union berlin neu

Einen Sieg braucht Borussia noch, um auf der sicheren Seite zu sein. Das ist weitgehend Konsens unter den Anhängern. Zwar wäre der Klassenerhalt auch dann noch möglich, wenn das Team gar nicht mehr punktet. Zittern bis zum letzten Spieltag würden sich aber im und rund um den Verein alle gerne ersparen. Mit Blick auf das Restprogramm stellen wir fest: Die größte Chance, dreifach zu punkten, besteht auf dem Papier an diesem Sonntag gegen Union Berlin. Ein Heimspiel gegen einen Verein, der in der Tabelle schlechter steht, was soll da schiefgehen? Einiges kann schiefgehen, das haben wir aus den Partien gegen Darmstadt, Mainz, Bremen und Köln gelernt. Und überhaupt, Union Berlin. Ein einziger Sieg ist Borussia gegen die Köpenicker gelungen, zweimal wurden die Punkte geteilt, sieben Spiele in der Bundesliga gingen verloren, auch die Partie in der Hinrunde, als bis dahin sieglose Berliner in der Alten Försterei recht mühelos mit 3:1 obsiegten. Vom Pokal-Halbfinale 2001 wollen wir gar nicht erst anfangen. Gerardo Seoane spricht denn auch, in der ihm eigenen unaufgeregten Art, von einem „unangenehmen Gegner“.

Und dennoch: Welches Spiel soll Borussia in dieser Saison noch gewinnen, wenn nicht dieses. Union kommt mit einer 1:5-Heimpleite gegen Bayern München in den Knochen nach Gladbach. Dagegen mutet der späte Nackenschlag, den man sich in Hoffenheim selbst zugefügt hat, fast harmlos an. Personell allerdings hat Union Berlin fast keine Sorgen, Borussia dagegen erhebliche. Der Mannschaft von Nenad Bjelica fehlt mit Jerome Roussillon ein einziger Stammspieler. Gerardo Seoane muss im Vergleich zum Hoffenheim-Spiel auf den verletzten Max Wöber und den gesperrten Julian Weigl verzichten, darüber hinaus steht Jonas Omlin weiterhin nicht zur Verfügung. Ob es für die zuletzt angeschlagenen Jordan, Manu Koné und Franck Honorat zumindest für den Kader reicht, wird sich wohl erst am Sonntag entscheiden. Mit Christoph Kramer fehlt zudem ein möglicher Weigl-Ersatz.

Das bedeutet einiges an Bastelarbeit für den Trainer. Bleibt er bei der defensiven Ausrichtung der letzten drei Spiele, wird er fast zwangsläufig auf Fabio Chiarodia setzen oder aber Joe Scally in die Dreierkette beordern müssen. Der Mannschaftsteil, der sich in dieser Saison als die größte Baustelle erwiesen hat, muss ebenfalls neu besetzt werden. Ko Itakura dürfte auf der Doppelsechs gesetzt sein, sollte Koné noch nicht fit genug sein, wird wohl Rocco Reitz die offensiveren Part übernehmen. So oder so wird das Defensivgebilde aus einer noch nicht ausprobierten Form bestehen. Keine allzu guten Aussichten in einer Saison in der Borussia sich ohnehin den Titel „Gegentorfabrik“ mehr als verdient hat.  

Dass Borussia immer noch in Abstiegsgefahr schwebt, wurde bei der Mitgliederversammlung am Montag dieser Woche weitgehend totgeschwiegen. SEITENWAHL konnte selbst nicht dabei sein. Der vom Verein wohl nicht ganz ohne strategisches Kalkül gewählte Termin an einem frühen Montagabend sorgte dafür, dass wir wie die meisten Mitglieder nur aus zweiter Hand erfahren konnten, was vor der Südkurve des Borussia-Parks vor sich ging. Nur auf Nachfrage sprach Finanzminister Stephan Schippers kurz über die möglichen Folgen eines Abstiegs. Der Etat würde halbiert. Na, wenn das alles ist… Roland Virkus dagegen vermied das A-Wort dem Vernehmen nach fast schon trotzig. Auch im Nachgang spricht der Sportdirektor lieber über das finanzielle Potenzial, das jeder Tabellenplatz, den man noch klettert, birgt. Dabei würde wohl jeder Borussen-Anhänger den jetzigen Platz zwölf mit Kusshand nehmen.

Zur Mitgliederversammlung aus den genannten Gründen nur noch so viel: Alle Kandidatinnen und Kandidaten für den Aufsichtsrat, alle Mitglieder der Gremien, die vor der Versammlung zu Wort kamen, gaben mehr oder weniger wortreiche Statements ab, in denen sie den Erhalt der 50+1-Regel und die Bedeutsamkeit dieser Regel für den deutschen Fußball im Allgemeinen und für Borussia im Speziellen hervorhoben. Nun bedeutet 50+1, dass der Verein sich selbst gehört. Aber wer bzw. was ist der Verein? Im Grunde ist der Verein der Zusammenschluss seiner Mitglieder. Ob man das bei Borussia ernsthaft auch so sieht, ist allerdings fraglich, das zeigt nicht erst die Versammlung am Montag. Spätestens nach dem gescheiterten Übernahmeversuch durch die unselige und -seriöse „Initiative Borussia“ im Jahr 2011 hat man die Hürden sehr hoch gelegt und die Mitbestimmungsmöglichkeiten auf ein Minimum reduziert. Vor dem Hintergrund der damaligen Vorgänge und auch in Erinnerung an wilde Versammlungen bei eher basisdemokratisch verfassten Vereinen ist das durchaus verständlich. Allerdings leben wir weder im Jahr 1983 noch ist ein Effenberg in Sicht. Die Wahl eines Fan-Vertreters in den Aufsichtsrat war schon nur gegen erhebliche Widerstände, mit Tricks und einer ausgeklügelten Strategie möglich. Nun ist es schön, dass jetzt ein Ultra, halte man von denen, was man will, einen Aufsichtsratssitz innehat, aber von einer Revolution ist das ungefähr so weit weg wie die FDP von der absoluten Mehrheit im Bundestag. Aber selbst diesen Minischritt in Richtung Mitbestimmung versuchten die Gremien des Vereins abzubügeln. Borussia ist und bleibt ein closed shop. Aber was ist ein Verein, der die eigenen Mitglieder fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser?

Diese Frage lassen wir erst einmal offen, hoffen, komme was will, auf drei Punkte gegen Union Berlin und dass die beschissenste Saison seit Michael Frontzeck danach irgendwie austrudelt. Über das, was danach kommt, machen wir uns dann Gedanken.

 

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: 2:1 für Borussia. Weil es sein muss.

Michael Heinen: Gegen Union tut sich Borussia traditionell schwer. So ist es auch dieses Mal, so dass es nur zu einem 2:2 reicht.

Claus-Dieter Mayer: Da Union Berlin nach dem FC Köln das sturmschwächste Team der Liga ist, treffen die Köpenicker im Borussia-Park gleich drei Mal. Borussia aber auch.

Kevin Schulte: Borussia kann das erste Matchball-Spiel zum Klassenerhalt nicht nutzen, verhindert aber ein Vollfiasko beim 1:1.