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Es mag gesundes Selbstbewusstsein oder das sprichwörtliche Pfeifen im Walde sein. Für Borussias Spieler ist es aber alternativlos, die Partie in Kiew mit der Maxime anzugehen, das Unmögliche möglich zu machen. Zu verlieren hat die Mannschaft nach der 1:3-Heimpleite nichts mehr. Finanziell wurden eh nur die sicheren Einnahmen der Europa League eingeplant. Sportlich zeigt die Auflistung der potentiellen Gegner, dass auch im kleineren internationalen Wettbewerb einige klangvolle Namen warten würden. Ein Auswärtssieg mit drei eigenen Toren wird sehr schwer, aber wie Lucien Favre zurecht anmahnt, ist es die Pflicht der Mannschaft, alles zu probieren.


Was der Schweizer selbst probieren wird, um die Wahrscheinlichkeit eines Wunders zu erhöhen, wird eine der spannenden Fragen dieses Mittwochs sein. Es ist nicht davon auszugehen, dass der eher vorsichtig-konservative Übungsleiter allzu große Veränderungen in der Startaufstellung oder im System umsetzen wird. Das 4-4-2-System mit de Jong und Hanke in der Sturmmitte produzierte zwar gegen Hoffenheim aus dem Spiel heraus noch weniger offensive Durchschlagskraft als die Besetzung im Play-Off-Hinspiel. Es wäre aber arg optimistisch gedacht, dass eine andere Aufstellung auf Anhieb so viel Positiveres zustande bringen könnte. Nicht zuletzt die mangelnde Eingespieltheit wurde als Grundübel des spielerisch holprigen Saisonstarts ausgemacht. Da macht es Sinn, nach der zuletzt immerhin gewonnenen Partie keine allzu großen Änderungen vorzunehmen. Die einzig offene Frage wird daher zu Spielbeginn wohl lauten, ob der wiedergenesene Alvaro Dominguez in die Startelf zurückkehrt oder ob Roel Brouwers für seine erneut grundsolide Vertretung mit einem weiteren Einsatz belohnt wird.

 

Im Laufe der Partie wird sich für Favre mit hoher Wahrscheinlichkeit die Frage stellen, zu welchem Zeitpunkt er seine Mannschaft zu einer wie viel riskanteren Spielweise animiert. Letztlich sollte sich aber jeder noch so optimistische Fan bewusst sein, dass allein die Einwechselung eines zusätzlichen Stürmers nicht automatisch zu mehr Offensivstärke führen muss. Die viel zitierte Mischung, die Lucien Favre zu optimieren versucht, muss in Kiew weit explosiver zünden als es in den bisherigen Saisonspielen der Fall gewesen ist. Denn wenngleich es immerhin bereits fünf Tore der Borussia zu bejubeln gab, so ist das Offensivspiel bislang weit entfernt von dem Kombinationsfußball der Vorsaison. Damit das Wunder Wirklichkeit werden kann, muss diese einstige Offensivstärke aber zumindest für einen Abend so gut wie möglich wiederbelebt werden. Borussia müsste dafür einen optimalen Tag erwischen und selbst dann wird es schwer. Denn der Gegner ist alles andere als internationales Fallobst.

 

Die ukrainische Oligarchentruppe hat in diesem Sommer eine bereits international hochkarätig besetzte Mannschaft noch einmal mit knapp 40 Mio. Euro verstärkt, so dass nahezu die komplette Mannschaft mit aktuellen Nationalspielern aus der Ukraine, Portugal, Kroatien oder Nigeria gespickt ist. Im Vergleich: Borussia hat zwar ihrerseits immerhin knappe 30 Mio. Euro in die Mannschaft investiert. Dies war aber nötig, um Abgänge zu kompensieren, für die bei anderer Vertragsgestaltung Transfererlöse von bis zu 50 Mio. Euro hätten erzielt werden können. Die Mär, Borussia habe sich in diesem Sommer sogar noch verstärkt, ist alleine schon durch den Abgang des besten Spielers der vorigen Bundesliga-Saison aberwitzig. Um das noch einmal zu verdeutlichen: Marco Reus war im Vorjahr besser als die größten Stars dieser Liga, als all jene Lewandowskis, Kagawas, Riberys oder Huntelaars, die zur internationalen Creme de la Creme gehören.

 

Den Verlust des besten Fußballers der gesamten Liga, der an mindestens 80 % aller gefährlichen Angriffe höchst aktiv beteiligt gewesen ist, kann kaum eine Mannschaft so ohne Weiteres verkraften. Es war für seine Nebenleute eine erhebliche Erleichterung zu wissen, dass Marco Reus auch in schwächeren Phasen gegen tiefstehende Gegner fast immer ein Geistesblitz einfiel. Fiel der Ex-Borusse aus oder schwächelte er, tat sich die Mannschaft regelmäßig schwer. Es ist ein normales Phänomen, dass es einige Zeit benötigt, ehe sich die Mannschaft neu erfindet und ihren eigenen Stil kreiert.

 

Vor einem knappen Jahrzehnt war Borussias Offensivspiel über lange Zeit davon geprägt, vorne den kopfballstarken Arie van Lent zu suchen und hoch anzuspielen. Als dieser 2004 den Verein verließ, fügte sich Neuzugang Oliver Neuville gleich prächtig ein und knipste ohne größere Anpassungsschwierigkeiten. Dennoch fiel es der Mannschaft lange Zeit schwer, die alten Verhaltensmuster abzulegen, was Holger Fach schlussendlich seinen Arbeitsplatz kostete und Borussia in den Abstiegskampf verstrickte.

 

Es ist zu einfach, bereits nach drei Pflichtspielen den Stab über Luuk de Jong zu brechen, der mit einer tollen Vorlage zum 1:0 in Aachen seine Fähigkeiten andeutete, aber zweifelsohne in den darauffolgenden Partien wie ein Fremdkörper wirkte. Sein Bemühen ist unverkennbar, doch es ist offenkundig, dass seine Stärken zu wenig genutzt werden. Gegen Hoffenheim flog eine einzige gefährliche Flanke in den Strafraum, die dann gleich von Hanke zum Führungstor genutzt wurde. De Jong hat seine Fähigkeiten insbesondere im gegnerischen Strafraum, wo er in Holland seine Kaltschnäuzigkeit unter Beweis stellte. Im aktuellen Spiel von Borussia werden ihm aber nur wenige Möglichkeiten geboten, da es an Spielern fehlt, die ihn brauchbar füttern.


Die defensiven Außenbahnen sind mit defensiv grundsoliden Spielern belegt, die aber nur wenig zur Offensivarbeit beitragen. Filip Daems hat in bislang 177 Bundesligaspielen gerade einmal zwei Tore vorbereitet. Bei Tony Jantschke sieht es nach 51 Spielen mit einer Torvorlage ähnlich trüb aus. Patrick Herrmann befindet sich weiterhin nicht in der Topform, die ihn zu Beginn des Jahres in den Dunstkreis der Nationalmannschaft brachte. Die übrigen jungen Spieler wie Ring oder Hrgota konnten ihr Potential bislang nur in Ansätzen unter Beweis stellen, machen aber immerhin Mut, dass für die Zukunft weitere Optionen bestehen. 


So bleibt derzeit vieles an Juan Arango hängen, der mit seiner überragenden Frühform einen Fehlstart in die Saison zu verhindern verstand. Seine Stärke bei Standards ist eine Waffe, die Borussia in dieser Saison stärker nutzen wird als zuletzt. So sehr es Favre auch missfallen mag, auf diesem „langweiligen“ Weg zu Toren zu kommen, so bieten Eckbälle und Freistöße gute Möglichkeiten, die hinzugewonnene Kopfballstärke gewinnbringend einzusetzen. Dies alleine wird aber nicht reichen – nicht im weiteren Saisonverlauf und schon gar nicht für einen hohen Sieg in Kiew.

 

Doch jammern ob des schwierigen Umgewöhnungsprozesses hilft nichts und niemanden. Borussia hat weiterhin eine ordentliche Bundesliga-Truppe beisammen, die sich an einem guten Tag vor keinem Gegner zu verstecken braucht. An einem sehr guten Tag ist vielleicht sogar ein Sieg bei einem internationalen Schwergewicht wie Dynamo Kiew möglich. Damit dieser in der entsprechenden Höhe ausfällt, bedarf es eines überragenden Tages, an dem alles passt. Solche Tage gibt es im Fußball nur selten, aber es gibt sie. Vielleicht ja ausnahmsweise sogar an diesem 29. August 2012, an dem Borussia Mönchengladbach nichts mehr zu verlieren hat, aber im Fall der Fälle sehr viel gewinnen könnte.  

 

Borussia: ter Stegen – Jantschke, Stranzl, Brouwers, Daems – Ring, Nordtveit, Xhaka, Arango – Hanke, de Jong

Kiew: Koval – Silva, Khacheridi, Mychalik, Taiwo – Garmash, Veloso – Jarmolenko, Kranjcar, Ninkovic – Brown

 

Michael Heinen: Beim letzten Europacup-Auftritt folgte einer 2:4-Heimniederlage ein 1:0-Achtungserfolg in Monaco. Es wäre schon ein Erfolg, wenn Ähnliches in Kiew gelänge. Leider reicht es aber nicht einmal dazu. Mit 0:2 verliert Borussia auch das Rückspiel und muss erkennen, dass noch eine Menge Arbeit wartet, ehe mit Mannschaften vom Kaliber Kiew ernsthaft mitgehalten werden kann.

 

Christian Heimanns: Mit einem 1:1 qualifizieren sich die Borussen für die Europa League und bewahren sich den Nimbus, in der Champions League auswärts unbesiegt zu sein.

 

Christian Spoo: Dynamo Kiew muss sich nicht sonderlich anstrengen, um Borussia ein zweites Mal zu bezwingen. Mit dem 0:1 sind die Gladbacher noch gut bedient.

 

Thomas Häcki: Cleverness schlägt Traum. Eigentlich hat man nie den Eindruck, das Kiew bei seinem 1:0 Sieg ernsthaft in Gefahr gerät.

 

Christoph Clausen: Wunder heißen so, weil sie unwahrscheinlich sind. Sehr unwahrscheinlich. So unwahrscheinlich wie ein Gladbacher 3:0-Sieg in Kiew. Tatsächlich unterliegt die Borussia mit 1:2, schüttelt sich kurz und freut sich dann auf die Europa League.

 

Christian Grünewald: Borussia wird sich zwar redlich bemühen, letztlich aber doch erneut an abgezockten Ukrainern scheitern, die sich diesmal auch nicht von einer motivierten Anfangsphase überrumpeln lassen: 1:0 für Kiew.