Gehen wir es positiv an: Borussia hat erstmals seit dem 3:0 gegen RB Leipzig im vergangenen September ein Pflichtspiel ohne Gegentor beendet. Und: Außer Pressesprecher Christoph Kramer versuchte sich nach dem tor- und trostlosen Kick gegen Schalke niemand mehr daran, das Geschehen schönzureden. Nach dem 0:1 in Augsburg attestierten wir hier, dass auf eine mangelhafte erste eine ungenügende zweite Halbzeit folgte. Dieser Satz trifft in seiner Gänze auch auf das Spiel gegen Schalke zu. Über das Pfeifkonzert nach dem Abpfiff durften sich die Spieler nicht wundern und Daniel Farke erteilte der Kurve seine Absolution. Es war ein unerfreulicher Samstagabend im Borussia-Park.

Die erste Halbzeit war bereits traurig anzuschauen. Schalke 04 beschränkte sich darauf, das Spiel des Gegners zu unterbinden und tat das äußerst erfolgreich. Man kann die Gelsenkirchener für ihren Auftritt im Borussia-Park nur loben. Sie spielen sehr gut unattraktiven Fußball. Über 90 Minuten hielt die Mannschaft von Thomas Reis eine 1:1-Manndeckung aufrecht. Jedem Borussen stand im Grunde genommen von Anfang bis Ende ein Gegenspieler auf den Füßen. Diese Gegenspieler zeigten sich zudem hochmotiviert und bestens organisiert. Mittel dagegen hatten die Gladbacher auffällig wenige, zumal die Schalker es auch noch gut hinbekamen, bei Zweikämpfen selbst Fouls zu ziehen. Ihre vermeintlich höhere individuelle vor allem technische Qualität spielten die Borussen kaum einmal aus. Spielfluss kam ohnehin wegen des erfolgreichen Schalker Verhinderungsfußballs nahezu nie auf, aber auch erfolgreiche Einzelaktionen lassen sich an einer Hand abzählen. So etwas wie Torgefahr kam nur am Ende der beiden Halbzeiten auf. Am Ende der ersten schaffte es Borussia kurzzeitig, so etwas wie Druck aufzubauen, die beste Chance hatte Itakura kurz vor der Pause. Am Ende der zweiten Halbzeit wurde dann Schalke gefährlich, denn Thomas Reis wagte etwas: Er wechselte Michael Frey ein. Der Schweizer sorgte ab dem Moment, als er den Platz betrat, für Unruhe in der Gladbacher Hintermannschaft. Am Ende musste Borussia fast froh sein, wenigstens den einen Punkt gerettet zu haben. Zuhause gegen den Tabellenletzten wohlgemerkt.

„Alle, die im Fußball arbeiten, wissen, dass es solche Tage gibt“, gab Dankel Farke nach dem Spiel zu Protokoll. Recht hat er. Wenn es solche Tage allerdings gehäuft vorkommen, hat man dann doch ein Problem. Das Spiel gegen Schalke war das dritte von vieren in diesem Jahr, in dem Borussia offensiv maximal harmlos blieb. Es war das dritte, in dem Borussia kein Mittel gegen die jeweilige Spielweise des Gegners fand. Die Mannschaft scheint nicht in der Lage, flexibel auf die Anforderungen zu reagieren, die sich während einer Partie ergeben. Musste die Mannschaft damit rechnen, dass Schalke ausschließlich und konsequent das Spiel unterbinden würde? Nicht unbedingt. Müssen Trainer und Spieler sich in so einem Fall etwas überlegen? Sollte man meinen. Im Moment fehlt der Mannschaft vieles: Einen Plan kann man beim besten Willen nicht ausmachen. Was genau Daniel Farke spielen lassen will, bleibt für den geneigten Betrachter nebulös. Hat der Trainer einen klaren Plan? Kann er ihn der Mannschaft vermitteln? Hat die Mannschaft den Willen und die Fähigkeit, das Geforderte umzusetzen? Und warum tut sich der Trainer so schwer damit, während des Spiels personell einzugreifen? Diese Fragen sind Stand heute kaum umfänglich zu beantworten. Zum Willen allerdings sei gesagt, dass es zumindest einige Spieler gibt, die nicht den Eindruck erwecken, für Borussia wirklich alles geben zu wollen. Womöglich steckt Marcus Thuram nur in einem Formtief. Womöglich hält er sich in Gladbach aber auch nur noch für einen künftigen Arbeitgeber, bei dem er schon im Wort steht, fit und möchte die letzten Monate im Rautentrikot verletzungsfrei über die Bühne bringen. Auch Ramy Bensebaini spielt in diesen Wochen, als wolle er den Rest der Saison nur noch irgendwie rumkriegen. Daniel Farke hat diese Spieler zuletzt beide als die besten ihrer Art in der Bundesliga bezeichnet und ihnen damit quasi einen Freibrief ausgestellt. Man muss hoffen, dass dieser Schuss nicht nach hinten losgeht. 

Um eins klarzustellen: Die Trainerfrage stellt sich nicht. Borussia wird in Zukunft kleinere Brötchen backen müssen und hat vermutlich in Farke den geeigneten Bäcker. Der Teig, den er im Moment zur Verfügung hat, ist aber schlecht gemischt, die Zutaten teilweise zu edel, teilweise im falschen Rezept, manche vielleicht auch kurz vor dem Ablaufdatum.

Wie also sollte Borussia die Saison zu Ende bringen. Kann man den nötigen Umbruch womöglich schon jetzt einleiten, indem man Spielern, die künftig eine wichtige Rolle spielen sollen, schon jetzt mehr Einsatzzeit gibt? Oder ist die Gefahr, das teaminterne Klima dadurch nachhaltig zu vergiften, zu groß? Wobei das Wort Umbruch womöglich auch viel zu groß für das ist, was uns nach dieser Saison ins Haus steht. Thuram und Bensebaini sind weg, Koné wird gehen müssen – hoffentlich wirklich für eine Summe, die das Management in die Lage versetzt, auf den Transfermarkt wirklich aktiv werden zu können. Aber sonst? Gerade Lars Stindl möchte man in der aktuellen Situation nicht missen. Julian Weigl will man nach eigener Aussage unbedingt halten, was den Spielraum für neue Impulse schon wieder einengt. Und weitere Spieler vom Hof zu schicken, weil man hofft, sich damit größere Beinfreiheit zu verschaffen? Hat im Fall Matthias Ginter nicht geklappt, könnte bei anderen genauso schief gehen. Warum wechseln, wenn man anderswo nicht besser verdient und die Möglichkeit hat einen gut dotierten Vertrag abzubummeln?

Wenn man sich mitten in der Saison schon vor allem damit beschäftigt, was danach passieren soll, ist klar: Mental ist schon ein Haken dran, an dieser merkwürdigen Spielzeit. Allerdings sind noch 14 Spiele zu spielen und das nächste ist nicht nur immer das Schwerste sondern in unsererem Fall eines, dass man dann doch unbedingt gewinnen sollte. Denn nach Schalke auch gegen den zweiten notorischen Underperformer, Hertha BSC, Punkte liegen zulassen, könnte dazu führen, dass man den Blick doch noch einmal nach unten richten muss. Dafür sollte diese Mannschaft, so unrund sie auch performen möge, dann doch zu gut sein – und sich selbst zu schade.