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Borussia gewinnt sein erster Heimspiel der Saison und atmet einmal kurz durch – es war in vielen Bereichen das Minimum, was man erreichen musste und konnte. Nach der Partie stehen weiter deutlich mehr Fragen als Antworten – und das nächste Aufeinandertreffen mit Gegner Heidenheim schon am Dienstag vor der Tür.

Spielbericht, Analyse und Vorbericht zum Pokalspiel

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Das Bundesligaspiel gegen Heidenheim

Viel besser hätte ein Spiel, das Borussia ohne Wenn und Aber gewinnen wollte (und auch musste), gar nicht beginnen können. Plea nutzte einen Deckungsfehler bei der Netz-Ecke in der 4. Minute, um den Ball nach starker Mitnahme am Torwart vorbeizulegen. Der Heidenheimer Rettungsversuch kurz hinter der Linie kam zu spät, sodass der Treffer dank Torlinientechnik seine Anerkennung fand.

In der Folge hatte Borussia das Spiel gegen harmlose Heidenheimer insgesamt im Griff, auch wenn man bei weitem nicht so konzentriert und zielstrebig zu Werke ging wie etwa in der ersten Hälfte des letzten Heimspiels gegen Mainz. Der Gegner erhielt erstaunlich hohe Ballbesitzanteile, was mit Blick auf die insgesamt sehr defensiven Ausrichtung offenbar Teil der Maßgabe war. Dies sorgte jedoch dafür, dass offensiv nur sehr wenig passierte – und wenn, dann meist durch Standards. Aus dem Spiel heraus fehlte die nötige Dynamik und Flexibilität im Kombinationsspiel, das Mittelfeld wurde meist über außen oder mit langen Bällen überspielt. Einige aussichtsreiche Kombinationen scheiterten meist an der fehlenden Präzision und Sauberkeit im Passspiel. So war es dann auch kaum verwunderlich, dass eine schicke Freistoßvariante über Kopfballverlängerung Ngoumou auf Jordan die einzige weitere, echte Großchance der Halbzeit blieb.

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Auch wenn Borussia sich gegen Ende zu steigern schien, blieben fehlende Abstimmung und eine latente Verunsicherung über die gesamte Spielzeit ständiger Begleiter. Luca Netz verzichtete mit der defensiven Maßgabe vollends auf offensive Läufe, Honorat leistete sich zahlreiche unnötige Fehlpässe, Weigl und Plea verlangsamten immer wieder das Spiel. Leidtragende waren vor allem der fleißige Jordan, der viele Bälle sicherte, aber praktisch nie durch die nötigen Läufe unterstützt oder im Strafraum gefunden wurde, und Ngoumou, dessen Spritzigkeit in einigen Szenen aufblitze, es für seine Qualitäten aber schlicht an Tempo im Kombinationsspiel fehlte. So war es erneut vor allem Rocco Reitz, der mit seinen beherzten Vorstößen und defensiver Galligkeit durchweg uneingeschränkten Siegeswillen vermittelte.

Die hanebüchenen Abwehrfehler nach eigener Ecke, die zum Ausgleich der Heidenheimer führten, waren wieder einmal bezeichnend für Borussias bisherige Saison: Kleindienst kann aufgrund von Stellungsfehlern aus der eigenen Hälfte allein Richtung Nicolas ziehen. Als er schließlich von den vier (!) zurückeilenden Gladbachern gestoppt wird, bekommt Dingci den Ball in den Fuß gespielt - so ging es statt Applaus unter vereinzelten Pfiffen in die Pause.

Es ist das große Glück des Spieltags, dass Borussia schon kurz nach der Halbzeitpause erneut per Ecke zuschlug – wieder war es Plea, der diesmal den Heidenheimer Föhrenbach anköpfte und der Ball stark abgefälscht ins Tor fiel. Man kann mutmaßen, dass alles noch deutlich komplizierter geworden wäre, hätte man nicht so schnell nach dem Wiederanpfiff (52.) getroffen. Denn für die Folgeminuten gilt nahezu das gleiche wie für die erste Spielhälfte: Spielkontrolle, schwacher Gegner, kaum eigene Akzente.

Es war ein Bundesligaspiel auf überaus niedrigem Niveau, das mit der Zeit nicht besser, aber zum Ende fast noch einmal spannend wurde: Wieder sorgte Kleindienst für Gefahr, doch der erneut souverän haltende Moritz Nicolas parierte den Kopfball in der 70. Minute stark. Die Schlussphase hatte dann zwei Gesichter: Das eine war eine Heidenheimer Mannschaft, die trotz ihrer Limitationen die Gladbacher phasenweise im eigenen Strafraum einzuschnüren wusste, das andere schlecht ausgespielte und leichtfertig vergebene Konter der Borussia.

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Dabei fiel der eingewechselte Robin Hack sowohl als eifriger Gefahrenherd, als auch mit mehreren falschen Entscheidungen beim Abschluss auf. Von den übrigen eingewechselten machte der junge Chiarodia bei seinem Debüt einen stabilen Eindruck auf der Linksverteidigerposition, während die Routiniers Herrmann und Kramer in diesem Spiel nicht andeuteten, dass mit ihnen noch einmal nachdrücklich zu rechnen ist. Bedenklich: Tomas Cvancara konnte erneut kaum einen Ball festmachen und fand überhaupt nicht in die Spur. Bleibt zu hoffen, dass die aktuellen Probleme des Tschechen auf seine andauernden Trainingspausen zurückzuführen sind und er langfristig an die starken Eindrücke zum Saisonstart anknüpfen kann. Auf Florian Neuhaus verzichtete Coach Seoane diesmal gänzlich, was angesichts der ordentlichen Vorstellungen der letzten Woche (mit Ausnahme des Derbys) überraschte.

Aber auch ohne den Ersatzkapitän zitterte sich Borussia am Ende zum 2:1 und sicherte sich damit – wenn auch alles andere als souverän – den dann auch nicht unverdienten ersten Heimsieg dieser Saison.

Selbstvertrauen für den Aufschwung?

Was nimmt man nun mit aus diesem Spiel, außer den sportlich lebenswichtigen drei Punkten? Vor allem die Hoffnung, dass der Sieg den Glauben an die eigene Qualität und das richtige Selbstverständnis zurückbringt; damit sich endlich die nötigen Automatismen in der Struktur und Spielweise ausbilden, die bislang nur teil- und zeitweise erkennbar sind. Dass sich neben einem Youngster wie Rocco Reitz auch die eingeplanten Führungskräfte deutlich mehr zutrauen und sprichwörtlich das Tempo vorgeben, was gestern und schon in Köln mit dem Ball zumeist gefehlt hat.

So richtig viele Hinweise darauf, dass diese Dinge schon auf dem richtigen Weg sind, hat die erste Partie gegen den FC Heidenheim nicht gegeben. Aktuell wirkt Borussia wie ein Kartenhaus, dass bei dem kleinsten Fehler oder einer unglücklichen Szene schnell in sich zusammenfallen kann. Diesen Eindruck zu zerstreuen muss die Aufgabe der nächsten Wochen sein, um nicht dauerhaft ganz unten reinzurutschen.

Es braucht eine Aussicht darauf, dass die (z.T. verständlichen) Probleme einer Findungsphase zu etwas führen, das dauerhaft funktionieren kann. Gerardo Seoane wirkt bisher in seiner Kommunikation sehr besonnen und klar, in seinen Personalentscheidungen wird aber deutlich, dass auch er noch auf der Suche nach der richtigen Formel ist. Erschwert wird das durch Formschwächen und das Fehlen zentraler Leistungsträger – Itakuras potenziell langer Ausfall tut hier ebenso weh wie die erste echte Talsohle in der Karriere eines Manu Koné.

In Kurzform: Die Mannschaft ist im Umbruch und nach dem schwierigen Saisonstart im Kopf und in den Beinen nachvollziehbarerweise nicht ganz frei. In der Bundesliga darf man dem eigenen Findungsprozess aber eben auch nicht zu viel Zeit geben. Denn das Restprogramm der Hinrunde ist gespickt mit traditionell unangenehmen Gegner und Konstellationen, in denen Borussia selbst in Erfolgszeiten häufiger verloren als gepunktet hat – angefangen mit der nächsten Bundesligapartie am kommenden Samstag in Freiburg.

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Das Pokalspiel gegen Heidenheim

Weil es kurioserweise nach nur drei Tagen Verschnaufen schon wieder zum Duell der beiden im Borussia-Park kommt, ist es wohl nahezu ausgeschlossen, dass Borussia mit der gleichen Mannschaft in die Partie gehen wird.

Sicherer Startelfkandidat ist Manu Koné, der in der Bundesliga gegen Freiburg noch pausieren, aber dringend seinen Rhythmus finden muss. (Über die Geschichte, dass Vincenzo Grifo potenziell dieses Spiel entscheiden wird, obwohl er das nahezu gleiche rotwürdige Foul begangen hat, hören wir dann nächste Woche mehr...)

Auch Cvancara braucht die Spielpraxis und wird wahrscheinlich starten. Florian Neuhaus könnte und sollte nach diesem offensichtlichen Denkzettel ebenfalls beginnen, wenn nichts Größeres zwischen ihm und dem Trainer steht – dafür gibt es derzeit zumindest keine Hinweise. Robin Hack hat sich für seinen ersten Startelfeinsatz nach der Einwechslung ebenso empfohlen wie Fabio Chiarodia.

Da auch beim FC Heidenheim mit einigen Wechseln zu rechnen ist, darf man von einem anderen, vermutlich offeneren Spiel ausgehen als der fußballerisch schwachen Bundesligapartie. Und doch genießt das Ligageschäft derzeit eindeutig für beide Teams die höhere Priorität, sodass sich auf beiden Seiten vermutlich einige aus der zweiten Reihe zeigen dürfen.

Könnte also eine ganz unterhaltsame Pokalpartie werden - die Borussia, besonders für den Kopf, unbedingt für sich entscheiden sollte.


Mögliche Aufstellung Borussia:

Nicolas - Scally, Elvedi, Wöber, Chiarodia - Weigl - Koné, Neuhaus - Ngoumou, Cvancara, Hack


SEITENWAHL-Tipps:

Michael Heinen: Auch der 2. Versuch gegen Heidenheim verläuft holprig, aber am Ende erfolgreich. Borussia qualifiziert sich durch ein 3:2 nach Verlängerung für die nächste Pokalrunde.

Thomas Häcki: Zweimal hintereinander die gleiche Tendenz ist eher ungewöhnlich. Und da es im Pokal keine Unentschieden gibt, scheidet die Borussia klanglos mit 0:2 aus.

Christian Spoo: Borussia müsste jetzt wissen, wie‘s geht. Aber: Müsste, müsste, Nordseeküste. Wieder 2:1, wieder zittern.

Volkhard Patten: Borussia weiß jetzt wie es geht. Heidenheim auch. Am Ende steht wieder mal ein frühes Aus im Pokal. 1:3.

Claus-Dieter Mayer: Wie so wievele "epische Pokalschlachten" oder "heisse Pokalfights" ist auch diese(r) im Prinzip nur ein holprig-zaeher Grottenkick, den man nur deshalb bis zum Ende ertraegt, weil man dann doch wissen will, wer zum Schluss weiterkommt. Mit einer guten Portion VAR-Glueck ist das in Verlaengerung die Borussia, die sich mit einem knappen 1:0 in die dritte Runde wurschtelt.

Michael Oehm: Hack, Neuhaus, Koné, Čvančara, Seoane kann so viele Zeichen (und Sonderzeichen) setzen, dass es fast auf eine neue Mannschaft hinauslaufen könnte. Nachdem die mit 3:1 gewinnt, wird man sich fragen, warum sie nicht schon am Samstag spielten.