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Das hat mal wieder gesessen. Die deftige 4:0 Niederlage in Bremen hat Spuren hinterlassen und hat Spuren voriger Niederlagen noch vertieft. Neun Gegentore in den letzten zwei Auswärtsspielen sprechen eine klare Sprache. Sie sprechen von Abstimmungsproblemen im defensiven Mittelfeld, von Problemen bei Standardsituationen und überhaupt bei hohen Bällen, von Zerfallserscheinungen nach Rückstand. Man darf leider annehmen, dass der Tabellenzweite aus Frankreich diese Sprache versteht und da auch mitreden kann. Vor einem der Europaleague-Spiele, die ein besonderes Fest des Vereins hätten werden sollen, werden alle Feierlichkeiten abgesagt, denn erst mal geht es nur ums überleben.

Chronisch Malade kennen das: Man wittert etwas Vertrautes, aber es ist kein schönes Gefühl. Es ist vielmehr wie die Ahnung, dass eine Krankheit zurückkehrt, die man längst überwunden glaubte. Die alten Symptome melden sich, man will es erst noch nicht wahrhaben, aber irgendwann kann man es einfach nicht mehr übersehen oder wegpfeifen, dass die alte, vertraute Plage einem wieder in den Knochen sitzt. Nach eineinhalb lockeren und gesunden Jahren deprimiert das Wiedersehen umso stärker. Zum Beispiel das Wiedersehen mit vielen Gegentoren, die auf alle erdenkliche Weise fallen und die verblüffend an die späte Frontzeck-Ära erinnern.

Diese Ähnlichkeit ist rätselhaft, galt es doch als sicher, dass Trainergenie Favre mit den selben Spielern, die sein Vorgänger Frontzeck zur Verfügung hatte, ein kaum zu überwindendes Abwehrbollwerk errichtet hatte, das erst zum Klassenerhalt und dann direkt eben zur Europa League geführt hat. Genauer gesagt, die selben Spieler und ein Nationaltorwart. Zugegeben, diese Saison fehlen zwei dieser Spieler im defensiven Bereich, aber die wurden teurer ersetzt, als man das in Mönchengladbach je gesehen hat. Schade, dass das Ergebnis kaum schlechter sein könnte, wenn zwei Zweitligaspieler zum Nulltarif gekommen wären.  Auffällig ist dabei vor allem, dass die hochtalentierten Mittelfeldspieler nicht in der Lage sind, Roman Neustädter zu ersetzen. Die defensive Abdeckung im zentralen Mittelfeld vor der Innenverteidigung fehlt an allen Ecken und Enden, die verunsicherte Abwehr reagiert mit zahlreichen Fehlern.

Die Erklärung steht noch aus, warum es Favre nicht gelingen will, seine Abwehr wenigstens halbwegs wieder dicht zu bekommen; gerade er, dem das gleiche zuvor innerhalb weniger Wochen mit einer der größten Schießbuden der jüngeren Vergangenheit gelungen war. Man wird sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, wenn schon nicht anfreunden, dass der personelle Aderlass doch schwerwiegender war als angenommen. Es ist ja nicht so, dass Borussia mit zwei Leuten weniger antreten würde, aber warum schlägt denn der zusammen ca. 16 Millionen Euro teure Ersatz nicht so ein wie gewünscht? Klappt doch bei anderen Vereinen auch. Einfache Antworten können unbequem sein und trotzdem mit einiger Wahrscheinlichkeit richtig: Die meisten Spieler brauchen einige Zeit,  um sich einzugewöhnen und zu voller Stärke zu finden. Ein gerade erst 20 gewordener Xhaka erst recht. Einem Roman Neustädter hätte es vor drei Jahren kaum jemand zugetraut, zu einem Stammspieler in der Bundesliga zu werden und dann in der Championsleague zu spielen, aber er hat auch zwei dieser Jahre gebraucht, um heranzureifen. Die Tatsache an sich darf man in Mönchengladbach beruhigend finden, den Zeitraum bedrohlich.

Es spricht auch gar nichts dafür, dass dieser Zeitraum sich so weit verkürzt, dasss in naher Zukunft wieder ein Bollwerk vor ter Stegen steht, so ungefähr am Donnerstag. Denn dann gastiert der französische Meister von 2010 und aktuelle Zweite der Ligue 1, Olympique Marseille, im Borussiapark. Da wäre eine Verbesserung auf der ganzen Linie höchst wünschenswert, am dringendsten aber eben im Ressort Verteidigung. Denn da kommt eine technisch versierte wie kampfstarke und agressive Mannschaft, die zudem einiges an internationaler Erfahrung aufweist.

Die Olympier sind zwar kein Team, das jeden Gegner stürmend erlegt sondern eher ausgewogen und mit der nötigen Resolutheit versehen. Dennoch haben sie ihre bekanntesten Spieler und ihre größte Stärke in der Offensive. André Ayew, Sohn des früheren 1860ers Abedi Pele, Mathieu Valbuena, André-Pierre Gignac und besonders Loïc Rémy sind die Trümpfe von der Hafenstadt. Wer von den Gladbacher Außenverteidigern dabei André Ayew erwischt, der über beide Seiten kommen kann, hat dabei ein hartes Stück Arbeit vor sich. Für die Innenverteidigung dürfte es ebenfalls nicht leicht werden, Loïc Rémy vom Tor fernzuhalten. Der französische Nationalspieler bietet ein komplettes Repertoire aus Schnelligkeit und Kraft, Schuss- und Kopfballstärke und Technik, was ihn im ständigen Sichtbereich von Europas größten Clubs hält.

Unter den Abwehrspielern wird Souleymane Diawara manch einem ein Begriff sein, der Senegalese wurde erst mit Bordeaux Meister, dann mit Marseille. Und dann ist da im Mittelfeld noch die von den Queens Park Rangers ausgeliehene Skandalnudel Joey Barton, dessen Vorstrafen auf und neben dem Platz den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Insgesamt stellt "OM" einen Gegner dar, der wohl noch eine Stufe stärker einzuschätzen ist als Fenerbahce Istanbul. Nicht umsonst sind die Leute von der  Côte d’Azur mit sechs Siegen aus sechs Spielen in die Saison gestartet und liefern dem hochgerüsteten PSG einen heissen Kampf um die Tabellenführung.

Versuchen wir, ein kleines bisschen Hoffnung aus dem Umstand zu ziehen, dass Marseille von inzwischen neun Ligaspielen die letzten drei nicht gewinnen konnte und zudem der brandgefährliche André-Pierre Gignac mit einem Fußbruch noch einige Wochen ausfällt. Auch so mag es für Borussia nichts zu feiern geben, aber auch das wissen wir erst am Donnerstag beim Abpfiff.

Aufstellungen:

Borussia: ter Stegen; Daems, Dominguez, Stranzl, Jantschke; Arango, Marx, Nordtveit, Herrmann; Xhaka; de Jong
Olympique Marseille: Mandanda; Morel, Fanny, Nkoulou, Abdallah; Cheyrou, Kaboré; Ayew, Valbuena, Amalfitano; Rémy

SEITENWAHL-Meinung

Christoph Clausen: So lange auf Weihnachten gefreut und dann liegen unter dem Baum nur Kratzpullis und Lebertran. So fühlt man sich als Gladbachfan aktuell in Sachen Europapokal. Gegen Marseille geht das Trauerspiel weiter: Nach ordentlichem Beginn kassiert man ein dummes Gegentor, ergibt sich der Konfusion und ist mit dem 0:2 noch bestens bedient.

Christian Grünewald
: Die langersehnte Europa-League wird für Borussia zur lästigen Nebenveranstaltung, die nicht dazu geeignet ist, neues Selbstvertrauen zu sammeln. Im eigenen Stadion setzt es die nächste Klatsche - 1:4.

Christian Spoo
: Europapokalspiele sind in Zeiten wie diese eine Strafe und keine Belohnung. Wer Borussenfan ist, kann sich auf einen weiteren versauten Abend einstellen, an dem die Heimmannschaft mit 1:4 unterliegt.

Thomas Häcki
: Ein Klassenunterschied, der sich auch im Ergebnis ausdrückt. Nach 4 Toren hat Marseille genug. Gladbach schießt keins.

Michael Heinen
: Marseille ist aktuell zu stark für Borussia, die nach dem 1:3 kaum noch Chancen auf ein Überwintern in der Europa-League haben wird.

Christian Heimanns:
Und wenn hier hundert Seitenwahl-Redakteure tippen würden, käme immer noch kein Unentschieden oder Heimsieg dabei heraus. Marseille lässt es bei einem 2:1 Sieg bewenden. Tur mir leid, liebe Leser.