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Vor knapp zwei Jahren begann Max Eberl, das Projekt Borussia Mönchengladbach mit einer gut durchdachten und plausiblen Grundphilosophie zu gestalten. Geplant war eine ruhige, kontinuierliche, gemächliche Fahrt in Richtung der so sehnlich vermissten internationalen Autobahnen.


In den ersten beiden Jahren ging die Rechnung auf, denn Borussia schien sich langsam, aber sicher fortzuentwickeln. Als man am 29. August dieses Jahres den Meisterschaftsanwärter Bayer Leverkusen mit 6:3 aus dem Stadion crashte, suggerierte dies bereits den unaufhaltsamen Weg in Richtung Liga-Pole-Position. Es sollte anders kommen. In den darauf folgenden Wochen wurde vielmehr der Rückwärtsgang eingelegt und nur 9 Spieltage später hängt Borussia noch stärker in den Leitplanken als es vor Eberls Amtsantritt der Fall gewesen war.

 

Das 3:3 gegen den FC Bayern München hat an dieser Situation nur wenig geändert. Gegenüber einigen (vermeintlichen) Konkurrenten im Abstiegskampf wurde zwar ein unerwarteter Punkt gut gemacht. Der SC Freiburg und der 1.FC Nürnberg setzten sich durch überzeugende Siege aber noch weiter ab. Der Blick auf die Tabelle ist nur den hartgesottensten unter den Borussen-Fans dieser Tage erträglich und es spricht wenig dafür, dass sich dies bis zur Winterpause ändern wird.

 

Doch nicht nur die reinen Zahlen stimmen bedenklich. Mit Ausnahme von einer guten Phase über ca. 20-25 Minuten nach dem Seitenwechsel bot der Auftritt gegen den Rekordmeister wenig Erbauliches und das gute Resultat darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Borussia weiterhin zahlreiche Baustellen auf allen Positionen zu bewältigen hat.

 

Baustelle Torwart

 

Christofer Heimeroth stand am Samstag zum dritten Mal hintereinander im Kasten und bewahrte Borussia mit einigen hervorragenden Reflexen vor einem höheren Rückstand. Dem steht sein zögerliches Verhalten bei hohen Flanken gegenüber, das mit zum 1:1-Ausgleich beitrug. Keine Frage: Gegenüber dem zuletzt desolaten Auftreten von Logan Bailly ist Heimeroth eine sichtbare Verstärkung. Die obligatorischen 3 Borussen-Gegentore konnte aber auch er zuletzt nicht verhindern. 10 Jahre befindet sich der Ex-Schalker mittlerweile im Profi-Geschäft. 10 Jahre, in denen er sich nie entscheidend durchsetzen konnte. Wunderdinge sollte man vom Pokalhelden daher nicht verlangen, da eine solch überhöhte Erwartungshaltung früher oder später wieder gegen ihn gerichtet würde. Doch egal, wie man sich in der Torwartfrage positioniert – ob man die ruhige, sachliche Spielweise von Heimeroth oder die extrovertierte Art von Bailly bevorzugt. Zum Wohle des Vereins muss die nachvollziehbare Entscheidung des Trainers akzeptiert werden, mit diesem Torwart die Vorrunde zu beschließen und sie nicht nach jedem kleinen Wackler in Frage zu stellen.

 

Baustelle Viererkette

 

33 Gegentore in 11 Spielen geben ein deutliches Bild über die Verfassung der Viererkette ab. Schon im Vorjahr waren es immerhin 60 Treffer gewesen – und das, obwohl Roel Brouwers und Tobias Levels die mit Abstand beste Saison ihrer Karriere absolviert hatten. Michael Frontzeck kann noch so sehr betonen, wie sehr auch der Rest der Mannschaft für das gesamte Defensivspiel mit verantwortlich sei. Alles (überstrapaziertes) Gerede um „Kompaktheit“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Abwehr erhebliche Qualitätsdefizite bestehen, die vor Saisonbeginn eklatant unterschätzt wurden – im Übrigen von uns allen und nicht nur von den Vereinsverantwortlichen.

 

Ein Sebastian Schachten wurde nach einigen durchschnittlichen Auftritten in den vergangenen Wochen schon als Lichtblick einer ansonsten desolaten Riege angesehen. Ein Spieler, der vor seiner Verpflichtung bei den Regionalliga-Amateuren von Werder Bremen als Mitläufer galt und sich zuletzt beim SC Paderborn als ordentlicher Zweitligaspieler präsentierte. Der hilflose Auftritt gegen Bayerns Altintop war mit Sicherheit ein böser Ausrutscher nach unten. Es spricht aber Bände, wenn auf seiner Position bereits beim Ausfall eines Spielers keine bessere Alternative bereit steht. Ein Filip Daems wiederum wird als Stamm- und Führungsspieler geführt, obwohl er seit Jahren unterdurchschnittliche Leistungen abliefert. Lediglich im Aufstiegsjahr in Liga 2 konnte er den Ansprüchen gerecht werden, die eigentlich von ihm als Kapitän erwartet werden sollten.

 

Dies sind aber nur zwei Beispiele, die beliebig auf die übrigen Repräsentanten der Viererkette übertragen werden könnten. Der Ausfall von Abwehrchef Dante, der trotz des Stuttgart-Spiels als einziger in seinem Leistungsvermögen unumstritten ist, hat die Defizite deutlich zur Schau gestellt. Eine Borussen-Abwehr ohne Dante hat unabhängig von der Besetzung keine Bundesligatauglichkeit.

 

Baustelle defensives Mittelfeld

 

Marcel Meeuwis wird in der holländischen Presse dieser Tage so zitiert, dass er die von Michael Frontzeck gewählte, relativ offensive Ausrichtung der Doppel-Sechs für problematisch hält. So sehr diese Meinung von Eigennutz geprägt sein mag, sollte ihr Beachtung geschenkt werden. Das Duo Marx/Bradley hat sich zwar insgesamt in den letzten 15 Monaten als bestmögliches im vorhandenen Kader herauskristallisiert. Vollständig überzeugen kann die Lösung aber nicht, wenn man sich die Zahl der Gegentore ansieht und insbesondere dass diese zu einem beachtlichen Teil aus Fernschüssen resultiert. In einer defensiv ohnehin schwachen Mannschaft (siehe die beiden vorherigen Baustellen) wäre es ratsam, wenn zumindest ein defensiver Mittelfeldspieler das Format und die Spielweise eines Galasek mitbringen könnte. Dafür erscheinen weder Marx noch Bradley geeignet. An seinen bisherigen Auftritten im Borussen-Dress gemessen gilt dies nicht minder für Marcel Meeuwis, so dass auf dieser Position eine offensichtliche Lücke in der Kaderplanung besteht.

 

Baustelle Angriff

 

Trotz dreier Tore gab es im Borussen-Sturm am Samstag einen großen Verlierer. Raul Bobadilla konnte das große Vertrauen seines Trainers erneut nicht rechtfertigen und es wird immer schwieriger, ihn ob seiner Anlagen und seines noch jungen Alters gegen die wachsende Zahl von Kritikern zu verteidigen. Der ständige Vergleich mit Alan Simonsen oder Martin Dahlin, die dereinst ebenfalls lange auf ihren Durchbruch bei Borussia warteten, nutzt sich irgendwann ab – wurde er doch schon bei so vielen Stürmern der Marke Skoubo und Juskowiak in den letzten Jahren vergeblich angewandt. Auch wenn man die ca. 4 Millionen investierte Euros in den Argentinier noch nicht vollkommen abschreiben sollte. Die Sorge ist berechtigt, dass Borussia hier zu optimistisch war, dass Bobadilla seine guten Leistungen aus der schweizerischen Liga auch für uns wird abliefern können. Das Problem scheint insbesondere ein mentales zu sein. Für einen Mittelstürmer, der in Zürich als torgefährlich galt, zielt er bei seinen Schüssen erstaunlich präzise in Richtung Tormitte und findet regelmäßig die Arme des gegnerischen Torhüters. Dies erweckt den Eindruck, als sei er stärker darauf bedacht, den Ball bloß irgendwie in Richtung Tor zu bugsieren und als habe er keinerlei Zutrauen in seine eigene Stärke, ihn entsprechend zu platzieren, um die Wahrscheinlichkeit eines Torerfolgs zu maximieren.

 

Doch die Alternative zu Raul Bobadilla macht es in den letzten Spielen nicht viel besser. Mo Idrissou war gegen die Bayern nahezu unsichtbar und wurde zur Halbzeit zurecht ausgewechselt. Der Kameruner wirkt seit seiner unberechtigten Hinausstellung gegen den FC St. Pauli wie ausgewechselt, nachdem er zu Saisonbeginn noch regelmäßig bester Borusse auf dem Platz gewesen war. Die Hoffnungen im Angriff ruhen daher auf Igor de Camargo, der in seiner ersten Halbzeit gleich zum Bayern-Schreck mutierte. Von ihm ist allerdings bekannt, dass er generell nicht zu den größten Torjägern zählt, sondern sich insbesondere durch Torvorlagen auszeichnet. Ihm sollte optimalerweise ein passender Nebenmann zur Seite gestellt werden, der seine Pässe entsprechend verwertet. Nach den bisherigen Saisoneindrücken sollte sich hier Mo Idrissou – trotz seines peinlichen Fehlschusses in Kaiserslautern – eher anbieten, da er in den letzten Jahren in der Bundesliga stets wusste, wo das Tor steht. Sowohl er als auch Raul Bobadilla werden in den kommenden Wochen ausreichend Chancen bekommen, sich in dieser Rolle zu bewähren. Gelingt es einem von beiden und kann de Camargo seine gute Frühform halbwegs konservieren, so könnte zumindest diese Baustelle schon vor dem Winter gestopft werden.

 

Baustelle Trainer

 

Der Verein kann noch so sehr von Kontinuität reden und auf das große Vorbild aus Bremen verweisen. Thomas Schaaf hatte in seiner Amtszeit zu keiner Zeit eine so klägliche Tabellenbilanz zu durchstehen und es ist reine Spekulation, ob der SV Werder ihm bereits in seinem zweiten Amtsjahr in vergleichbarer Situation ein dermaßen großes Vertrauen ausgesprochen hätte. Wenn eine Mannschaft nach 11 Spielen mit 7 Punkte auf dem letzten Platz steht und droht, den Anschluss ans Mittelfeld zu verlieren, muss auch der Trainer hinterfragt werden dürfen. Dies sollte aber nicht boulevardesk nach den nackten Zahlen geschehen, sondern bedarf einer sachlichen Analyse, der sich Frontzeck bestimmt gerne stellt.

 

Fernab von den ausgebliebenen Punkten war die bisherige Saisonleistung ungenügend. Ein durchweg gutes Spiel war nur gegen Wolfsburg und Leverkusen zu beobachten. In einigen anderen Partien mag es einige gute Phasen gegeben haben, die aber im Endeffekt meist von desaströsen Perioden überschattet wurden. Dies hat in letzter Instanz auch der Trainer mit zu verantworten, der dafür Sorge zu tragen hat, dass sich diese Mängel so bald wie möglich abstellen.

 

Es ist ihm nicht zum Vorwurf zu machen, dass Bayern München über weite Strecken des Spiels überlegen agierte. Wenn man aber den Eindruck bekommt, die Mannschaft stemme sich nicht einmal gegen die Unterlegenheit, sondern ergebe sich hilflos in sein Schicksal, so ist das alarmierend. In den allermeisten Partien ließ man sich von seinen Gegnern das Spiel aufzwingen und wehrte sich nur unzureichend. Es ist aller Ehren wert, wie die Mannschaft sich immer wieder ins Spiel zurückfightet. Letzten Endes ist dies aber nicht genug.

 

Bislang ist das Festhalten an Michael Frontzeck im Sinne des Gesamtkonzepts nachvollziehbar. Es ist nicht erkennbar, dass die Mannschaft irgendein Problem mit ihrem Coach hat oder er sie überhaupt nicht mehr erreichen kann. Die meisten Defizite sind – wie oben beschrieben – erklärbar und gehen zumindest in der Abwehr auf einen Mangel an Qualität zurück, der sich durch einen Trainerwechsel nicht von heute auf morgen beheben lassen würde. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn man trotz schlechter Ergebnisse an einem Trainer festhält, von dem man überzeugt ist. Es ist langfristig verheerend, die Entscheidung über einen Trainer allein an ein bis zwei Ergebnissen festzumachen, wie es dieser Tage bei unserem kommenden Gegner aus Köln geschieht. Die Frage jedoch, ob der Verein zurecht von seinem Trainer überzeugt ist, wird mit jedem Negativerlebnis stärker gestellt werden.

 

Baustelle Management

 

Damit kommen wir zurück zum Anfang dieses Kommentars, nämlich zum Autobahnbauer Max Eberl. Die zuletzt eher durchwachsene Transferpolitik hat bei einigen Fans auch seine Position ins Wanken gebracht. Sein Schicksal aber zwingend mit dem des Trainers zu verbinden, erscheint übertrieben. Auch Eberl wird dieser Tage einige seiner getroffenen Entscheidungen aus der letzten Zeit hinterfragen und hoffentlich die richtigen Lehren daraus ziehen. Sein vor kurzem geäußertes Credo, im Winter keinesfalls nachbessern zu wollen, hat er in den jüngsten Interviews bereits ein wenig aufgeweicht. Er wird mittlerweile erkannt haben, dass die Qualität im Kader nach aktuellem Stand verbessert werden sollte, um den Super-Gau eines erneuten Abstiegs zu vermeiden. In der Offensive darf man auf de Camargo hoffen sowie darauf, dass entweder Idrissou oder Bobadilla mit ihm ein ordentliches Sturmduo abgeben. Defensiv sollte man sich aber genauer umschauen, ob sich nicht irgendwo ein neuer Dante oder Galasek versteckt hat, die Eberl im vorletzten Winter aus dem Hut zauberte.

 

Der Einkauf von erneut 4-5 Neuen, wie es dereinst Usus gewesen war, ist nicht so sehr anzuraten als vielmehr der punktuelle Nachkauf von echter Qualität. Diese ist im Winterschlussverkauf nicht immer leicht zu finden und birgt stets die Gefahr eines Fehlkaufs. Doch mit der Bereitschaft, entsprechend tief in die Tasche zu greifen und auch für einen Defensivspieler einmal 4-5 Millionen Euro auszugeben, sollte sich eine echte Verstärkung realisieren lassen. Der Verweis auf die solide Finanzpolitik des Vereins in allen Ehren. Ein Totalschaden in Form des erneuten Abstieges würde um einiges mehr kosten.