Red Bull Leipzig

Wo kommen sie her?

Das war knapp im vergangenen Mai in Berlin. Beinahe hätte sich das Marketing-Projekt aus Leipzig einen ersten Titel auf die Dosen, pardon, Briefköpfe schreiben dürfen. Aber noch ist der FC Bayern in diesen Endspielen wie dem im DFB-Pokal einen Tick stärker und abgebrühter. Dass das Unvermeidbare nur noch eine Frage der Zeit ist, dürfte indes allen klar sein. Im dritten Jahr ihrer Bundesligazugehörigkeit erreichten die Leipziger zum dritten Mal den Europapokal, zum zweiten Mal in drei Jahren die Champions League. Sportlich erreicht hat sich die Mannschaft das durch eine imposante Rückrunde, als sie zwischen Spieltag 18 und 34 keine einzige Partie verlor. Es läuft also weiterhin alles nach Plan für Red Bull; zum Leidwesen aller, die dem Durchmarsch dieses „Vereins“ seit Jahren mit Argwohn und Ablehnung begegnen. Trainer/Manager Ralf Rangnick hat seinem Nachfolger Julian Nagelsmann ein bestelltes Feld hinterlassen. Dem talentierten Trainer, aus Hoffenheim gekommen, ist demnach übertragen, die ersten Titel zu holen.

Was passiert gerade?

Bleibt er oder geht er? Seit Monaten beschäftigt die Frage nach der Zukunft Timo Werners die „Fans“ und Verantwortlichen des Vereins. Der Nationalstürmer hatte bislang vermieden, seinen auslaufenden Vertrag zu verlängern, wodurch er im Sommer 2020 ablösefrei wäre. Denkbar ist jedoch, dass er nun doch eine Verlängerung (dann mit festgeschriebener) Ablösesumme unterzeichnet, da der Konzern im Hintergrund Druck macht und man das Thema „vorm Saisonstart vom Tisch“ haben wolle. Sollte Werner jedoch seine Unterschrift verweigern, ist ein Wechsel noch während der laufenden Transferperiode zu erwarten. An zahlungskräftigen Interessenten im In- und Ausland wird es nicht mangeln.
Ansonsten kann Nagelsmann auf einen nahezu unveränderten Kader zurückgreifen, der zudem durch die Käufe von Ademola Lookman (21, FC Everton) und Philipp Tschauner (33, Hannover 96) sowie der Leihe von Talent Ethan Ampadu (18, FC Chelsea) verstärkt wurde. Lookman hatte schon 2018 auf Leihbasis ein halbes Jahr in Leipzig gespielt und sein Können bewiesen. Die große Stärke Leipzigs ist ohne Frage die hohe Qualität in der Kaderbreite, die nun noch einmal erweitert wurde.
Die Vorbereitung verlief zwar etwas holprig, aber Testspiele sind eben nur Testspiele, zudem wird Nagelsmann etwas brauchen, bis die Mannschaft nach Jahren des Rangnick-Fußballs ein neues System verinnerlicht hat.

Wo gehen sie hin?

Es schmerzt, dies zu schreiben, aber RB Leipzig hat sich binnen kürzester Zeit zur dritten Kraft in Deutschland gemausert. Und der Klub und seine Vertreter geben sich auch keine Mühe, ihre Ambitionen zu verstecken. Nagelsmann hat schon bei seiner Antritts-PK formuliert, dass er gerne „etwas Blechernes“ nach Leipzig holen möchte und leider sprach er nicht von Getränkedosen. Die Voraussetzungen sind in der Tat gut, denn bei aller Kritik ob der Intention der Klubgründung von gerade einmal 10 Jahren: das vom sportlichen Erfolg entkoppelte, zur Verfügung stehende Geld wurde vor allem durch Rangnick klug investiert. Statt fertiger Stars wurden Talente und Perspektivspieler verpflichtet; dazu ein aggressives und laufintensives Spielsystem, das Leipzig zu einem der unangenehmsten Gegner in der Bundesliga macht. Nagelsmann wird dies verfeinern und erweitern. Sollte Timo Werner den Verein noch verlassen, wäre das jedoch eine empfindliche Schwächung, denn Werner sticht selbst in der sehr guten Offensive heraus.
Für den Meistertitel wird es – ob mit oder ohne Werner - auch diese Saison noch nicht reichen, dafür sind der FC Bayern und Borussia Dortmund (noch) zu stark. Dennoch wird RB erneut souverän in die Champions League einziehen und den beiden Top-Favoriten das Leben lange schwer machen. Ein Zustand, an den sich Fußball-Deutschland leider gewöhnen werden muss.

Mike Lukanz

 

 

Bayer 04 Leverkusen

Wo kommen sie her?
Herrliches Mittelmaß – und dann kam Bosz. Nachdem der Niederländer mit seiner Version vom Voetbal total in Dortmund krachend gescheitert war, ist Leverkusen nun die zweite Station, um seine Vorstellungen vom Fußball in der Bundesliga zu verwirklichen. Bislang sehr erfolgreich, holte man in der Rückrunde doch einen 12 Punkte Rückstand nebst 22 Tore auf Mönchengladbach auf und sicherte sich so den begehrten Champions-League-Platz. Verdient, wie man anerkennen muss. Bosz aggressiver und für den Zuschauer attraktiver Offensivfußball repräsentiert das komplette Gegenteil des am Ende etwas schlafmützig wirkenden Systems Hecking. In der letzten Saison erschien es so, als ob sich die Mannschaft an ihrem eigenen System berauscht. Ob es allerdings auch nachhaltig ist, wird diese Saison zeigen.

Was passiert grade?
Die Champions League wurde erreicht, nun rüstet man in der Bayer-Metropole auf, um den Platz an der Sonne zu behalten und möglichst die ersten Drei anzugreifen. Kerem Demirbay wurde für die Rekordsumme von 32 Mio. € aus Hoffenheim an den Rhein gelotst. Wenig später folgte Nadiem Amiri für einen Bruchteil der Summe. Auch Moussa Diaby von PSG und Wunschspieler Saley Sinkgraven aus Amsterdam sind direkt Kandidaten für die erste Mannschaft. Abgegeben wurde hingegen Julian Brandt, der den Verlockungen aus Dortmund nicht widerstehen wollte oder konnte. Es ist nicht gänzlich ausgeschlossen, dass noch weitere Transfers folgen, derzeit zeichnet es sich jedoch nicht ab. Das Interesse an Dani Olmo ist sichtbar abgeflaut, das angebliche Interesse der Bayern an Leon Bailey ist wohl eher Gerüchteküche. Die anstehende Dreifachbelastung und die laufintensive taktische Ausrichtung wird einen breiten und qualitativ guten Kader erfordern, der bereits vorhanden war und nun namenhaft ergänzt wurde.

Wo gehen sie hin?
Kein System ist perfekt. Auch wenn des Bosz’sche Offensivspektakel in der Rückrunde äußerst erfolgreich war, hat es selbstverständlich seine Nachteile. Auch in Dortmund spielte man zunächst die Konkurrenz in beeindruckender Manier in Grund und Boden um dann den Tag der offenen Tür auszurufen. Es ist die Frage, wann das System entschlüsselt wird und wie Bayer damit umgehen wird. Die Verstärkungen des Kaders fanden vornehmlich im offensiven Teil statt doch grade in der Defensive drückte in der Vergangenheit oft der Schuh. Ein weiterer Nachteil ist der enorme Kräfteverschleiß, den dieses System mit sich bringt. Zwar ist der Kader auch qualitativ breit aufgestellt, grade vor dem Hintergrund der zukünftigen Dreifachbelastung könnte dies aber zum Problem werden. In der Vergangenheit zeichnete sich Bosz nicht grade durch eine exzessive Rotation aus. Rückschläge sind also durchaus wahrscheinlich. So hoch die Qualität der Neuzugänge Demirbay und Amira auch zweifellos sind – in Hoffenheim waren auch sie Teil einer Mannschaft, die in den vergangenen Jahren hinter ihren Erwartungen blieb. Bayer ist somit sicherlich erneut ein Kandidat für die Champions League. Das bestehende Konzept wird aber über den gesamten Saisonverlauf kaum ausreichen. Es besteht somit durchaus die Gefahr, dass es bei einem ungünstigen Verlauf mit Europa knapp werden könnte.

Thomas Häcki

 

 

VFL Wolfsburg

Wo kommen sie her?
Es ist ja fast ein bisschen schade, dass der VFL Wolfsburg einfach grundsätzlich so ein gänzlich fader attraktionsloser Unverein ist, denn ansonsten hätte der VW-Club in der abgelaufenen Saison eine der großen Geschichten der Bundesliga sein können. Da kommt ein von den eigenen Fans von Beginn an verschmähter etwas abgehalfterter Trainer, rettet mit viel Hängen und noch mehr Würgen den Klassenerhalt, nur um dann auf einmal zur Überraschung aller eine ziemlich unterhaltsame und auch erfolgreiche Serie zu spielen. Nur der vehementen und wackeren Gegenwehr des FC Augsburg war es zu verdanken, dass Bruno Labbadias Mannen am Ende ein winziges Törchen hinter der Borussia blieben und Sechster wurden. Dass Labbadia trotz dieses Erfolgs dann aufgrund seiner gepflegten Männerfeindschaft mit Sportdirektor Schmadtke letztendlich freiwillig wieder ging, fügt dem ganzen noch ein schönes Element an menschlichem Drama hinzu. Schmadtke selbst hatte übrigens auch seinen Anteil am Erfolg, denn seine Einkäufe schlugen gut ein, vor allem natürlich der Holländer Wout Weghorst mit seinen 18 Treffern, aber auch z. B. der aus Frankreich Linksverteidiger Jerome Rousillon. Wie gesagt, eine tolle Story, die aber keinen interessiert hat, weil es halt Wolfsburg war.

Was passiert gerade?
Die größte Änderung fand auf der Trainerbank statt. Wie das heute so Mode ist, hat auch Jörg Schmadtke sich jenseits des Bodensees umgeschaut und den Österreicher Oliver Glasner verpflichtet, der in der letzten Saison mit LASK Linz immerhin Vizemeister werden konnte. Auch der (bislang) teuerste neue Spieler kommt aus Österreich: der zwischenzeitlich ja auch in Mönchengladbach gehandelte Mittelfeldspieler Xaver Schlager von RB Salzburg. Um den Alpentraum komplett zu machen, wurde auch noch der Schweizer Nationalspieler Kevin Mbabu verpflichtet und Glasner brachte den brasilianischen Stürmer Joao Victor aus Linz (immerhin 13 Tore in der letzten Saison) mit. Nennenswerte Abgänge von Stammspielern wurden bislang nicht bekannt gegeben; auch der mit dem AC Mailand in Verbindung gebrachte Brekalo scheint nach den letzten Meldungen jetzt doch in Wolfsburg bleiben zu wollen. Insgesamt also ein eher ruhiger Transfersommer, aber letztendlich interessiert es sowieso keinen, weil es halt Wolfsburg ist.

Wo gehen sie hin?
Nachdem man sich schon daran gewohnt hatte, das die Wolfsburger weit unter dem Niveau spielen, dass der Kader eigentlich in sich hat, gibt es Anlass zur Befürchtung, der falsche VFL könnte wirklich wieder regelmäßig um europäische Plätze mitspielen. Der zuletzt erfolgreiche Kader konnte im Wesentlichen gehalten und punktuell verstärkt werden. Wenn Glasner es wie sein Vorgänger schafft die in den Vorjahren herrschender Lethargie aus der Mannschaft fernzuhalten, sollte man wieder in der oberen Tabellenhälfte mitspielen, sagen wir mal Platz 5-8. Das wird natürlich niemanden interessieren, weil es halt trotzdem immer noch Wolfsburg sein wird.

Claus-Dieter Mayer