgrund zahlreicher Verletzungen stellt sich seine Mannschaft beinahe von selbst auf. Immerhin sind mit Denis Zakaria und Neuzugang Thorsten Schick zwei potentielle Stammspieler wieder fit und einsatzbereit. Gerade Shooting-Star Zakaria fehlte im Hinspiel im defensiven Mittelfeld und wird der Mannschaft einen deutlichen Qualitätssprung verschaffen. Dafür könnte ein anderer ganz wichtiger Spieler nicht dabei sein: Torjäger Guillaume Hoarau verletzte sich bei Berns 7:2-Kantersieg über Lausanne und soll daher ausfallen. Sofern die Berner hier nicht zum großen Bluff ansetzen wäre dies ein ganz bitterer Nackenschlag angesichts der drei Tore-Hypothek, die ohne den Franzosen noch viel schwerer zu bewältigen sein wird (Update 23.08., 16h: Hoarau fällt definitiv aus, muss acht Wochen pausieren). Doch auch so ist das Offensivpotential der Gäste beachtlich genug, um sie ernst zu nehmen. Kubo erzielte bereits zwei Treffer gegen Donezk, Sulejmani deutete im Hinspiel seine Torgefahr an und der logische Hoarau-Ersatz Michael Frey hat in den vergangenen Wochen angedeutet, dass er ebenfalls weiß, wo das Tor steht.

Borussia: Sommer – Elvedi, Christensen, Vestergaard – Johnson, Kramer, Dahoud, Hazard, Wendt – Stindl, Raffael

Bern: Mvogo – Sutter, Vilotic, von Bergen, Lecjaks – Ravet, Bertone, Zakaria, Sulejmani – Kubo, Frey

SEITENWAHL-Tipps

Michael Heinen: Rund 30 Minuten muss Borussia zittern, da Bern das erste Tor gelingt. Am Ende reicht es aber zu einem letztlich ungefährdeten 2:1-Sieg.

Claus-Dieter Mayer: „Mit einem weiteren Arbeitssieg sichert die Borussia die Teilnahme an der Champions League. Der zwischenzeitliche Berner Ausgleich sorgt nur kurze Zeit für etwas Spannung; der glanzlose 2:1 Sieg sorgt für einen relativ entspannten Abend im Borussiapark.“

Christian Heimanns: „Das Rückspiel wird routiniert runtergespielt, der 2:0 Sieg ist weniger aufregend als das Ergebnis. Danach können sich Manchester und Barcelona schon mal warm anziehen.“

Uwe Pirl: „Das wichtigste: Nicht noch vergeigen durch eine hohe Heimniederlage! Das wird aber nicht passieren. Getragen von der eigenen Heimstärke, den Fans und unterstützt durch einen Gegner, der mitspielen muss, will er die minimale Chance nutzen, kommt Borussia zu einem eher unspektakulären 2:1 Sieg.“

Volkhard Patten: „Die Party des Jahres steigt ab der 20. Minute im Mönchengladbach. Borussia führt 1:0 und spielt im Stile eines Spitzenteams die Partie zu Ende. Nach dem sicheren 2:1-Erfolg warten wir nun auf die Reiseziele in der Champions-League.“

Christian Spoo: „Borussia kann sich keinen künstlichen Druck machen und geht das Spiel einen Tick zu gelassen an. Dennoch reicht es für die Young Boys nur zu einem 1:1.“

Thomas Häcki: „Die Borussia wird feiern. Nach dem ersten Tor ist alles klar und die Schubertelf wiederholt das Ergebnis aus Bern. 3:1“

Christoph Clausen: "Gegen einen starken Gegner setzt sich die Gladbacher Heimstärke durch. Mit 2:1 veredelt Borussia den Hinspielerfolg."