Mit Nathan Ngoumou Minpole verstärkt sich Borussia erneut aus der französischen Ligue 1. Kein Wunder, betrachtet man die positiven Erfahrungen, die zuletzt mit Ramy Bensebaini, Alassane Plea, Marcus Thuram und Kouadio Koné gesammelt wurden. Speziell letzterer wird sich über diesen Transfer besonders freuen, trifft er damit doch auf einen ehemaligen Teamkollegen.

Schnell, ballsicher und dribbelstark

Der 22jährige Ngoumou stammt aus der Jugend des FC Toulouse und wurde bis zur U18 zunächst im zentralen offensiven Mittelfeld eingesetzt. Aufgrund seiner Schnelligkeit wurde er im Profibereich aber auf die – zumeist rechte – Außenbahn versetzt, wo er seine Stärken am besten einbringen kann. Seine Sprintschnelligkeit, der er den Spitznamen „Usain Bolt“ verdankt, seine Vorliebe fürs Dribbling und sein stärkerer rechter Fuß prädestinieren ihn auch in Mönchengladbach für die Rolle als Rechtsaußen. Trotzdem dürfte die grundsätzliche Flexibilität im Angriff ein nicht unwesentliches Kaufargument für Roland Virkus und sein Team gewesen sein. In der vergangenen Saison schoss er immerhin zwei seiner acht Treffer mit dem linken Fuß und war einmal per Kopf erfolgreich. Alles in Allem ist das Kopfballspiel des 1,82 Meter großen Franzosen aber noch ausbaufähig, was ihn z. B. vom ansonsten nicht unähnlich veranlagten Marcus Thuram unterscheidet.

Dem Vernehmen nach ließ sich Borussia den 22jährigen eine stolze Ablöse von rund 8 Mio. Euro kosten. Dies liegt etwas unter dem Wert, den Koné voriges Jahr gekostet hatte, wobei dieser zum Zeitpunkt des Kaufs zwei Jahre jünger und in seiner Entwicklung schon etwas weiter gewesen ist.

Erfolge in den französischen Jugendnationalmannschaften

In den Jugendnationalmannschaften Frankreichs sieht die statistische Bilanz von Ngoumou allerdings etwas besser aus als die von Koné, was insbesondere an dessen starker Konkurrenzsituation im defensiven Mittelfeld (u. a. mit Reals Camavinga und Marcus Thurams Bruder Khepren) liegt. Während der rund 10 Monate jüngere Koné bislang in der U21 keine einzige Partie über mehr als 60 Minuten absolvieren durfte, kommt Ngoumou seit Ende 2021 auf sieben Einsätze, davon immerhin drei von Beginn an. Kurioserweise standen Koné und Ngoumou dabei keine einzige Minute gemeinsam auf dem Feld, da in drei Partien stets der eine ein- und der andere ausgewechselt wurde.

Ähnlich unglücklich verlief ihr Zusammenspiel in der U19, in die Koné erst berufen wurde, nachdem Ngoumou die Altersgrenze überschritten hatte. Borussias neuer Flügelstürmer erreichte somit ohne Gladbachs Mittelfeldabräumer das Halbfinale der U19 EM 2019, und markierte im letzten Gruppenspiel gegen Norwegen den Siegtreffer zum 1:0. Trotzdem kam er im anschließenden Halbfinale gegen Spanien nicht zum Zuge, das die Franzosen zur Strafe mit 3:4 nach Elfmeterschießen verloren.

Theoretisch könnte sich Ngoumou immer noch für eine andere A-Nationalelf entscheiden. Sein Vater stammt aus Kamerun, weshalb er die Möglichkeit hätte, in diesem Winter bereits WM-Spiele gegen seine neuen Teamkollegen aus der Schweiz zu absolvieren. Aber auch Gabun wäre sehr interessiert an dem schnellen Flügelflitzer, dessen Großvater mütterlicherseits entsprechende Wurzeln vorweisen kann. So wie es aussieht scheint Ngoumou seine Zukunft aber bei der Equipe Tricolore zu sehen, wodurch er ab Mitte November aller Voraussicht nach eine längere Winterpause wird genießen dürfen.

Anlaufschwierigkeiten im Profibereich

Sein Profidebüt hat Borussias Neuzugang am 24.05.2019 gegeben, wo er dann doch endlich einmal mit Koné gemeinsam auf dem Platz stand. Beide wurden rund 20 Minuten vor Spielende bei Dijon FC eingewechselt, konnten am Spielstand von 1:2 aber nichts mehr ändern.

Toulouse durfte dennoch ein weiteres Jahr in der Ligue 1 spielen. Die Saison 2019/20 verlief aber höchst enttäuschend für Ngoumou, mit lediglich 9 Einsatzminuten in der höchsten Spielklasse. Den Abstieg seines Klubs verfolgte er daher weitgehend von der Bank aus. Kollege Koné konnte sich trotz seines jüngeren Alters ab der Rückrunde mit gerade einmal 18 Jahren einen Stammplatz erarbeiten, den er im darauffolgenden Zweitligajahr zementierte. Für Ngoumou dagegen besserte sich auch 2020/21 die Lage kaum. Lediglich 276 Spielminuten standen bei ihm zu Buche, mit einer einzigen Partie über mehr als eine Halbzeit.

Immerhin konnte er in dieser Saison seine ersten beiden Ligatore markieren – beide kurioserweise gegen den SM Caen. Zumeist wurde ihm aber der in etwa gleichalte Amine Adli vorgezogen. Als Tabellendritter musste Toulouse in die Aufstiegs-Playoffs, wo sie aufgrund der Auswärtstorregel knapp am FC Nantes scheiterten. Für Ngoumou doppelt bitter, da er in den entscheidenden Partien nur kurz eingewechselt wurde und im Rückspiel zwei Minuten nach seiner Einwechselung bereits die Rote Karte bekam und seine Mannschaft in der Schlussphase dieser wichtigen Partie entscheidend schwächte. Sein Vergehen war ein hohes Bein, mit dem er seinen Gegenspieler im Strafraum im Gesicht traf. Eine unglückliche Aktion, für die Rot eine sehr harte Entscheidung war. Als sonderlich unfair gilt der Außenstürmer nämlich nicht: In insgesamt 59 Partien für Toulouse sah er ansonsten nur eine einzige Gelbe Karte.

Endlich der Durchbruch in der Ligue 2

Toulouse startete nach dem verpassten Aufstieg mit einem neuen Trainer in die nächste Zweitligasaison. Ngoumou musste zunächst gesperrt aussetzen, profitierte dann aber von einem Feldverweis seines Konkurrenten: Für Adli war es die letzte Aktion im Trikot des Toulouse Football Club. Wenig später wechselte er nach Leverkusen, während sich Koné einem anderen Bundesligisten anschloss. So war der Weg frei für Ngoumou auf der rechten Außenbahn, zumal er vom neuen Coach endlich das nötige Vertrauen ausgesprochen bekam. Philippe Montanier setzte ihn insgesamt in 35 Ligaspielen ein, was er mit 8 Toren und 4 Vorlagen zurückzahlte, womit er maßgeblich zur Zweitligameisterschaft sowie zum Aufstieg in die Ligue 1 beitrug.

Zum Start dieser Saison ging es ausgerechnet zum neuen Klub von Lucien Favre, dem der Aufsteiger mit Ngoumou ein 1:1 abtrotzte. Es wird sein letzter Auftritt im violetten Dress gewesen sein, da er in den darauffolgenden Partien aufgrund einer kleineren Blessur geschont wurde.

Wie es aussieht hat Borussia einmal mehr einen vielversprechenden Akteur aus der französischen Liga an Land gezogen. U21-Nationalspieler in der starken Talentoffensive Frankreichs zu sein: Das meint was, um mit den Worten eines frankophilen Ex-Trainers von Borussia zu sprechen. Zu viel sollte von Ngoumou speziell in seinem ersten Jahr in der Bundesliga aber noch nicht erwartet werden, denn es wird schwer, das ist klar. Er blickt bislang auf lediglich eine sehr ordentliche Zweitliga-Spielzeit, in der er seine Qualitäten andeuten konnte.

Vielversprechende Perspektive bei Borussia

Ngoumou ist sehr ehrgeizig und arbeitet hart an seiner Karriere. Dafür benötigt er aber einen Trainer, der ihm das Vertrauen ausspricht und ihn fördert. Mit Blick auf Daniel Farkes Vorgehen in Norwich dürfte er diesen bei Borussia gefunden haben. Solange Borussias Offensive komplett einsatzfähig und formstark ist, wird Ngoumou vornehmlich als Joker zum Einsatz kommen, der mit seiner Schnelligkeit in der Schlussphase noch einiges bewirken könnte. Die fehlende Breite in Borussias Offensive wurde aber bereits viel thematisiert. Wie es derzeit aussieht, wird es frühestens zum Jahresende eine weitere Offensivalternative geben. In den noch ausstehenden 12 Pflichtspielen bis zur Winterpause werden sich für Ngoumou daher mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einige Einsatzmöglichkeiten ergeben, in denen er wird unter Beweis stellen können, ob ihm der Sprung aus Frankreichs Ligue 2 in Deutschlands Bundesliga gelingt.

Die Eingewöhnung dürfte ihm aufgrund der Frankreich-Connection im Team leichtfallen. Die Erwartungshaltung, dass er wie Koné direkt zu einem Stamm- und Führungsspieler wird, sollte ihm aber nicht aufgebürdet werden. Dafür ist das Talent von Borussias Nr. 6 zu außergewöhnlich.

Bei positivem Verlauf darf darauf gehofft werden, dass er perspektivisch einen ähnlichen Weg einschlägt wie z. B. Marcus Thuram, der in seinen ersten Jahren bei Borussia schon allerlei Höhen und Tiefen durchlebt hat. Nicht auszuschließen, dass er irgendwann bei einem Abgang des notorischen Eckfahnenvergewaltigers dessen vielversprechender Nachfolger werden könnte - wenn auch nicht unbedingt positionsgetreu in der Sturmmitte.