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SC FreiburgIm Radio war letzte Woche zu hören, ein heiratswilliges Paar habe sich während einer Achterbahnfahrt das Ja-Wort zugebrüllt. Über den Hintergrund erfuhr man nichts Genaueres, aber der Verdacht liegt nahe, dass die Achterbahn das rasante Auf und Ab im Leben zu zweit versinnbildlichen sollte. Dem jungen Glück sei von dieser Stelle alles Gute gewünscht, aber ob es in Sachen Symbolik gut beraten war, mag man bezweifeln. Schließlich sind die meisten Achterbahnfahrten schnell vorbei, und manch einem ist hinterher speiübel. Auf der anderen Seite ist Auf und Ab natürlich besser als gar kein Auf. Das dürften auch die zwei Teams so sehen, die am Sonntag in Freiburg gegeneinander antreten und mit Achterbahnfahrten Erfahrungen haben.


Dabei war Borussia Spezialistin dafür, in ein und demselben Spiel hoch zu steigen und tief zu fallen, wie in Bochum und gegen Hoffenheim zu besichtigen. Im steilen Zickzack verlief auch die Kurve der Gladbacher Tabellenplätze: Von 6 auf 4 auf 10 auf 5 auf 9 auf 10. Zuletzt mehr Zack, Zeit also für ein neues Zick.

 

SC Freiburg

 

Die Freiburger Achterbahn war zu besichtigen in einem Spiel, in der Saison, in dieser Woche. In einem Spiel: Hier vor allem in der Heimpartie gegen Leverkusen, als man die Werkself zwar spielerisch lange fast nach Belieben dominierte, es am Ende aber in Form einer 0:5-Schlappe schmerzhaft zackte. In der Saison: Starke Spiele mit geringer Punktausbeute (Hamburg, Leverkusen, Schalke) wurden gefolgt von einem Überraschungssieg auf Schalke, einem schwachen Remis gegen Frankfurt und einem ein souveräner Erfolg in Berlin. In dieser Woche: Auf das vor allem in dieser Höhe unerwartete 4:0 bei der Hertha folgte das Pokalaus in Augsburg.

 

Wobei: Dass der SC es überhaupt auf so viel Auf gebracht hat, verdient hohe Anerkennung, gerade in Anbetracht der extrem begrenzten Mittel. Die Hoffenheim-Jubelei, das Gerede vom „Wunder“ und dem „märchenhaften Aufstieg“, ist ja auch deshalb so nervtötend, weil diese Denkweise eine Geringschätzung der Leistung finanzschwächerer Clubs impliziert, auch wenn das den Bejublern nicht klar sein mag. Denn je mehr man das durchdachte Konzept der TSG-Führung betont und die Bedeutung ihrer Millionen herunterspielt, umso mehr suggeriert man, vielleicht ungewollt, dass weniger erfolgreiche Clubs auch weniger intelligente Konzepte haben. „Geld haben ist eins. Es sinnvoll zu investieren, etwas völlig anderes“. Ja, Bruno Labbadia, stimmt schon, ebenso wie die Variation: „Einen Porsche haben ist eins. Ihn fahren zu können, etwas völlig anderes.“ Und sicher, manch ein Geisterfahrer hat seinen Porsche schon gegen die Wand gefahren. Aber muss man deshalb in unkontrollierte Verzückung ausbrechen, wenn einer mit dem vom reichen Spendieronkel geschenkten Porsche den Trabbis und VW-Käfern davonfährt? Und könnte es nicht, bei Lichte betrachtet,  bemerkenswerter sein, wie gut manch weniger reich Beschenkte selbst mit seinem Käfern noch fährt?

Die Art und Weise, wie der FC St. Pauli trotz minimaler Ressourcen derzeit in der zweiten Liga auftritt, liefert dafür ein schönes Beispiel, und auch die Freiburger könnte man nennen. Beispiel Innenverteidigersuche: In der letzten Saison entwickelte sich der aus der eigenen Jugend gekommene Ömer Toprak zum einem der hoffnungsvollsten Verteidiger, den der deutsche Fußball zu bieten hat. Als sich Toprak im Sommer so schwer verletzte, dass selbst sein Karriereende nicht ausgeschlossen werden kann, hätte man beim SC sicher auch gern sieben Millionen für einen Jo Simunic gehabt. Tatsächlich kostete die Freiburger Sparvariante nur ein Achtunzwanzigstel dieser Summe: Felix Bastians wurde im SEITENWAHL-Bundesligacheck vor der Saison als Beispiel dafür angeführt, welch kleine Brötchen man als Aufsteiger backen muss, wenn man keinen Milliardär zum Freund hat. Bastians aber sprengte bald alle Backformen und überzeugte in der Innenverteidigung so sehr, dass Robin Dutt es sich leisten konnte, Heiko Butscher weiter links außen verteidigen zu lassen, anstatt ihn zurück ins Zentrum zu ziehen.

Lässt man ihm Raum, setzt Butscher gern zu gefährlichen Flankenläufen an, wie sich auch sein Pendant auf der anderen Seite, der einstige Stürmer Du-Ri Cha, oft in die Offensive einschaltet. Prunkstück des Freiburger Spiels ist aber das defensive Mittelfeld, bei dem Dutt aus den drei Optionen Schuster, Flum und Banovic jeweils zwei auswählen muss. Der bundesligaerfahrene Banovic hat dabei seine ganz eigene Achterbahnfahrt erlebt, die ihn vom Schlüsselspieler (vorletzte Saison) zum Bankdrücker (letzte Saison) und wieder zum Schlüsselspieler (diese Saison) werden ließ. Vor allem beim 4:0-Erfolg vor einer Woche in Berlin spielte Banovic mit zwei Toren und einem Assist groß auf. In der letzten Zweitligasaison war noch Julian Schuster für überragende Spiele zuständig, aktuell aber wird er seinen Platz für den wieder genesenen Johannes Flum räumen müssen. Flum, auch er ein Freiburger Eigengewächs, war vor der letzten Saison als Perspektivspieler aus Pfullendorf zurückgeholt worden, hatte sich aber weit über alle Erwartungen des Trainerstabs hinaus entwickelt.

Der Freiburger Offensive mangelt es nicht an Spielfreude, wohl aber an Effizienz. Abdessadki trat schon letzte Saison eher als Vorbereiter denn als Vollender in Erscheinung, und der letztjährige Zweitligatorschützenkönig Cedrick Makiadi brachte es in dieser Spielzeit auch erst auf einen Treffer. Dennoch werden wohl diese beiden wieder auf den offensiven Außenbahnen beginnen, zumal Jonathan Jäger weiter verletzt ausfällt. Im Sturm konnte Stefan Reisinger bei seinem ersten Saisoneinsatz in der Startelf gegen Augsburg nicht für sich werben. So spricht viel dafür, dass Dutt in der Offensive wieder auf das Siegerteam von Berlin zurückgreifen und Tommy Bechmann and der Seite von Mohamadou Idrissou stürmen lassen wird. Idrissou, mit drei Treffern aktuell erfolgreichster Freiburger Schütze, könnte den SC zur neuen Saison ablösefrei verlassen. Aus Schalke wird bereits lebhaftes Interesse vermeldet.

In der letzten Spielzeit war der SC zu Hause und auswärts gleichermaßen erfolgreich, aktuell zeigt die Mannschaft auswärts konterstark und daheim auskonterbar. Daher: Sieben Tore auswärts, nur eines daheim. Sechs Punkte auswärts, nur einer daheim. Vierter Platz in der Auswärtstabelle, vor Bayern, dem HSV und Hoffenheim, letzter daheim. Gut, dass der SC am Sonntag zu Hause spielt, könnte man meinen, hätte sich die Borussia in solchen Situationen nicht allzu oft schon als Aufbaugegner erwiesen.

Borussia

Vielleicht hat ja das Ausscheiden sieben weiterer Bundesligisten ein wenig dazu beigetragen, die Hysterie nach der ebenso ärgerlichen wie unnötigen Pleite gegen Duisburg zu relativieren. Trotz dreier Pflichtspielniederlagen in Folge stehen angesichts der Freiburger Heimschwäche die Chancen auf einen einfachen oder gar dreifachen Punktgewinn im Breisgau so schlecht nicht. Allerdings sollte auf der Gladbacher "To do"-Liste der Punkt „Kein frühes Gegentor“ ziemlich weit oben stehen. Denn wenn der SC in Führung geht, könnte sich das Dutt-Team zurückziehen, wie der 1. FC Nürnberg vor zwei Wochen, und sein geliebtes Konterspiel aufziehen.

 

Michael Frontzeck kündigte vor der Partie Änderungen an, taktischer wie personeller Natur, hielt sich zu Details aber bedeckt. Jaurès wegen seines Verhaltens beim Duisburger Gegentor herauszupicken, ist zwar nicht ganz fair, denn die Ordnung ging vorher generell verloren. Dennoch muss der Franzose als erster Streichkandidat gelten. Im Mittelfeld seht Thorben Marx wieder zur Verfügung, und auch wenn sich Frontzeck diesbezüglich nicht festlegen wollte, so wäre es doch eine Überraschung, sollte er nicht in die Startelf zurückkehren. Michael Bradley wird dann wieder auf die Bank zurückkehren, es sei denn, Frontzeck opfert vorne einen Stürmer, um im Mittelfeld mit Meeuwis, Marx und Bradley zu spielen. Bleibt es bei zwei Stürmern, spräche manches dafür, diesmal Rob Friend neben Raul Bobadilla auf Torejagd gehen zu lassen. Eine mutige, aber nicht ganz risikolose Entscheidung wäre es, Marko Reus erstmals von Beginn an zu bringen.

 

Aufstellungen

SC Freiburg: Pouplin – Du-Ri Cha, Krmas, Bastians, Butscher – Banovic, Flum – Abdessadki, Makiadi – Bechmann, Idrissou.

Borussia M’gladbach: Bailly – Stalteri, Brouwers, Dante, Levels – Meeuwis, Marx – Matmour, Arango – Colautti, Bobadilla.

SEITENWAHL-Meinung

Christoph Clausen: Geht der SC früh in Führung, würde ich auf die Borussia nicht mehr wetten. Geht die Borussia in Führung, könnte das bei cleverer Spielweise zu einem Sieg reichen. Da die Borussia in dieser Saison aber noch nicht clever ist, wird man danach wieder in phasenweise Konfusion verfallen. Am Ende könnte ein 1:1 stehen.

Mike Lukanz: 16 von 18 Bundesligisten wären in der Lage, trotz Krise in Freiburg zu gewinnen, Borussia nicht. 2:0 für den Gastgeber.

Michael Heinen: Die obligatorische Herbst-Krise hat Mönchengladbach mal wieder erreicht. Durch die 1:2-Niederlage in Freiburg stürzt Borussia endgültig in den Abstiegskampf und steht vor dem anstehenden Heimspiel gegen Dortmund gehörig unter Druck.

Christian Spoo: Eine völlig verunsicherte Borussia ist gegen das schnelle Spiel der Freiburger chancenlos. Es setzt die dritte Niederlage in Folge (die vierte, wenn man das Pokalspiel einrechnet). Freiburg gewinnt auch in der Höhe verdient mit 3:0.

Christian Heimanns: Borussia siegt mit 2:1.

Thomas Häcki: Nach der großen Pokal-Blamage steht die Mannschaft wieder einmal frühzeitig mit dem Rücken zur Wand. Dabei waren die Ansätze bis Dienstag durchaus positiv. Ebenso konnte aber jeder erkennen, dass die neue Borussia noch Zeit braucht um zu wachsen. Zeit ist aber ein Luxus, der nur selten gewährt wird. Und so fahren verunsicherte Fohlen nach Freiburg, wo sie mit 0:3 untergehen. Helfen wird es leider nur der Konkurrenz.