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Es gibt kaum einen Begriff, der in den letzten Jahren rund um den Borussia-Park dermaßen überstrapaziert wurde wie jener der „Kontinuität“. Wie am berühmten Murmeltiertag wiederholt sich das Szenario immer dann, wenn Borussia mal wieder auf der Suche nach einem neuen Trainer ist. „Beim letzten Mal hat es leider nicht geklappt“, so heißt es dann stets. „Aber dieses Mal möchten wir natürlich auf jeden Fall auf einen Trainer setzen, der die Vereinsphilosophie verinnerlicht hat, das gemeinsame Konzept mit trägt und mit dem die allmächtige Kontinuität endlich umgesetzt werden kann.“ Ein Satz, der beweist, wie gut Bullshit-Bingo auch im modernen Fußball-Management funktioniert.

All diese Reden sollte sich der Verein besser sparen, denn spätestens seit der Entlassung von Jos Luhukay wirken sie nur noch lächerlich. Wohl klingende Worte sind nämlich das eine, die entsprechenden Taten folgen zu lassen das andere. Und hier hat Borussia in der Vergangenheit bewiesen, dass man im Fall der Fälle lieber den „ungeschriebenen Gesetzen“ nachgibt und dafür auch das goldene Kalb der Kontinuität jederzeit zu opfern bereit ist. Wenn man daher jetzt bei der Präsentation von Michael Frontzeck vorgibt, dies solle endlich die so lange gesuchte kontinuierliche Lösung darstellen, so braucht man kein notorischer Nörgler zu sein, um dem mit gesunder Skepsis zu begegnen.  

Hoffentlich werden wir nie erfahren, wie sich der Verein verhalten wird, falls wir unter Frontzeck unsere ambitionierten Ziele zu verfehlen drohen und schlimmstenfalls sogar erneut auf die Abstiegsplätze zurückfallen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen aber, dass es früher oder später zu solchen Situationen kommen wird. Und erst dann wird sich zeigen, was die Worte der Verantwortlichen tatsächlich wert sind, die sich in der Vergangenheit stets als ziemlich hohl herausgestellt haben.  

Gerade unter diesem Aspekt erscheint die Entscheidung für einen Trainer problematisch, der in seinen ersten drei Jahren als Cheftrainer zwei Mannschaften nicht vor dem Abstieg bewahren konnte. Denn dieser unumstößliche Fakt wird ihm von Medien und Fans bei Mißerfolgen schnell entgegengehalten werden. So erstrebenswert Kontinuität sein mag, so setzt sie schon voraus, dass man hierfür tatsächlich den richtigen Trainer ausgewählt hat und dieser eine faire Chance erhält, seine Qualitäten umsetzen zu dürfen. 
 

Thomas Schaaf und Alex Ferguson sind die beliebtesten Exempel von Trainern, die zweifelsfrei richtig ausgewählt wurden. Und sie werden immer wieder als Nachweis angeführt, dass es sich langfristig auszahlt, wenn man an einem Trainer fest hält. Die Frage nach der Richtung dieser Kausalität rückt dabei in den Hintergrund. Ist Werder Bremen seit Jahren so erfolgreich, weil Thomas Schaaf die ganze Zeit über ungestört arbeiten durfte? Oder darf Thomas Schaaf seit Jahren ungestört arbeiten, weil Werder Bremen so dauerhaft erfolgreich war? Einzig in seiner allerersten Saison hätte es für das Präsidium der Hanseaten ernsthafte Gründe gegeben, an den Qualitäten des Coaches zu zweifeln und ihn ggf. zu entlassen. Ansonsten war der SV Werder in der Ära Schaaf nie wirklich in einer Situation, in der sich ein allzu gewaltiger Druck aus der Öffentlichkeit aufgebaut hätte. Selbst wenn es in der Liga mal etwas weniger gut lief wie zuletzt, so sprachen die Erfolge in den Pokalwettbewerben meist eine allzu positive Sprache, die jeden Zweifel am Trainer erübrigten.
 

Wenn man also das Erfolgsmodell Thomas Schaaf auf den eigenen Verein übertragen möchte, so genügt nicht die Vorgabe, möglichst lange am Trainer festhalten zu wollen, um eine Pseudo-Kontinuität zu kreieren. Natürlich ist es wichtig, einen Trainer zu finden, von dem man voll und ganz überzeugt ist, und hinter dessen Arbeit man zu 100% steht. Viel bedeutsamer ist es aber, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass dieser Trainer – auch kurzfristig – sportlichen Erfolg vorweisen kann.  

Der Erfolg im Fußball ist wie fast überall ein Produkt aus zur Verfügung stehendem Kapital und dessen effizientem Einsatz. Aus dem letzten Winter sollte der Verein gelernt haben, dass Geld zwar nicht alles ist im Profifussball, es aber die Wahrscheinlichkeit enorm erhöht, positive Ergebnisse abzuliefern. Während die anderen abstiegsbedrohten Vereine gezwungen waren, mit billigen Spielern ihre Baustellen halbwegs abzudichten, konnte Borussia allein für Dante und Bailly 5 Mio. Euro auslegen. Am Ende waren es nicht zuletzt die Paraden des Belgiers und die wichtigen Tore des Brasilianers, die den Unterschied zu Cottbus oder Bielefeld ausmachten. Finanziell steht Borussia (deutlich) besser da als die Konkurrenz im unteren Drittel der Tabelle. Diesen Vorteil muss man konsequent ausnutzen, um durch gezielten Einsatz des vorhandenen Kapitals zumindest zu Mannschaften wie Köln, Hannover oder Frankfurt sportlich aufzuschließen, bzw. sie mittelfristig gar zu überholen. 
 

Die Effizienz des Kapitaleinsatzes wird durch das Management und insbesondere durch das Scouting bestimmt, durch das man sich noch immer am ehesten von der Konkurrenz differenzieren kann. Werder Bremen hat jahrzehntelang davon profitiert, etwaige Verkäufe immer wieder mit gleichwertigem Ersatz kompensieren zu können. In Hoffenheim rühmt man sich nicht ganz zu Unrecht damit, dass man die Klasse vieler anderswo verschmähter Spieler erkannt hat und diese im eigenen Verein groß herausbringen konnte. Dort hat man schon vor Jahren erkannt, wie wesentlich es ist, entsprechende Strukturen zu schaffen, von denen der Klub jetzt in starkem Maße profitiert. Mit Zufall lässt sich dies schon lange nicht mehr erklären, sondern vielmehr mit der konsequenten Umsetzung eines durchdachten Konzepts und dem Einbau von Experten, die für diesen Bereich optimal geeignet erschienen. Und dies eben nicht (nur), weil sie in der Vergangenheit besonders viele Tore in der Bundesliga erzielt haben, sondern weil sie über das Know how im Management und/oder ein besonders geschultes Auge für die Entdeckung passender Spieler verfügen. 

Bei Borussia wurde das Scouting spätestens unter Peter Pander vehement vernachlässigt. Diese traurige Anekdote unserer Vereinsgeschichte ist inzwischen aber schon eine Weile her und sollte inzwischen nicht mehr als Ausrede gelten dürfen. Gerade als kleinerer Verein, der keine allzu guten Argumente vorweisen kann, anderswo erfolgreiche Spieler abzuwerben, ist man darauf angewiesen, seinen Wettbewerbern in diesem Bereich einen Schritt voraus zu sein. 

Es sollte der Anspruch einer professionellen Scouting-Abteilung sein, über alle größeren Ligen dieser Welt adäquat informiert zu sein. Borussia scheint bislang vornehmlich in den Benelux-Staaten über ein entsprechend ausgeprägtes Informationsnetz zu verfügen, das idealerweise zum Standard des Scouting auch in anderen Regionen des Weltfussballs ausgebaut werden sollte. Für jede Spielposition sollten zu jeder Zeit mindestens 2-3 Spieler unter Beobachtung stehen, die für den Verein bei Bedarf verfügbar sein könnten. Das geflügelte Wort von den Eventualitäten, auf die man stets vorbereitet sein möchte, darf nicht wie einst von Herrn Pander zur Lächerlichkeit degradiert werden. Ein solches Konstrukt verschlingt natürlich erhebliche Ressourcen und kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Dennoch sollte gerade hier nicht am falschen Ende gespart werden. Nur wenn es uns gelingt, schneller und besser Talente aufzuspüren als die übrigen Bundesligisten, werden wir jemals eine Chance haben, unsere finanziellen Nachteile gegenüber den regelmäßigen Europapokalstartern sportlich auszugleichen.  

Wenn der Verein bereit ist, finanziell zumindest überschaubare Risiken einzugehen und er die Strukturen schafft, die sich so bietenden Geldmittel effizient einzusetzen, dann wird die Arbeit für einen jeden Trainer einfacher, egal wie dieser heißt. Die Tendenzen der letzten Zeit gehen in die richtige Richtung. Sei es die deutlich verbesserte Jugendarbeit, der Ausbau des Scouting-Apparats oder die Investitionen im letzten Winter. Dies kann aber nur der Anfang gewesen sein, denn die 20 Rückrunden-Punkte dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Borussia in der vergangenen Saison eklatante Defizite in sämtlichen Mannschaftsteilen offenbart hat und es am Ende nicht unwesentlich das Glück gewesen ist, dass uns vor dem Super-Gau des erneuten Abstiegs bewahrt hat. Machen wir so weiter und ziehen wir aus der Saison nicht die richtigen Lehren, dann wird es uns so ergehen wie im Jahre 1998, als wir zunächst mit viel Dusel und in einem beachtlichen Schlussspurt den kaum noch für möglichen Klassenerhalt schafften, um im Jahr darauf den totalen Absturz mitzuerleben. Und spätestens dann werden sich schon in wenigen Monaten alle Reden von der Kontinuität mal wieder ad absurdum geführt haben.