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{mosimage}Indiskutabel. Man mochte Tobias Levels nicht widersprechen, wobei die Wortwahl die interessante semantische Frage aufwarf, ob das Gegenteil einer indiskutablen Leistung eine diskutable ist. Unstrittig ist: Letzten Samstag fielen die Borussen in spielerisch längst überwunden geglaubte Abgründe zurück. Die Abwehr gab sich Mühe, leistete bei den Gegentoren aber nur höflichen Geleitschutz. Im Mittelfeld fand man sich in Ballnähe permanent in Unterzahl wieder, als hätte es Platzverweise gehagelt. Und jede Dermatologen-Konferenz sorgt für mehr Nervenkitzel als am letzten Samstag die Gladbacher Offensive.

Borussia

Das wäre leichter zu verschmerzen gewesen, hätte man am Wochenende zuvor seine Hausaufgaben gemacht. Es mutet wie eine Ironie des Spielplans an, dass das Unentschieden gegen Freiburg eingerahmt wurde von zwei Niederlagen der Breisgauer gegen Berlin und Hannover: Gegner also, die mit Siegen so vertraut sind wie Guido Westerwelle mit Dankesschreiben der Gewerkschaften. Freiburg im freien Fall: Dass es da ausgerechnet für die Borussia nur zu einem Punkt reichte, konnte man immerhin mit der extrem defensiven Ausrichtung des Gegners erklären. Künftig, so die Hoffnung, werde man wieder mehr Räume haben. Dass man sich die aber auch gegen offensivere Gegner erarbeiten und dann etwas Gescheites damit anfangen muss, war in Dortmund zu besichtigen.

Man kann all das deutlich benennen, und braucht doch nicht jene Hysterie verfallen, zu der ein Teil der Internetgemeinde in solchen Situationen neigt. Es ist angesichts der vielen sehr ordentlichen Auftritte in dieser Saison albern, reihenweise Spielern die Bundesligatauglichkeit abzusprechen. Es ist albern, den Austausch der halben Mannschaft zu fordern. Und es ist albern, überzogene Abstiegsängste zu schüren – bei zehn Punkten Vorsprung auf Rang 16.

Gleichwohl: Richtungsweisenden Charakter hat die Partie gegen den deutschen Meister durchaus. Ein Nürnberger Sieg in Berlin ist nicht unwahrscheinlich, und auch die neu beflügelten Hannoveraner könnten der Frankfurter Eintracht durchaus deren dritte Niederlage in Folge zufügen. Bleibt zugleich die Borussia wieder punktlos, dann würde wohl das Abstiegsgespenst, das in den Katakomben des Borussiaparks haust und sich schon arbeitslos wähnte, zumindest mal wieder seine Spukgewänder auslüften – man weiß ja nie.

Mindestens ebenso wichtig wie das Ergebnis ist aber das Auftreten der Mannschaft: Wiederholt sie ihre konfuse Vorstellung der letzten Woche und vergeigt sie anschließend gar das rheinische Derby, dann könnte sie einen erheblichen Teil jenes Kredits verspielen, den sie sich zuvor so redlich verdient hat.

Natürlich bot die Partie in Dortmund Anlass, über personelle Wechsel nachzudenken: Vor allem Bradley und Colautti kämen für eine Pause in Frage, Meeuwis laut Michael Frontzeck aktuell nicht. Es wäre aber auch nicht überraschend, wenn der Trainer letztlich doch der gleichen Startelf wie letzte Woche die Chance zur Wiedergutmachung gibt. Gelingt diese, so winkt der Sprung auf Rang zehn. Und dann werden die ersten Fans schon wieder von der Europaliga reden.

Der Gast aus Wolfsburg


In der spielte zwei Tage vor der Partie der VfL Wolfsburg. Was zweierlei verdeutlicht: Zum einen, dass die Wolfsburger in dieser Saison hinter den eigenen Erwartungen zurückblieben. Als aktueller deutscher Meister hätte man sich wohl ein Weiterkommen in der Champions-League vorgestellt. Zum anderen aber, dass der VfL sich inzwischen wieder berappelt. Vor allem das furiose 4:1 gegen den FC Villareal, mit dem der Einzug ins Achtelfinale sichergestellt wurde, erinnerte streckenweise wieder an die Meistersaison.

Vor der Saison stellte sich in Wolfsburg die Frage, die sich allen deutschen Meistern, außer vielleicht den daran gewöhnten Bayern stellt: Wie lässt sich ein Absturz in der Folgesaison verhindern? In Wolfsburg stellte sie sich durch Felix Magaths Abgang besonders eindringlich. Man antwortete, wie das so Wolfsburger Art, mit viel Geld: Obafemi Martins für über zehn Millionen, Karim Ziani für sieben, Thomas Kahlenberg für fast vier. In der Winterpause legte man noch mal noch fünf Millionen für den jungen brasilianischen Innenverteidiger Revers oben drauf. Der kam verletzt und ist, obwohl wieder im Training, noch nicht einsatzfähig. Auch andere Neuzugänge machten den Ärzten Arbeit: Kahlenberg laborierte länger mit Hüftproblemen; Martins wurde wegen einer verschleppten Schienbeinentzündung im November operiert.

Immerhin konnte der Nigerianer bei seinen elf Saisoneinsätzen andeuten, warum er geholt wurde. Respektable sechs Tore erzielte der schnelle, für das Konterspiel prädestinierte Stürmer, obschon er nur viermal von Beginn an auflief. Ziani, Karim Matmours Kollege in der algerischen Nationalmannschaft, zeigte einzig in Bremen eine starke Leistung, enttäuschte ansonsten aber weitgehend und kam in der Rückrunde nicht einmal mehr zu Kurzeinsätzen. Das gilt auch für den dänischen Nationalspieler Kahlenberg, der in der Partie gegen Dortmund durch eine Auswechslung bereits nach 22 Minuten geradezu gedemütigt wurde.

Die durchwachsene Bilanz der Neuzugänge spiegelt sich in der enttäuschenden Platzierung in der Liga: Die obere Tabellenhälfte hat der deutsche Meister in der Rückrunde nie betreten. Immerhin wurden die letzten drei Partien alle gewonnen, nach zuvor zehn sieglosen Spielen in Serie. Allerdings konnte man sich bei Hannover 96 für das Auslassen bester Torchancen bedanken. Und gegen Bochum hatten die Wölfe gut eine Stunde lang große Mühen, ehe in der Schlussphase doch noch ein deutlicher 4:1-Erfolg herausgeschossen wurde.

Offensiv spielt Wolfsburg um die Meisterschaft, defensiv gegen den Abstieg: Nur zwei Mannschaften haben mehr Tore erzielt als die Niedersachsen, aber auch nur zwei mehr kassiert. Da trifft es sich aus Wolfsburger Sicht schlecht, dass man gerade in der Abwehr mit Verletzungssorgen zu tun hat. Dabei kann man den Ausfall von Torhüter Benaglio noch verkraften, solange Marwin Hitz weiter so ordentlich spielt wie zuletzt. Schwerer wiegt der Engpass in der Innenverteidigung: Barzagli wird seinen geprellten Rücken vermutlich auch bis Samstag nicht auskuriert haben. Immerhin hoffen die Wolfsburger, dass Jan Simunek bis dahin wieder an der Seite Alexander Madlungs spielen kann – dem Mann, der so oft gegen Gladbach trifft und so selten gegen andere Gegner. Fällt Simunek doch weiter aus, wird Sascha Riether wie am Donnerstag gegen Rubin Kasan in der Innenverteidigung aushelfen. Außen in der Viererkette werden Peter Pekarik und Marcel Schäfer spielen. Dass man auf die Flankenläufe des Letzteren ein waches Auge haben muss, dürfte bekannt sein.

In aller Regel spielen in der Wolfsburger Mittelfeldraute Josué und Misimovic zentral und Riether und Gentner auf den Flügeln. Speziell Riether ist die Konstante im Wolfsburger Spiel: Der Ex-Freiburger, an dem einst auch die Borussia Interesse hatte, durfte in dieser Bundesligasaison nur vier Minuten lang nicht mitspielen. Wird er in der Innenverteidigung gebraucht, so dürfte ihn im Mittelfeld erneut der japanische Nationalspieler Makoto Hasebe ersetzen, eine allerdings defensivere Variante.

Weil es zu anstrengend wäre, sich immer neue Begriffe auszudenken, mögen Journalisten das verbale Recycling. Als gut geeignet erwies sich das Wort vom „magischen Dreieck“, das ursprünglich auf Balakov-Elber-Bobic gemünzt wurde, im Herbst auf Hunt-Özil-Marin, letzte Spielzeit auf Misimovic-Grafite-Dzeko. Dass man Letzteres in dieser Saison nicht mehr so oft liest, liegt vor allem an Grafites nachlassender Zielgenauigkeit. Dabei sind acht Tore ja immer noch respektabel. Um am Ende aber den Wert der Vorsaison einzustellen, müsste der Brasilianer noch zwanzig Treffer nachlegen. Unvermindert effektiv ist Edin Dzeko, gemeinsam mit Stefan Kießling aktuell Topscorer der Liga. Sorge bereitet den Wolfsburgern indes der immer wieder kolportierte Flirt mit dem AC Mailand in Verbindung mit einer Ausstiegsklausel. Dass die eine Zahlung von 40 Millionen Euro beinhaltet, macht wiederum den Verbleib in Wolfsburg wahrscheinlicher. Lorenz-Günther Köstner überschüttete den Bosnier vorsorglich mit Elogen und rief ihn zum „kommenden Weltfußballer des Jahres“ aus.

An Misimovic schließlich entzünden sich Kontroversen. Er erreichte zwar nicht mehr die überragende Scorerquote der letzten Saison, aber sieben Tore und sieben Assists sind für einen offensiven Mittelfeldspieler immer noch sehr ansehnlich. Dass man Misimovic auch außerhalb des Strafraums möglichst nicht zum Schuss kommen sollte, illustrierte die Partie in Kasan, als er nicht nur das 1:1 aus der Distanz erzielte, sondern mit einem weiteren Fernschuss die Latte traf. Kritiker werfen dem Bosnier allerdings mangelnde Bereitschaft zur Laufarbeit auch in der Defensive vor. Irritationen gab es zuletzt auch über Wechselgerüchte, wobei Felix Magaths Schalker genannt wurden.

Gegen Kasan fiel Grafite wegen Adduktorenproblemen aus; auch sein Einsatz am Samstag ist ungewiss. Widrigenfalls würde Martins statt seiner stürmen. Zudem trainierte unter der Woche vorsorglich Amateur Mike Könnecke bei den Profis mit, der in der Regionalliga Nord in dieser Saison immerhin zwölfmal getroffen hat. Käme er zu seinem Profi-Debüt, dann hätte sich der VfL Wolfsburg immerhin in einer Hinsicht weiterentwickelt: Es hätte dann der dritte gebürtige Wolfsburger in der Geschichte des Vereins Bundesligaluft geschnuppert.

Aufstellungen


Borussia:
Bailly – Levels, Brouwers, Dante, Daems – Meeuwis, Jantschke – Reus, Arango – Friend, Bobadilla.

VfL Wolfsburg:
Hitz – Pekarik, Madlung, Simunek, Schäfer – Josué – Riether, Gentner – Dzeko, Grafite.

Schiedsrichter:
Günther Perl (Pullach)
Assistenten: Georg Schalk (Augsburg), Josef Maier (München)
Vierter Offizieller: Alexander Schlutius (Lingenfeld)

SEITENWAHL-Meinung

Christoph Clausen:
Nimmt man die bisherigen Auftritte der Wolfsburger zum Maßstab, sollte ein torreiches Spiel zu erwarten sein. In der Hoffnung, dass die Borussen zu den vier Toren auch zwei beitragen, tippe ich auf Unentschieden.

Mike Lukanz: Nach der 1:2-Heimniederlage gegen Wolfsburg steigt die Nervösität in Mönchengladbach weiter. Und damit erhält das Derby in der kommenden Woche wieder einmal eine besondere Brisanz.

Christian Spoo: Wiedererstarkte Wolfsburger gastieren bei verunsicherten Gladbachern. Borussia findet kein probates Mittel gegen die Offensive des Noch-Meisters und verliert verdient mit 1:3.

Thomas Häcki: Irgendwie fehlte in den letzten Spielen der Biss. Trainer Michael Frontzeck könnte das zum Anlass nehmen, dem ein oder anderen Akteur eine Ruhepause zu gönnen. Wolfsburg zeigte zuletzt nach einer bislang entäuschenden Saison aufsteigende Form. Mit dem 1:1 können letztendlich beide Teams leben.