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1fcklautern Ein Jahr ist es her, dass Lucien Favre zum Trainer von Borussia Mönchengladbach geweiht wurde. Die Statistiken dieses Jahres bersten von Rekorden, die die verwegensten Träumer nicht für möglich gehalten hätten. Den mehrfach sicher scheinenden Abstieg vermieden und mit den gleichen Spielern ein Spitzenteam erschaffen, selbst das M-Wort wird zum ersten Mal seit über 15 Jahren wieder mit der Borussia in Verbindung gebracht und nach jeder (na gut, gelegentlichen) Glanzvorstellung scheinen neue Ziele greifbar. Wie aus dem Nichts hat sich Borussia zu dem wunderbaren Lauf aufgemacht, den die hartgeprüften Fans sich auf der schier endlosen Rückreise von so vielen trostlosen Auswärtsspielen sehnsüchtig ausgemalt haben, und nun trifft die Mannschaft auf eine, die einen nur ein bisschen kleineren Lauf im Sommer beendete und sich nun auf der steil abfallenden Seite befindet: Kaiserslautern.


Auch die Pfälzer spielen eine Rolle in der Genese der neuen Borussia: Vor 11 Monaten gaben sie Logan Bailly die Vorlage, mit der er den Ball so unvergesslich ins eigene Tor und sich in hohem Bogen aus dem Team boxte. Nach heutigem Stand darf man beiden dafür dankbar sein, umso schneller kam Marc-Andre ter Stegen zum Einsatz, dessen Platz im Tor der Borussen durch Bailly jedenfalls nie mehr gefährdet wird. Und eines der Eckteile im Erfolgspuzzle lag an seinem Platz.

Nachdem die Gladbacher nun am letzten Spieltag die Schalker höchst eindrucksvoll rundgespielt haben, scheinen Bäume und Träume am Niederrhein in den Himmel zu wachsen. Die Kombinationen der Borussen, angeführt vom groß aufspielenden Hanke, blitzten so schnell und kaum fassbar auf, dass nicht nur die Schalker das Spiel erst in der Zeitlupe richtig begriffen. Nachdem die Gelsenkirchener über 90 Minuten ganz buchstäblich chancenlos waren, wurde eine kleine Krise um Königsblau ausgerufen und ein paar Meisterschaftsträume begraben. Ähnlich hatte schon der glatte Sieg gegen Bayern den vormaligen Meisterschaftsfavoriten einiger Illusionen beraubt und den Gladbachern das schöne Gefühl geschenkt, ein veritabler Killer anderer Spitzenteams zu sein. Dafür kann man sich vielleicht nichts kaufen, aber es fühlt sich trotzdem gut an.

Zu den vielen Dingen, die auch langgediente Beobachter des Profifussballs überraschen gehört, dass die Borussen immer noch Möglichkeiten der Steigerung zu haben scheinen. Favres angedrohter Plan der stufenweisen Verbesserung funktioniert so exakt wie ein schweizer Uhrwerk; das alleine unterscheidet ihn schon von der ganz überwiegenden Mehrzahl seiner Kollegen. Vor nicht so langer Zeit hätte die Erwähnung von Mike Hanke im Zusammenhang mit der Nationalmannschaft Lachstürme verursacht; am Anfang der Woche überschlug sich Rafael Honigstein in seinem Blog für den "Guardian" mit Worten des Lobes. Dabei ist bei aller Begeisterung die Erwähnung angebracht, dass Huub Stevens seinen Teil zur Gala beigetragen hat. Seine offensive Abteilung deckte die Gladbacher Spieleröffnung kaum ab, Jurado war auf der 6 so gut aufgehoben wie Bailly im Tor, die zweigeteilten Schalker fanden sich gegen den kompakten Gegner wie Blätter im Herbststurm wieder.

Das muss nun nicht jeder Gegner genauso wiederholen. Ganz besonders ist ein solcher Lauf ins Verderben nicht von einem Abstiegskandidaten zu erwarten, womit wir in Lautern wären. Denn der Tabellensiebte des Vorjahres und Bailly-Verabschieder kämpft mit sparsamsten fußballerischen Mitteln um den Klassenerhalt und lässt wenig Hoffnung aufkeimen, dass er sich freiwllig mit einem Sturmlauf den Gladbacher Kontern zu Füßen legt. Dazu gäbe es in Kaiserslautern auch nicht das Personal. Als die Pfälzer sich im Sommer dazu entschieden, Führungsspieler gegen Deckungsbeitrag zu tauschen und Lakic nach Wolfsburg ziehen ließen, atmeten die damaligen Konkurrenten um den Klassenerhalt der neuen Saison hörbar auf. Nach dem Abgang von Ilicevic gen Hamburg war klar, dass selbst die überaus gut verlaufene Saison nach dem Aufstieg die wirtschaftliche Lage nicht so gebessert hatte, dass man einen Spieler in der Pfalz halten konnte.

Und nachdem die Konkurrenz die neuen Stürmer der Pfälzer begutachtet hatte, wurde die Lage noch klarer. Shechter, Kouemaha und Sukuta-Pasu blieben in der Hinrunde dermaßen harmlos, dass sich die Lauterer entschlossen, in der Winterpause mit Sandro Wagner (5 Tore in 37 Bundesligaspielen), Nicolai Jörgensen und Jakub Swierczok nachzubessern. Was dem Fan seine Graupenvermehrung, ist dem Manager seine "Verstärkung in der Breite". Ganz offensichtlich muss der FCK im Abstiegskampf auf schönste Pfälzer Tugenden zurückgreifen, die da bekanntlich sind bedingungsloser Kampfgeist, fanatische geführte Zweikämpfe und eine singuläre Zeitrelativität nach 90 Minuten.

Nicht auszuschließen, dass dieses Konzept auch dieses Jahr wieder ausreicht, schließlich macht Kevin, no offense meant, Trapp im Tor der Pfälzer beträchtlich viel davon wett, was die Offensivabteilung zu wünschen übrig lässt. Eine andere Voraussetzung wäre aber, dass der Kapitän wieder das Kommando ergreift, und davon ist Christian Tiffert seit einiger Zeit ein gutes Stück entfernt. Tiffert, der sich nie versteckt, in jeder Situation Rede und Antwort steht, wurde in seiner ersten Saison am Betzenberg sozusagen natürlicher Antreiber, Anführer und Spielführer. Wenn er seine Mannschaft nach vorne treibt, ist vom Torerfolg bis zum Punktgewinn einiges denkbar, aber dazu muss er erst wieder in der entsprechenden Form sein. Gut für Lautern: Spieler seines Schlages, die nicht erst ihr verlorengegangenes Genie ausgraben müssen, haben selten längere Krisen. Schlecht für Lautern: Irgendwann geht die Zeit dafür trotzdem zu Ende und selbst in Bestform hilft er den 9 Stürmern im Kader nur begrenzt weiter.

Nun kommen die Gladbacher, die in 10 Auswärtsspielen erst fünf Gegentore bekommen haben (was war da mal mit "Auswärtsdepp"?) zu Besuch bei einer Mannschaft, die in 21 Spielen 15 mal genetzt hat. Und in aller hochdampfenden Vorfreude am Niederrhein steigt die Erinnerung auf an das Spiel in Augsburg, über die man all das, was oben zu Lautern steht, auch hätte sagen können. Die Borussen mussten ohne Reus antreten, die Augsburger gewannen ca 6:0 nach überharten Zweikämpfen und dann 1:0 nach Toren. Vieles, oder alles, spricht dafür, dass sich der FCK hieran ein Beispiel nimmt, versuchen wird, dem Favoriten "den Schneid abzukaufen", sprich Hämatome zuzufügen und Konter gar nicht erst zuzulassen. Vor allem, wo Reus´ Mitwirken zu diesem Zeitpunkt noch in Zweifel steht.  Und erst wenn die Borussen nicht nur Schalke niederspielen können sondern auch in Lautern bestehen, wird sich zeigen, ob sie aus Augsburg gelernt haben. Und ob in Favres Plan eine weitere Stufe bestiegen wurde.


Aufstellungen:

Borussia: ter Stegen; Jantschke, Dante, Brouwers, Daems; Herrmann, Neustädter, Nordtveit, Arango; Hanke, de Camargo

Kaiserslautern: Trapp; Dick, Simunek, Rodnei, Jessen; Sahan, Tiffert, Borysiuk, Kirch; Wagner, Shechter

SEITENWAHL-Meinung

Michael Heinen: Borussia setzt ihre Erfolgsserie fort und gewinnt auch in Kaiserslautern durch einen Elfmeter von Filip Daems.

Thomas Häcki: Nullnummer am Betzenberg. Nichts, was in Erinnerung bleibt. Ob das ein Rückschlag im Meisterschaftsrennen war? Sind Sie verrückt?

Christian Heimanns: Auch in Kaiserslautern gibt es eine längere Negativserie zu archivieren und Favre killt sie alle. Wenn die Borussen sich der zu erwartenden Pfälzer Zweikampfführung entgegenstellen können, gibt es einen 2:0  Erfolg.

 

Christoph Clausen: Man muss bis in die vierte Liga hinabesteigen, um Vereine zu finden, die noch weniger Saisontore erzielt haben als der 1. FC Kaiserslautern. In Magdeburg und Koblenz wird man fündig. Die Lauterer Offensive bringt die beste Abwehr Europas also nicht zum Zittern. Die sechstbeste Abwehr der Liga ist vielleicht schon eher ein Problem, vor allem, wenn Reus fehlt. Was soll's: Die Borussia hat in dieser Saison schon so oft positiv überrascht. Am Samstag zeigt sie, dass sie aus Frei- und Augsburg gelernt hat, und kehrt mit einem zwar umkämpften, letztlich aber souveränen 2:0 aus der Pfalz zurück.

 

Christian Spoo: 0:1 in Freiburg, 0:1 in Augsburg. Daraus hat Borussia gelernt und macht es etwas besser. Das Spiel endet 1:1.