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„Jetzt müssen wir nicht mehr rechnen“. Diese SMS eines Leidensgenossen erreichte mich in einer der schwärzesten Stunden meines Borussen-Fandaseins. Borussia hatte gerade beim Angstgegner Mainz 05 verloren. Kurz vor Schluss hatte André Schürrle mit einem Gewaltschuss die Gladbacher Träume vom Klassenerhalt beendet. Natürlich in Mainz, wo Borussia regelmäßig Klatschen kassierte, natürlich kurz vor Schluss, natürlich in einer Phase, in der man gerade wieder Hoffnung schöpfen konnte. Mainz! Vermaledeites Drecksloch! Was dann kam, war ein Fußballmärchen. Ein Märchen, das noch nicht zu Ende erzählt ist und in dessem aktuellen Kapitel die Borussenwelt so schön ist, wie selten zuvor, für einen Fan, der die Glanzzeit der 70er altersbedingt knapp verpasst hat. Und an diesem Punkt der Geschichte geht es wieder nach Mainz.

Das 0:1, seinerzeit noch im alten Mainzer Stadion am Bruchweg, war das letzte ernstzunehmende Spiel der Gladbacher in der Rheinland-Pfälzischen (aber weder rheinischen noch pfälzischen) Landeshauptstadt. Danach gab es zwar noch zwei Duelle im neuen Stadion des FSV, allerdings fanden die jeweils am Ende der Spielzeiten 2011/12 und 2012/13 statt. Es ging in beiden Partien um nichts mehr, und die Tatsache, dass im ersten dieser Spiele Tolga Cigerci brillierte und hernach eine Sommerpause lang als die große Hoffnung im Gladbacher Mittelfeld gelten durfte und im zweiten Branimir Hrgota einen Dreierpack nebst versenktem Panenka-Strafstoß erzielen durfte, geben ausreichend Auskunft, was diese Siege zu bedeuten hatten

So ist die Partie am Samstag tatsächlich die erste seit dem vermeintlich letalen Schürrle-Tiefschlag, in der es um etwas geht. Borussia kann und will sich in der Riege der Champions-League-Aspiranten festspielen und kann mit einem Sieg das Überwintern auf Platz vier sichern. Für Mainz gilt es, den Kontakt zu den Euro-League-Plätzen zu halten.

Elf Punkte trennen die beiden Teams in der Tabelle, mit dem aktuellen Punktekonto ist man in Mönchenglabach überglücklich, in Mainz immerhin zufrieden. So jedenfalls äußert sich Trainer Thomas Tuchel. Man habe eine gute Phase, die 20 Punkte seien eine gute Ausgangsposition für die nächsten Aufgaben.

Mainz zuhause, das ist in dieser Saison eine Wundertüte. Vier Siege, drei Niederlagen, ein Unentschieden. Die Arena auf der grünen Wiese außerhalb der Stadt ist keine uneinnehmbare Festung. Zuletzt konnte Borussia Dortmund drei Punkte mitnehmen, mit Wolfsburg geriet aber durchaus schon ein potenzielles Spitzenteam unter die Räder. Gemessen an den Befürchtungen angesichts des Verlustes einiger Leistungsträger vorder Saison läuft es in Mainz im Grunde ausgezeichnet. Mit Shinyi Okazaki, Joo-Ho Park und Johannes Geis schlugen drei Neuverpflichtungen richtig ein, so dass man Spieler wie Kirchhoff, Szalai oder Caligiuri kaum vermisst.

Wenn es im Mainzer Kader eine offene Position gibt, ist das fast schon traditionell die des Torwarts. Seit Jahren konkurrieren mit Heinz Müller und Christian Wetklo zwei einigermaßen gleichwertige Keeper um die Stammposition. Als nun Müller verletzt passen musste und alle Welt den Standardwechsel zu Wetklo erwartete, überraschte Thomas Tuchel, indem er Nachwuchstorwart Loris Karius das Vertrauen schenkte – was dieser dem Trainer postwendend durch ordentliche Leistungen dankte. Christian Wetklo allerdings sieht sich in seinem Gewohnheitsrecht verletzt und strich sich vor dem Auswärtsspiel in Nürnberg kurzerhand selbst aus dem Kader. Offizielle Begründung: der Torwart der zweiten Mannschaft, Christian Mathenia, solle die Gelegenheit bekommen, die Kaderprämie einzustreichen. So viel Altruismus ist der Mainzer Vereinsführung nachvollziehbarerweise suspekt. Die Zeit des Christian Wetklo in Mainz scheint spätestens zum Ende dieser Saison abgelaufen.

Das gilt auch für den früheren Natinalspieler Malki Fahti und den vermeintlichen Top-Einkauf der vergangenen Saison, Chinedu-Ede. Dass Mainz erwägt, diese Spieler im Winter abzugeben, zeigt: der aktuelle Kader mit  vielen jungen Spielern ist in der Bundesliga vollauf konkurrenzfähig. Das spürt derzeit auch Bo Svensson. Der frühere Borusse, lange Jahre unangefochtener Abwehrchef und zweitdienstältester Spieler im Mainzer Kader, hat seinen Stammplatz an den jungen Stefan Bell verloren.

Im Vergleich zum Auswärts-Remis in Nürnberg kann Thomas Tuchel wieder auf Elkin Soto zurückgreifen, so dass die Stammformation der letzten Spiele wieder beisammen ist. Dem zweiten Ex-Gladbacher in Mainz, Yunnus Malli, bleibt deswegen voraussichtlich nur der Platz auf der Bank

Borussias Team stellt sich nach den Erfolgen der vergangenen Wochen quasi von alleine auf. Dass Granit Xhakas Nase läuft, sollte bis Samstag kein Problem mehr darstellen, Lucien Favre geht davon aus, dass es für den Schweizer reicht. Für Spieler wie Nordtveit oder Brouwers mag das traurig sein, aber die vermeintliche Not-Abwehr hat sich als Bollwerk erwiesen – trotz des etwas ungestümen Einsteigens von Julian Korb vor dem Elfmeter gegen Schalke dürfte Lucien Favre im Traum nicht daran denken, die Defensivformation zu ändern. Schon jetzt darf man gespannt sein, wie sich das darstellt, wenn Alvaro Dominguez wieder spielfit ist. Der Spanier ist wieder im Mannschaftstraining, zum Rückrundenauftakt gegen Bayern dürfte er einsatzbereit sein. Sollte das Team bis dahin immer noch ein stets gewinnendes geblieben sein, dürfte sich selbst der vermeintliche Abwehrchef auf der Bank wiederfinden.

Aber bei Borussia denkt man seit Februar 2011 prinzipiell und erfolgreich nur von Spiel zu Spiel, deswegen spielen solche Gedanken heute keine Rolle, sondern nur die Frage, ob die Mannschaft es schafft, das dritte Auswärtsspiel in Folge zu gewinnen. Um die Erinnerung an eine der schwärzesten Stunden meines Borussen-Fandaseins weiter verblassen zu lassen.

 

Aufstellungen

Mainz: Karius – Pospech, Bell, Noveski, Park – Geis, Soto – Müller, Zimling, Choupo-Moting – Okazaki

Borussia: ter Stegen – Korb, Jantschke, Stranzl, Wendt – Kramer, Xhaka – Arango, Herrmann – Raffael, Kruse

Schiedsrichter: Markus Schmidt

 

SEITENWAHL-Prognose

Christoph Clausen: Zweckpessimistisch tippen hat zuletzt gut geklappt. Also auch diesmal: Borussia kommt in Mainz über ein 1:1 nicht hinaus.

Thomas Häcki: Es ist wie bei „Findet Nemo“. Gladbach ruft laut „Mainz“ und schnappt sich die Punkte. 2:0

Michael Heinen: Irgendwann geht jede Serie einmal zuende. Aber doch nicht gerade Borussias Siegesserie. Und vor allem nicht so früh. Für ein 2:1 in Mainz muss es ganz einfach irgendwie noch reichen.

Christian Spoo: nun wollen wir mal nicht unbescheiden werden. Das 1:1 in Mainz ist ein durchaus respektables Ergebnis, das alle Möglichkeiten offen hält.

 

Christian Heimanns: Wachsen Bäume in den Himmel? Gewinnt Borussia noch ein Mal? Nein, aber das 2:2 in Mainz ist ein brauchbares Ergebnis und die Gehölze bleiben bodennah.