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FC AugsburgEs scheint eine halbe Ewigkeit her und sind doch erst ein paar Monate, seit Lucien Favre glaubhaft machen musste, warum seine Mannschaft das nächste Spiel noch nicht verloren hatte. Im April, als die meisten auf den Gladbacher Klassenerhalt keinen Pfifferling mehr gewettet hätten, noch nicht mal eine griechische Staatsanleihe. Als die nächsten Gegner Dortmund und Hannover hießen, scheinbar unüberwindbare Hürden. Bekanntlich ist das Favre-Team seitdem in einer Weile gesundet, wie man sie auch dem Euro wünschen würde. Aktuell steht der Trainer vor dem gegenteiligen Problem: Er muss glaubhaft machen, warum seine Mannschaft das nächste Spiel noch nicht gewonnen hat.

 

Noch nie seit Favres Amtsantritt, noch nie seit vielen Jahren galt die Borussia vor einem Bundesligaspiel so sehr als Favorit wie vor der Partie in Augsburg. Hier der Tabellendritte, der von den letzten fünf Spielen vier gewann und gegen den deutschen Meister nicht verlor, der Bremen aus dem Stadion schoss und Köln souverän beherrschte. Dort der Tabellenletzte, der von den letzten fünf Spielen vier verlor. Spiegelbildlich das Torverhältnis: plus 14 die Borussia, minus 14 der FCA. Welche Argumente kann Favre da ins Feld führen?

 

Zum Beispiel, dass die Augsburger es besonders zuhause den Gegnern oft schwerer machten, als der Tabellenstand verrät. Selbst bei der scheinbar klarsten Heimniederlage, dem 1:4 gegen Leverkusen, hatten die Augsburger lange vehement auf den Ausgleich gedrängt und sich ein halbes Dutzend hochkarätiger Chancen erarbeitet, bevor die Bayerelf am Ende noch zwei Treffer nachlegte. Bayern München musste nach scheinbar souveränem Beginn ein knappes 2:1 in Augsburg über die Zeit zittern. Und hätte Neuer kurz vor Schluss allein gegen Kapllani nicht so prächtig reagiert… Hannover kam in Augsburg nicht über ein 0:0 heraus, Bremen nicht über ein 1:1. Den VfL Wolfsburg schließlich besiegten die Augsburger im letzten Heimspiel und waren in allen Belangen überlegen.

 

Dass der FCA den schönsten Fußball der Liga spielt, ist aber wohl doch übertrieben. Diese Ansicht dürfte  Walther Seinsch recht exklusiv für sich haben, wie denn überhaupt die Äußerungen des FCA-Präsidenten bisweilen für Aufsehen sorgen. Jos Luhukay billigte er zu, die Saison auch mit null Punkten abschließen zu dürfen, ohne um seinen Job fürchten zu müssen, was unter den Anhängern nicht auf ungeteilte Begeisterung stieß. Selbstkritisch bewertete Seinsch immerhin die eigene Transferpolitik im Sommer. Zu zögerlich sei man da gewesen und hätte den Kontakt zu Feulner und Moravek nicht entschieden genug vorangetrieben. Im Winter soll nun auf zwei bis drei Positionen nachgebessert werden. Ziel sei es, den FCA dauerhaft unter den ersten Zwölf zu etablieren.

 

Das ist ein großes Ziel. Historisch ist Augsburg bedeutsam: doppelt so alt wie München, eine der drei ältesten Städte Deutschlands. Jakob Fugger kam ebenso von hier wie Bertolt Brecht, Leopold Mozart ebenso wie die Puppenkiste. Fußballhistorisch dagegen sieht es mau aus. Erfolge feierte primär die Nachwuchsabteilung: Viermal holte der Verein in den 90ern den DFB-Pokal der A-Jugend und ist damit alleiniger Rekordinhaber. Helmut Haller, Bernd Schuster, Kalle Riedle, Raimond Aumann und Armin Veh wurden in Augsburg ausgebildet. Der ersten Mannschaft kam diese Arbeit aber wenig zugute: Selbst als in den frühen 70ern Haller, damals ein internationaler Star, aus Italien zurückkehrte, verpasste der FCA, wenn auch knapp, den Aufstieg in die erste Liga.

 

Der gelang erstmals in diesem Sommer. Ins Abenteuer Bundesliga startete der FCA euphorisch, aber ohne hochkarätige Verstärkungen, und das obwohl man mit Traoré einen ganz wichtigen Spieler ablösefrei verloren hatte. Sie hätten, so räumten Seinsch und Manager Rettig inzwischen ein, damals wohl zu zögerlich agiert und die Kontakte etwa zu Feulner und Moravek nicht energisch genug vorangetrieben. Im Winter soll nun auf drei Positionen nachgebessert werden. Noch mehr Bewegung könnte im kommenden Sommer in den Kader kommen, wenn sage und schreibe 21 Verträge auslaufen. Auch die Zukunft von Rettig selbst ist noch ungeklärt. Familiäre Gründe könnten ihn in den Kölner Raum zurückziehen.

 

Die jetzige Mannschaft konnte in der Bundesliga in vielen Spielen gut mithalten. Durch individuelle Aussetzer in der Defensive und schlechte Chancenverwertung aber brachte sie sich oft um den Lohn ihrer Mühen. Eine Begnadigung von Torjäger Michael Thurk steht indes nicht zur Debatte. Über die Gründe seiner Ausbootung erfährt man nur Nebulöses: Viele kleine Vorkommnisse seien es gewesen, die Chemie zwischen ihm und dem Trainer habe einfach nicht gestimmt. Thurk wird wohl im Winter wechseln: Der FSV Frankfurt, die USA und Kanada werden als mögliche Ziele genannt.

 

Andere fehlen verletzungsbedingt. Auch gegen die Borussia fallen acht Spieler aus, darunter die Ex-Gladbacher Nando Rafael und Marcel Ndjeng. Besonders schmerzt aber der erzwungene Verzicht auf Torhüter Simon Jentzsch und Innenverteidiger Sebastian Langkamp. Jentzsch hatte eine richtig gute Saison gespielt und vor allem die Bremer Stürmer zur Verzweiflung getrieben, bevor ihn ein lädierter Finger wochenlang außer Gefecht setzte. Vertreter Amsif zeigte, wohlwollend ausgedrückt, durchwachsene Leistungen und verschuldete zuletzt auf Schalke einen Gegentreffer. Langkamp, vor der Saison aus Karlsruhe verpflichtet, wurde immer wieder durch Verletzungen behindert. In den sieben Spielen, die er in der Startelf stand, konnte er aber verlässlich als Stabilisator gefallen. Beim Sieg gegen Wolfsburg zeigte er eine überragende Leistung, wurde danach aber von einem Muskelfaserriss gestoppt.

 

Da der bundesligaerfahrene Möhrle weiterhin ausfällt, wird am Samstag wohl notgedrungen Gibril Sankoh wieder in der Innenverteidigung spielen. Bundesligatauglichkeit indes konnte der Niederländers bislang nicht nachweisen. Vor allem seine letzten drei Einsätze verliefen ernüchternd. Beim 0:4 in Dortmund legte er Lewandowski unfreiwillig das vorentscheidende zweite Tor auf und verschoss auf der anderen Seite einen Elfmeter. Beim 0:3 in Köln wurde Sankoh früh für den verletzten Möhrle ein-, nach ganz schwacher Leistung zur Halbzeit aber schon wieder ausgewechselt. Letzte Woche stand er beim Schalker Führungstreffer zu weit weg von Huntelaar.

 

Sehr viel besser präsentierte sich Jan-Ingwer Callsen-Bracker. Der Ex-Gladbacher hat sich in Augsburg zum Führungsspieler in der Innenverteidigung gemausert. Leitfigur ist auch Kapitän und Linksverteidiger Paul Verhaegh, der zwar nach vorne nur selten Akzente setzt, nach hinten aber meist zuverlässig abriegelt. Anfälliger war der FCA in der Vergangenheit auf der rechten Abwehrseite, wo Dominik Reinhardt trotz über hundert Bundesligaspielen manche Unsicherheiten zeigte. Vor allem gegen schnelle Flügelspieler hatte der Ex-Nürnberger bisweilen Probleme.

 

Vor der Abwehr setzt Trainer Luhukay auf zwei defensive Mittelfeldspieler, wobei der Ex-Leverkusener Hajime Hosogai sich deutlich stabiler präsentierte als Lorenzo Davids. Der Neuzugang vom niederländischen Erstligisten Nijmegen weckte schon wegen seines berühmten Cousins Edgar hohe Erwartungen, wurde in manchen Spielen von den sonst so geduldigen Augsburger Fans aber schon ausgepfiffen. Auch auf Schalke spielte Davids unglücklich und wurde zur Pause ausgewechselt.

 

Für ihn kam Thorsten Oehrl. Er wurde in dieser Saison erst von einer längeren Verletzung, dann von einer Rotsperre außer Gefecht gesetzt. Mit Oehrl und dem wiedergenesenen Stephan Hain, auch er auf Schalke eingewechselt, hat Luhukay in der Offensive inzwischen wieder Alternativen. In der letzten Zweitligasaison kamen beide zusammen auf siebzehn Tore. Hain hat als Schütze des Treffers, der den Aufstieg perfekt machte, bei den Fans ohnehin Heldenstatus.

 

In der Startelf dürfte aber wieder die offensive Dreierreihe Brinkmann, Baier, Werner stehen und vor ihr Mölders als einzige Spitze. Er kam vor der Saison mit der Referenz von 15 Saisontoren vom FSV Frankfurt und führte sich gleich vielversprechend ein: Im ersten Saisonspiel erzielte Mölders gleich beide Treffer, im nächsten die Führung. Dem schloss sich eine Flaute von 1172 Spielminuten Dauer an, bevor Mölders am letzten Spieltag zum zwischenzeitlichen Ausgleich traf. Viele Augsburger Fans hoffen, dass damit der sprichwörtliche Knoten geplatzt sein könnte.

 

Bei der Borussia steht noch Fragezeichen hinter dem angeschlagenen Havard Nordtveit. Thorben Marx stünde als Vertreter bereit. In der Offensive fehlt weiter Marco Reus, während Igor der Camargo wieder im Kader steht, wahrscheinlich aber zunächst auf der Bank Platz nehmen wird. Das sollte eine erneute Bewährungschance für Raul Bobadilla bedeuten.

 

Die Aufstellungen:

 

FC Augsburg: Amsif – Reinhardt, Sankoh, Callsen-Bracker, Verhaegh – Hosogai, Davids – Baier, Brinkmann, Werner – Mölders.

Borussia: ter Stegen – Jantschke, Brouwers, Dante, Daems – Marx, Neustädter – Herrmann, Arango – Hanke, Bobadilla.

 

SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: Das Spiel wird schwerer, als manche sich das vorstellen. Höhere individuelle Qualität, bessere Struktur und größeres Selbstvertrauen der Borussia könnten am Ende aber zu einem 2:0 reichen.

Christian Heimanns: "Lukas, haben wir eine Chance gegen die wilde 11?" "Nein Jim. Die gewinnen hier 0:2."

Christian Spoo: Der Sieg gegen den voraussichtlichen Bundesligaabsteiger ist Formsache. Und gerade deswegen wird es nichts mit diesem Sieg. Borussia nimmt nur einen Punkt aus Augsburg mit, das Spiel endet 1:1.

Michael Heinen:
Es wird mal wieder Zeit für ein gepflegtes 1:0. Dank des Auswärtssieges beim Ex springt Borussia zumindest für eine Nacht zurück an die Tabellenspitze.

Thomas Häcki: Borussia siegt mit 2:1.