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{mosimage}Auf dieser Leistung könne man aufbauen, meinte Otto Rehhagel nach dem Remis in Gladbach. Für Freunde des Offensivspiels war das keine gute Nachricht. Rehhagels Mannschaft hatte sich zuvor neunzig Minuten lang im Handwerk der Fußballzerstörung geübt. Sie hatte einen dichten Korridor etwa dreißig Meter vor dem eigenen Tor aufgebaut, so dass die Borussen zwar in der eigenen Hälfte den Ball hin und her spielen konnten, sich in Tornähe aber einem Gestrüpp von Beinen gegenübersahen. Als ultima ratio blieb den Gästen das gezielte Foulspiel. Marco Reus wurde von Christian Lell gleich zu Spielbeginn auf diese Art außer Gefecht gesetzt. Von Schiedsrichter Aytekin, dessen Zweikampfbeurteilung ohnehin in der von ihm schon gewohnten Weise irrlichterte, wurde Lell weder dafür noch für diverse spätere rüde Attacken verwarnt. Lell war es auch, dem sich nach gut einer Stunde Herthas einzige Torchance in diesem Spiel bot: Vorausgegangen war der einzige Geistesblitz des Brasilianers Raffael, der sich ansonsten nach Kräften mühte, die kolportierte  Ablöseforderung in zweistelliger Millionenhöhe ad absurdum zu führen.

 

Von dieser einen Szene abgesehen verlebte die Gladbacher Abwehr einen geruhsamen Spätnachmittag. Die Berliner betraten die gegnerische Hälfte nur vereinzelt und zögerlich. Das Offensivspiel zu verweigern, ist im Abstiegskampf legitim, auch wenn die Borussia in der letzten Saison eindrucksvoll gezeigt hat, dass man den Klassenerhalt durchaus auch mit spielerischer Finesse bewältigen kann.

 

Damals freilich sah sie sich keinen Gegnern gegenüber, die heilfroh waren, wenn sie ein 0:0 über die Zeit mauern konnten. Dass viele Gegner inzwischen so auftreten, ist eine Teilerklärung dafür, warum die Gladbacher Gipfelstürmer seit Wochen auf der Stelle treten. Die Frustration nach dem Pokalaus mag ein zweiter sein; dass Patrick Herrmann auch mit zusammengewachsenem Schlüsselbein noch die alte Spritzigkeit fehlt, ein dritter. Wenn es dann noch bei gleich mehreren Leistungsträgern an gedanklicher Frische und technischer Präzision hapert, dann ist der Lebensnerv des Offensivspiels Favrescher Prägung betäubt.

 

In der Summe ergibt das die traurige Bilanz von nur sechs Punkten aus den letzten sieben Spielen. Weniger verbuchten im gleichen Zeitraum nur die Abstiegskämpfer aus Hamburg, Köln und Kaiserslautern sowie Werder Bremen.

 

Eine Laune des Spielplans will es, dass Borussia in den nächsten beiden Spielen gegen zwei dieser Teams antritt: erst Bremen, dann Köln. Findet sie in diesen Partien endlich wieder in die Erfolgsspur, dann wäre Platz 4 wohl gesichert und auch Platz 3 wieder eine realistische Ambition. Das internationale Geschäft übrigens wäre den Gladbachern schon bei einem Sieg in Bremen auch rechnerisch nicht mehr zu nehmen: Werder könnte die Borussia dann nicht mehr einholen und da Wolfsburg und Hannover am Mittwoch gegeneinander spielen, könnte es nur eine dieser beiden Mannschaften. Zumindest die Europa League wäre der Borussia damit auch theoretisch sicher. Vor der Saison wäre das als Sensation gewertet worden.

 

Auch in Gladbach freilich und vielleicht gerade hier wachsen mit dem Erfolg die Ansprüche. Sollte sich der Abwärtstrend fortsetzen und die Borussia am Saisonende Rang 4 verspielen, so wäre die Fansicht auf die Spielzeit 2011/12 zumindest ambivalent. Die Gefahr ist bei fünf ausstehenden Spielen und neun Punkten Vorsprung auf den VfB Stuttgart nicht sehr hoch, zumal die Stuttgarter noch in München und gegen die zuletzt so verbesserten Wolfsburger spielen. Aber sie ist auch nicht völlig abwegig.

 

Beim ersten Versuch, ein solches Szenario zu verhindern, wird Tony Jantschke verletzungsbedingt fehlen. Seine Position rechts hinten wird wohl wieder Martin Stranzl übernehmen und dafür Roel Brouwers von der Bank in die Innenverteidigung rücken. Fraglich ist auch noch der Einsatz von Marco Reus. Fällt er aus, bieten sich zwei Möglichkeiten: Entweder Favre setzt wie nach Reus‘ Auswechslung am Samstag wieder auf das Sturmduo de Camargo – Hanke. Oder einer dieser beiden muss auf die Bank, Patrick Herrmann rückt in die Spitze und für ihn Alexander Ring in die Startelf. Der finnische Winterneuzugang sorgte nach seiner Einwechslung am Samstag auf dem rechten Flügel für Belebung. Mit seinen Fortschritten auch in der Defensivarbeit zeigte sich Favre ausdrücklich zufrieden. Diese Lösung hätte den Vorteil, dass auch ohne Reus ein pfeilschneller Spieler als hängende Spitze agieren könnte. Wegen Jantschkes Ausfall würde sie allerdings eine Neubesetzung der kompletten rechten Seite bedeuten. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass Ring zunächst auf der Bank Platz nehmen wird.



{mosimage}Einer der härtesten Konkurrenten um die Champions League-Plätze schien in der Winterpause noch Werder Bremen zu sein. Inzwischen hofft man bei Werder nur noch, sich irgendwie in die Europa League zu retten. In der Rückrundentabelle rangiert Thomas Schaafs Team auf Rang 14. Im Gesamtklassement sind ihm Hannover und Wolfsburg hart auf den Fersen; selbst Hoffenheim hat den Rückstand auf vier Zähler verkürzt. Aus den letzten vier Spielen holten die Bremer nur zwei Punkte, wobei das Remis in Köln von Tim Wiese selbst als „glücklich“ bezeichnet wurde.In der Tat präsentierte sich die Werder Elf am Wochenende vor allem im Spiel nach vorn zeitweise wie ein Abstiegskandidat. Einzig Thomas Schaaf wollte hinterher eine Verbesserung gesehen haben, während die Spieler deutlich selbstkritische Worte fanden. So Markus Rosenberg: „Wir haben zu keinem Zeitpunkt ins Spiel gefunden“. So Marko Marin: „In der zweiten Halbzeit fand das Spiel fast ohne uns statt“. So auch Tim Wiese: „Wir haben überhaupt keine Körpersprache. Man muss den Kopf auch mal oben haben, nicht immer hängen lassen“.

 

 

Warum Werder seit Wochen schwächelt, dafür konkurrieren zwei Erklärungsansätze. Der eine verweist darauf, dass gleich 13 Verträge am Saisonende auslaufen und sich zudem um Sokratis und Naldo hartnäckige Wechselgerüchte ranken. In der Summe und vor allem durch die ständigen Diskussionen um Claudio Pizarros Zukunft schaffe das Verunsicherung, die Köpfe und Beine der Spieler lähme. Dass Tim Wiese unter der Woche seinen Abschied verkündete, habe das Problem noch verschärft.

 

Diesen Ansatz weist Klaus Allofs vehement zurück. Er argumentiert, dass die meisten auslaufenden Verträge in zwei Kategorien fielen: zum einen Nachwuchstalente, deren Verbleib für Werder keine große kurzfristige Bedeutung hat; zum anderen Spieler, an deren Verbleib der Verein ohnehin nicht interessiert sei. Am Ende ginge es nur um wenige Leistungsträger, hinter deren Verträgen „aktuell noch ein Fragezeichen“ stehe: neben Pizarro wohl Rosenberg, Prödl und Fritz, wobei man bei Letzterem mit einer baldigen Vertragsverlängerung rechnet.

 

Allofs und Schaaf präferieren den zweiten Erklärungsansatz: Die Mannschaft befinde sich in einer Phase des Umbruchs, denn zahlreiche junge Spieler wie Ignjovski, Affolter, Junuzovic, Trybull oder Hartherz würden eingebaut. Dieser Prozess werde durch großes Verletzungspech wichtiger Führungsspieler behindert. Tatsächlich ist Werder in dieser Saison und auch aktuell gebeutelt: In der Innenverteidigung fiel Naldo lange und wiederholt aus, Prödl und Bargfrede laborieren an Muskelfaserrissen, Arnautovic an einem Innenbandriss. Der langzeitverletzte Borowski kam in dieser Saison nur einmal im Pokal zum Einsatz. Aaron Hunt fehlt seit Dezember, hat aber inzwischen wenigstens wieder dem Lauftraining begonnen. Dass Mehmet Ekici oft hinter den Erwartungen zurückblieb, soll mit chronischen Leistenproblemen zusammenhängen. Um diese endlich zu kurieren, wurde Ekici inzwischen operiert und fällt bis Saisonende aus.

 

Überraschende gute Nachrichten für Thomas Schaaf gab es indes heute: Naldo meldete sich zwei Wochen früher als geplant wieder einsatzbereit und wird gegen die Borussia im Kader stehen. Ob es schon für die Startelf reicht, ließ der Trainer offen. Dringend gebraucht würde der Brasilianer. Im Abwehrzentrum liefert Sokratis zwar konstant starke, der im Winter aus Bern verpflichtete François Affolter aber höchst wechselhafte Leistungen ab. Auf den Außenpositionen der Viererkette probierte Schaaf verschiedene Lösungen aus. Links sollte sich Schmitz durch seinen soliden Auftritt gegen Köln in die Mannschaft gespielt haben, nachdem der junge Hartherz in der Vorwoche gegen Mainz eine desolate Leistung zeigte. Rechts könnten Ignjovski oder Fritz spielen, die beide aber auf der Sechserposition oder der offensiven rechten Außenbahn einsetzbar sind. Auch der beidfüßige Boenisch ist eine Variante: Gegen Köln wurde er nach einer Stunde eingewechselt, damit Fritz ins Mittelfeld rücken konnte.

 

Im Mittelfeld agiert Werder mit der schon traditionellen Raute. Einzig in Dortmund, dem ersten Spiel von Pizarros Ohrfeigen-Sperre, bot der Trainer statt des zweiten Stürmers einen fünften Mittelfeldspieler auf. Für das Gladbach-Spiel gesetzt sollten die beiden offensiven Mittelfeldspieler Junuzovic und Marin sein, nicht weil sie gegen Köln überragt hätten, sondern weil die Alternativen verletzt sind.

 

Anwärter auf die verbleibenden beiden Positionen sind Fritz, Ignjosvski und Trybull. Vor allem auf den 19-jährigen Tom Trybull hält Klaus Allofs große Stücke. Die Behauptung, der Youngster „würde im Mittelfeld des FC Barcelona nicht negativ auffallen“ scheint allerdings etwas hochgegriffen. In Köln spielte Trybull statt auf dem Flügel erstmals als alleiniger Sechser, kam auf dieser Position allerdings nicht gut zurecht. Gegen Gladbach könnte er wieder auf den linken Flügel rücken.

 

Auch im Sturm fehlt es an Alternativen: Arnautovic ist verletzt und die jungen Füllkrug und Thy sind aktuell nur Ergänzungsspieler, auch wenn Füllkrug gegen Augsburg sein erstes Bundesligator gelang. Das Sturmduo wird damit auch am Dienstag Rosenberg – Pizarro heißen. Claudio Pizarro ist auch in dieser Saison für Werder unverzichtbar: Der Peruaner war an mehr als der Hälfte der Bremer Tore beteiligt, mehr als ein Drittel davon erzielte er selbst. In den letzten sechs Spielen allerdings brachte des Pizarro auf nur ein mageres Törchen, in Köln war er praktisch unsichtbar.

 

Aufstellungen:

 

Werder Bremen: Wiese – Ignjovski, Affolter, Sokratis, Schmitz – Fritz – Junuzovic, Trybull – Marin – Rosenberg, Pizarro.
Borussia Mönchengladbach: ter Stegen – Stranzl, Brouwers, Dante, Daems – Nordtveit, Neustädter – Herrmann, Arango – Reus, de Camargo.

 

Schiedsrichter: Marco Fritz.
Assistenten: René Kunsleben, Patrick Ittrich.
Vierter Offizieller: Christoph Bornhorst.

 

SEITENWAHL-Meinung:

 

Christoph Clausen: Ein Auswärtssieg bei angeschlagenen Bremern ist nicht völlig unrealistisch. Angesichts der letzten Leistungen fehlt mir aber der Mut, darauf zu setzen. Die Partie endet erneut torlos. Beide Mannschaften treten auf der Stelle.

 

Thomas Häcki: Nach dem 1:0 für Bremen empfiehlt es sich, auf "Die Simpsons" umzuschalten. Das ist geistreicher, als dem müden Gekicke beizuwohnen.

 

Michael Heinen: Borussia ist zwar die bessere Mannschaft, hat aber keinen Pizarro. Der trifft zum 1:0 Endstand.

 

Christian Spoo: Borussia geht auf dem Zahnfleisch - der richtige Aufbaugegner für Werder Bremen, welches mit 1:0 gewinnt.