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Werder BremenEs mag so gegen halb elf Uhr abends gewesen sein. Der Kalender zeigte Samstag, den 18. März 1995. Auf dem Bildschirm flimmerte Fußball. Im „Aktuellen Sportstudio“ wurde die Partie vom Abend zuvor zusammengefasst: Gladbach gegen Werder, Endstand 2:0, nach Toren von Dahlin und Herrlich, beide vorbereitet durch den überragenden Peter Nielsen. Am Ende dieses 22. Spieltags stand die Borussia auf dem dritten Tabellenplatz, vor ihr nur noch die soeben besiegten Bremer und die Namensvetter aus Dortmund. Ob aus heimlicher Sympathie, ob beeindruckt von der Leistung des Abends, es schwang ein kaum verhohlener Unterton der Befriedigung in der Stimme des Reporters mit, als er bilanzierte: "Borussia Mönchengladbach ist wieder wer".

 

Fast sechzehn Jahre später kann man dies mit ähnlichem Recht aussprechen. "Duell der Stars", "Spitzenspiel", "Gipfeltreffen" raunen die Schlagzeilen und meinen damit nicht nur das Spiel Bayern gegen Dortmund. Es ist kaum zu begreifen, dass gerade einmal acht Monate vergangen sind, seitdem sich Gladbach und Werder im Abstiegskampf gegenüberstanden.

 

In die Partie des Dritten gegen den Vierten wird die Borussia vermutlich in unveränderter Aufstellung gehen. Bobadillas zwei Tore gegen einen Drittligisten mögen seinen Status als erste Einwechseloption gefestigt haben, mehr bislang aber nicht. So reduziert sich die Spannung über die Startaufstellung auf die Frage, ob Marx zuerst aufs Feld darf oder doch Nordtveit.

 

Abseits des Platzes ist Max Eberl schon weiter als sein Vorbild in Sachen Kontinuität. Die meisten Leistungsträger haben langfristige Verträge, wenn auch zumindest in einem Fall mit einer schmerzhaften Ausstiegsklausel. Marc-André ter Stegen hat seinen Kontrakt soeben verlängert, Roel Brouwers wird wohl zeitnah folgen.

 

Derweil ist in Bremen vieles offen, darunter der Verbleib des Duos Allofs / Schaaf. Der Sportdirektor, so heißt es, war von dem neuen Vertragsangebot mit deutlich leistungsabhängigeren Konditionen wenig entzückt. Eine Entscheidung wird erst für das kommende Jahr erwartet. Eine Tendenz wollte Allofs nicht andeuten. Auch Schaaf hält sich bedeckt. Seine Entscheidung erschweren mag die Ungewissheit über das künftige Gesicht des Kaders: Nach aktuellem Stand könnten gleich 13 Spieler den Verein im Sommer ablösefrei verlassen, darunter so wichtige wie Wiese, Prödl, Sokratis, Fritz, Borowski, Rosenberg und Pizarro. Immerhin: Den ausgeliehenen Sokratis durch Ziehen der Kaufoption zu halten, liegt in Werders Hand.

 

Kurzfristig muss Schaaf neben den dauerlädierten Borowski und Boenisch auch auf Naldo verzichten. Nach dem gestrigen Training, das der Brasilianer problemlos absolviert hatte, war die Hoffnung auf seinen Einsatz noch groß gewesen. Danach aber schlug seine Bronchitis erneut zu, so dass Naldo nach Gladbach gar nicht erst mitfährt. Für die Bremer bedeutet das eine empfindliche Schwächung. Die Talfahrt der letzten Saison war maßgeblich auch mit der Langzeitverletzung Naldos begründet worden. In dieser Spielzeit schien der 29-jährige dagegen an einstige Glanzvorstellungen anknüpfen zu können. Manche wollten gar „den besten Naldo aller Zeiten“ entdeckt haben.

 

Statt seiner wird am Samstag nun erneut Andreas Wolf an der Seite Sebastian Prödls verteidigen. Wolf, im Sommer ablösefrei aus Nürnberg gekommen, führte sich zwar zunächst ordentlich ein. Gegen Augsburg verschuldete er dann aber durch einen katastrophalen Fehler den Gegentreffer. Auch wenn er hinterher per Kopf Pizarros Ausgleich vorbereitete, fand er sich seitdem auf der Bank wieder und wurde lediglich in Mainz noch einmal kurz vor Schluss eingewechselt.

 

Von Hause aus Innenverteidiger ist auch Sokratis, der in Bremen allerdings zum rechten Glied der Viererkette umfunktioniert wurde. Diese Aufgabe erledigt der Grieche defensiv gut, durch beherzte Flankenläufe tritt er indes weniger in Erscheinung. Seine möglichen Pendants auf der linken Seite, Schmitz oder Ignjovski, zeigten sich offensiv zwar bemühter, bislang aber meist glücklos. Offensivstarke Außenverteidiger gehörten traditionell zum Arsenal der erfolgreichsten Werder-Teams. Aktuell ist diese Klinge stumpf.

 

Nur gelegentliche offensive Akzente gehen auch von der Sechserposition aus. Zuletzt gefiel hier Ignjovski zwar als bissiger Abräumer, nach vorne aber blieb bei ihm manches Stückwerk. Gegen Gladbach könnte Ignjovski ohnehin wieder nach hinten links rücken und Bargfrede seinen Platz einnehmen. Das Bremer Eigengewächs kann zurzeit an seine brillante Form von vor zwei Jahren aber nur selten anschließen. Damals war er noch als kommender Nationalspieler gehandelt worden.

 

So ist es vor allem Sache des übrigen Mittelfelds, das Offensivspiel anzukurbeln. In der Zentrale freilich konnten bislang weder Marin noch Ekici in die Fußstapfen Özils treten. Ekici stand zuletzt zweimal in der Startelf, zeigte dabei aber durchwachsene Leistungen und wurde gegen Köln noch vor der Pause ausgewechselt. Marin kam achtmal zum Einsatz, davon allerdings nur einmal über die volle Spielzeit. Seine hartnäckigen Hüftprobleme  hat der Ex-Gladbacher nach eigener Aussage jetzt aber überwunden und ist entsprechend euphorisiert. Der 7,5-Millionen-Einkauf Wesley, in seiner Bremer Anfangsphase noch als großer Wurf der Polyvalenz bejubelt, spielt aktuell keine Rolle mehr und lieferte zuletzt bei der Testspielniederlage gegen Eintracht Braunschweig eine desolate Leistung ab.

 

Eine ganz starke Saison spielen dagegen auf den Halbpositionen Clemens Fritz und Aaron Hunt. Gelänge es, sie zu neutralisieren, dann wäre die Zündschnur zum Bremer Offensivfeuerwerk gekappt. In dem schlugen Arnautovic und Rosenberg mit je drei Toren nur kleinere Funken. Für strahlenden Glanz aber war Claudio Pizarro zuständig. Die Hersteller von Superlativen schieben in Bremen seit Wochen Nachschichten, um mit der Nachfrage Schritt zu halten. Gladbacher, die an Zahlenfolgen glauben, müssten für Samstag Schlimmstes befürchten, denn in den letzten vier Spielen konnte Pizarro seine Torausbeute mit beunruhigender Stetigkeit steigern: Kein Tor gegen Dortmund, eins gegen Augsburg, zwei gegen Mainz, drei gegen Köln. Nur Mario Gomez kann in dieser Saison mehr Bundesligatore verbuchen als der Bremer. So wird manch ein Gladbacher am letzten Spieltag inständig gehofft haben, dass Pizarro sich eine gelbe Karte abholen möge – es wäre seine fünfte gewesen.

 

Wer gegen Werder in Führung geht, sollte sich nicht zu früh freuen. Das gelang jedem von Werders sechs letzten Gegnern und insgesamt neun Teams in dieser Saison. Aber nur drei von ihnen verließen am Ende den Platz als Sieger. Die Bremer sind somit unangefochtener Spitzenreiter im Drehen von Spielen, und sie tun es gern auf dramatische Weise. Spiele mit Werderaner Beteiligung waren oft hochspannend, mit vielen Toren und zahlreichen weiteren Chancen auf beiden Seiten, auch mit heiß diskutierten Schiedsrichterentscheidungen.

 

Nach Langeweile sehnt sich daher Thomas Schaaf, genauer, nach einem "langweiligen Sieg". So anspruchsvoll ist man in Gladbach gar nicht. Einen Heimsieg würde man auch nach spannendem Spiel gern mitnehmen. Denn dann könnte es erneut heißen: "Borussia Mönchengladbach ist wieder wer".

 

Aufstellungen:

 

Borussia: ter Stegen – Jantschke, Stranzl, Dante, Daems – Neustädter, Marx – Herrmann, Arango – Reus, Hanke.
Werder: Wiese – Sokratis, Naldo, Prödl, Ignjovski – Bargfrede – Hunt, Fritz – Marin – Rosenberg, Pizarro.

Schiedsrichter: Dr. Brych.
Assistenten: Hofmann, Achmüller.
Vierter Offizieller: Kleve.

 

SEITENWAHL-Meinung:

 

Christoph Clausen: Ein Heimsieg ist möglich, langweilig wird er aber nicht. Das 2:1 mit obligatorischem Pizarro-Tor muss nach starker Bremer Schlussphase über die Zeit gezittert werden.

 

Thomas Häcki: Borussia siegt mit 2:1.

 

Michael Heinen: Reus trifft, Pizarro auch. Da aber auch Bobadilla sein Tor macht, gewinnt Borussia mit 2:1.

 

Christian Heimanns: 11 Bremer konzentrieren sich 90 Minuten lang ununterbrochen auf Marco Reus, folgen ihm, umringen ihn, stellen ihm die Laufwege zu, schneiden ihn vom Paßspiel ab und fragen ihn nach Autogrammen. Dadurch sollte Mike Hanke die Muße finden, das Spiel zum 1:0 zu entscheiden.

 

Christian Spoo: Ein für Borussenverhältnisse außergewöhnlich torreiches Spiel findet keinen Sieger. 2:2.