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Borussia geht ohne drei seiner Leistungsträger ins erste Europa-League-Spiel. Bei AEL Limassol verzichtet Trainer Lucien Favre auf Filip Daems, Luuk de Jong und Juan Arango. Ungläubig haben Borussias Anhänger diese Nachricht am Mittwoch Morgen zur Kenntnis genommen. „Europapokal interessiert Favre nicht“, „Favre  bettelt um seinen Rauswurf“ und „das geht in die Hose“ waren noch die harmloseren Reaktionen, die SEITENWAHL kurz nach Bekanntwerden der Personalien erreichten. Auch wenn man so weit nicht gehen möchte, wirkt die Entscheidung auf den ersten Blick bizarr. Zwar ist es richtig, wenn Favre sagt, nicht mit zwölf oder dreizehn Spielern durch die Saison gehen zu können, dass dann allerdings der Kapitän, die absolut prägende Figur des Spiels und der Top-Einkauf, der gerade seine Form zu finden scheint, zu Hause bleiben dürfen bzw. müssen, ist tatsächlich, naja, sagen wir: mutig.
Was also denkt sich Lucien Favre bei dieser Entscheidung? 
 



Möglichkeit eins: der Trainer schätzt den Gegner derart schwach ein, dass er meint, auf mehrere Leistungsträger verzichten zu können. Dafür spricht, dass Limassol tatsächlich aus deutscher Sicht eine Mannschaft der mehr oder weniger Namenlosen ist. Ein paar angolanische Nationalspieler, ein paar in unseren breiten unbekannten Portugiesen und Brasilianer – was gibt es da zu fürchten? Jede Menge, weiß jeder, der gesehen hat, wie schwer sich beispielsweise der RSC Anderlecht gegen die Mannschaft aus Zypern getan hat und wie der zyprische Meister Partizan Belgrad in der Champions-League-Qualifikation ausgeschaltet hat.

Möglichkeit zwei: der Trainer glaubt, die drei Daheimgebliebenen adäquat ersetzen zu können. Im Falle Filip Daems mag das zutreffen. Daems ist noch nicht in der bestechenden Form der Vorsaison, hat in den bisherigen Partien solide aber nicht überragend gespielt Mit Oscar Wendt gibt es einen international erfahrenen Ersatzmann, dem zwar Spielpraxis fehlt, der aber vom Potenzial her in der Lage sein sollte, Daems mindestens gleichwertig zu ersetzen. Juan Arango allerdings ist nicht zu ersetzen, da sollte es unter denen, die Borussia in dieser Saison bisher haben spielen sehen, keine zwei Meinungen geben. Die einzig nachvollziehbare Begründung, zumindest auf den Außenpositionen auf den Venezolaner zu verzichten wäre, dass ein anderer Spieler womöglich eher in der Lage ist, als klassischer Flügelstürmer zu agieren und den von Flanken abhängigen Luuk de Jong zu füttern. Luuk de Jong allerdings bleibt da, wo Arango ist: in Mönchengladbach. Natürlich kann es im Laufe einer Saison auch einmal geboten sein, auf einen womöglich überspielten Juan Arango zu verzichten und dem auch wegen seiner strapaziösen Länderspielreisen stark beanspruchten Taktgeber eine Pause zu gönnen. Ob allerdings der erste Auftritt in der Europa-League und ein Spiel, dass Borussia angesichts der Beschaffenheit der eigenen Gruppe fast schon gewinnen muss dafür der geeignete Zeitpunkt ist, darf doch stark bezweifelt werden. Auf Luuk de Jong zu verzichten, ist ebenso gewagt, vor allem da der Mannschaft die Möglichkeit genommen wird, sich weiter auf den neuen Stürmerstar einzustellen. De Jong zeigte sich gegen Nürnberg stark verbessert und hatte erstmals sichtlich Bindung zum Spiel. Andererseits ist der Niederländer tatsächlich nach Europameisterschaft und Mandel-OP wohl noch nicht ganz auf der Höhe. Igor de Camargo oder Mike Hanke könnten anstelle von de Jong spielen, ohne dass sich das auf das Gesamtgefüge nachhaltig auswirken muss.

Möglichkeit drei: Lucien Favre möchte dazu beitragen, dass  seine Prophezeiung, diese Saison werde eine schwere, in Erfüllung geht.

Egal, was sich der Trainer nun wirklich gedacht hat, einfacher machen seine Rochaden die Aufgabe auf der Mittelmeerinsel nicht. Sollte die Sache nach hinten losgehen sollte, wird Favre unter enormen Rechtfertigungsdruck geraten.

Was die Gladbacher Resttruppe in Nikosia erwartet, ist schwer zu prognostizieren. AEL Limassol ist international ein unbeschriebenes Blatt. Der Klub feierte im Sommer die erste Meisterschaft nach 44 Jahren. Häufig wird nun der Vergleich mit Apoel Nikosia, dem Überraschungsteam der vergangenen Champions-League-Saison, angestrengt. Das Team aus der zyprischen Hauptstadt war erst im Viertelfinale des Wettbewerbs gegen Real Madrid ausgeschieden und hatte zuvor Olympic Lyon ausgeschaltet und die eigene Gruppe gewonnen. In der Tat gibt es Parallelen: bei beiden Klubs stehen zahlreiche Spieler aus Portugal und portugiesischsprachigen Ländern unter Vertrag und selbstredend schaffte es Limassol, die international so außergewöhnlich reüssierenden Hauptstädter in der vergangenen Liga-Saison hinter sich zu lassen. In die neue Saison ist Limassol gut gestartet. In bisher zwei Ligaspielen gab es zwei 3:1-Siege.

Ein Grund für den portugiesischen Einschlag bei AEL Limassol ist der Sportdirektor. Rui Paulo Silva Junior war als Verteidiger bis vor zwei Jahren selbst Leistungsträger im Verein, bevor er (nach kurzem Gstspiel in Nikosia) auf den Funktionärsposten wechselte. Er verstärkte das Team systematisch mit Spielern aus Portugal und seinen früheren Kolonien. Unterstützt wurde er dabei von Trainer Pambos Christodoulou, einem Vertrauten des Klubpräsidenten Andreas Sofocleous, der einige dieser Spieler schon von seinen vorherigen Trainerstationen kannte. Das Team, auf das Borussia nun trifft, ist komplett von Silva und Christodoulou zusammengestellt und nach der Meisterschaft im Sommer noch einmal ergänzt worden.

Einer der Top-Leistungsträger bei Limassol ist der Torwart. Der Argentinier Mathias Omar Degra stand einst bei Atletico Madrid unter Vertrag, machte aber nur ein Spiel in der Primera Division. Nach mehreren Stationen in Griechenland landete der jetzt 29-jährige in Limassol. Unglaubliche 21 Spiele ohne Gegentor absolvierte Degra in der vergangenen Saison, sieben Elfmeter konnte er parieren.

Drei aktuelle oder ehemalige angolanische Nationalspieler stehen im Kader der Zyprer. 52 Länderspiele absolvierte Gilberto, der linke Mittelfeldspieler ist in diesem Sommer vom belgischen Erstligisten Lier nach Limassol gewechselt. Sein Landsmann Marco Airosa, WM-Teilnehmer von 2006, gehört als Rechtsverteidiger zur Meistermannschaft vom Sommer, genau wie Adérito Waldemar Alves de Carvalho, genannt Dédé. Der Mittelfeldspieler war schon in vielen europäischen Ländern aktiv, für Angola spielte er bisher 24 Mal.

Neu zum Team ist vor der Saison Orlando Sá gestoßen. Der Stürmer mit Premier-League-Erfahrung (Fulham), der auch für die portugiesischen Spitzenteams Bragea und Porto spielte, hat sogar ein Länderspiel für Portugal bestritten. Ebenfalls neu in Limassol sind Rui Miguel, ein zentraler Mittelfeldspieler mit Erstligaerfahrung aus Portugal und sein Landsmann Paulo Sergio, Außenstürmer und früherer Jugendnationalspieler.

Einer der stärksten Spieler bei Borussias Gegner ist der ruandische Innenverteidiger Edwin Ouon. Er ist schon im fünften Jahr bei AEL, zuvor war er mehrere Jahre in der ersten belgischen Liga für mehrere Vereine aktiv. Ohnehin gilt die Defensive als der stärkste Mannschaftsteile. Mit dem Kapverder Carlitos und den Zyprer Stelios Parpas und Christos Teophilou hat Trainer Christodoulou weitere Nationalspieler zur Verfügung. 
Leistungsträger im Mittelfeld waren in der vergangenen Spielzeit der Brasilianer Edmar, der Portugiese Jorge Monteiro und Mannschaftskapitän Marios Nicolaou. Gefährlichster Stürmer ist neben dem erwähnten Orlando Sá der Ivorer Vouho, der in der Meisterschaftssaison neun Treffer in 20 Spielen erzielte. Am vergangenen Wochenende traf er auch beim 3:1-Sieg über Alki Larnaka. Aufgabe Borussias wird es aber aller Voraussicht nach vor allem sein, die kompakte Defensive von Limassol zu knacken. Die gilt nicht nur als stabil, sondern vor allem auch als knüppelhart. Die Gladbacher Offensivkräfte sollten sich nicht den Schneid abkaufen lassen und vor allem geduldig sein. Juan Arangos Kreativität im Spiel und seine Gefährlichkeit bei Standards dürften angesichts dieser Konstellation besonders fehlen.

mögliche Aufstellungen


Limassol: Degra - Marcos Airosa, Ouon, Dossa Júnior, Carlitos - Nikolaou, Dédé - Monteiro, Rui Miguel, Edmar – Vouho

Borussia
: ter Stegen – Jantschke, Stranzl, Dominguez, Wendt – Nordtveit, Cigerci, Herrmann, Xhaka, Mlapa – de Camargo

SEITENWAHL-Prognose

Christoph Clausen: Der Gegner vergleichsweise exotisch, der Kaffeesatz daumendick in der Tasse. So kreißt das Prinzip Hoffnung und gebiert als Tipp ein 2:0 für Borussia.

Christian Grünewald: Der Gegner ist ebenso schwer einzuschätzen wie derzeit die spielerische Balance der Fohlen-Elf. Aber es wird langsam: Borussia gewinnt mit 2:1.

Thomas Häcki: Aufwachen! Das eine Mannschaft aus Zypern kommt, bedeutet nicht, dass bereits 6 Punkte sicher sind. Nach der 0:1 Niederlage ist das Abenteuer Europapokal bereits frühzeitig quasi beendet.

Michael Heinen: Es wird ein hartes Stück Arbeit, aber am Ende kann Borussia über einen etwas glücklichen 2:1-Auswärtssieg jubeln.

Christian Spoo: Lucien Favre verzockt sich. Borussia kommt nach vorne nicht zu Potte und kassiert hinten das entscheidende Tor zum 0:1.