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HSVEs ist nicht das erste Mal, dass um ein kümmerliches Etwas an Information ein hysterischer medialer Eiertanz aufgeführt wird. Verkündet wurde Dantes angeblich feststehender Wechsel nach München. Quelle war eine lokale Boulevardzeitung, die dem FC Bayern in brutalstmöglicher Unterwürfigkeit ergeben ist. Noch vor wenigen Monaten prognostizierte sie den unmittelbar bevorstehenden Wechsel von Marco Reus an die Säbener Straße. Die Meldung von Dantes vermeintlichem Wechsel wurde landauf, landab abgeschrieben. Seitdem werden in den einschlägigen Internetforen Interviewfetzen mit größter exegetischer Akribie noch auf feinste semantische Nuancen untersucht. Die drei apokalyptischen Reiter tragen die Namen Bild, Express und tz; gemeinsam prophezeien sie borussisches Heulen und Zähneknirschen.

 

Gemach, gemach. Zwar ist wohl Fakt, dass Borussias wuschelköpfiger Verteidiger eine Ausstiegsklausel ziehen kann. Nicht zuletzt seine Ambitionen in Richtung WM 2014 sprechen dafür, dass er in München bessere Aussichten sehen könnte. Verlässliche Quellen darüber, dass eine Entscheidung schon gefallen ist, gibt es aber nicht. Sollte sie gegen Borussia ausfallen, wäre das zweifelsohne schmerzlich. Fakt ist aber auch, dass Trainer Lucien Favre für die kommende Saison ohne Ausstiegsklausel unter Vertrag steht. Fakt ist, dass das auch für die Stammspieler ter Stegen, Jantschke, Brouwers, Stranzl, Daems, Nordtveit, Herrmann, Hanke, Arango und de Camargo gilt. Fakt ist schließlich, dass im Sommer finanzielle Mittel in Dimensionen bereitstehen werden, wie sie in Borussias Geschichte einzigartig sind. Kein Anlass für Weltuntergangsszenarien also.

 

Dass am Freitag ein Fußballspiel ansteht, geriet zuletzt in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund. Dabei steht, wenn man so will, am Freitagabend ein Spitzenspiel an: Die zweitbeste Heimmannschaft der Liga empfängt den Sechsten der Auswärtstabelle. Die einen sind zuhause noch ungeschlagen, die anderen haben auf fremdem Platz zuletzt Anfang September verloren – noch unter Trainer Michael Oenning.

 

An Oenning wollte man in Hamburg eigentlich zwingend festhalten. Als die Borussen in der Hinrunde in die Hansestadt reisten, da war es auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Allzu vertraut war die Gemengelage: Fast drei Gegentore hatten die Hamburger pro Spiel kassiert und standen am Tabellenende. Trotzig wurden Aufwärtstrends ausgemacht, wurden mildernde Umstände und der Willen zur Kontinuität beschworen. Nach der Heimniederlage gegen Gladbach aber zog man in Hamburg die Reißleine. Nach drei Spielen der Interimslösungen übernahm Thorsten Fink. Dem gelang es in der Hinrunde, die Defensivarbeit des Teams eindrucksvoll zu verbessern: In den acht verbleibenden Partien bis zum Winter kassierten die Hamburger nur noch 6 Gegentore. In den neun Spielen davor waren es noch 21 gewesen. Auch ging die neu gewonnene Stabilität keineswegs zu Lasten der Offensive: Tatsächlich verbesserte sich die eigene Torausbeute sogar minimal.

 

So gesehen weist die Hamburger Entwicklung Ähnlichkeiten auf zu der seit dem Gladbacher Trainerwechsel vor einem Jahr. Allerdings verlief die Hamburger Aufholjagd in Trippelschritten: Die Fink-Truppe entpuppte sich in der Hinrunde als Meister der Unentschieden: Nur zwei der besagten acht Partien wurden gewonnen; in allen anderen kam es zur Punkteteilung.

 

Furioser verlief es seit der Winterpause, mit Ausschlägen in beide Richtungen. Finks erste Bundesliganiederlage als Trainer fiel gleich deftig aus: Zum Rückrundenstart unterlagen die Hamburger zuhause gegen Dortmund mit 1:5. Es folgten Siege in Berlin und Köln, dazwischen ein achtbares Remis gegen die Bayern. Manch ein Hanseat dachte schon an die Europa League. Nach dem 1:3 im Prestigederby gegen Werder Bremen am letzten Wochenende allerdings haben sich solche Träume fürs erste erledigt. Acht Punkte Vorsprung haben die Hamburger zwar auf den Relegationsplatz, acht Punkte Rückstand aber auch auf die europäischen Startplätze. „Wir sind noch nicht so weit“, konstatierte Fink am letzten Wochenende ernüchtert. Die Formulierung ist wie ein Echo aus vergangenen Gladbacher Tagen.

 

Wie sich die Hamburger präsentieren, ist in der Rückrunde schwer vorhersehbar. Gegen Dortmund fiel die zuvor so stabile Defensive in längst überwunden geglaubte Konfusion zurück. Gegen die Bayern stand sie sehr sicher. In Köln zeigten sich die Hamburger offensiv lange ideenlos und gewannen gegen schwache Gastgeber durch ein sehr spätes Tor etwas glücklich. Gegen Bremen erarbeitete sich der HSV viele gute Gelegenheiten und scheiterten mehrfach nur haarscharf. Einerseits hatte die Defensive Werder über weite Strecken gut im Griff, andererseits leistete man sich einzelne krasse und folgenschwere Aussetzer: Beim ersten Tor ließen sich die Hamburger nach Rincons Ballverlust viel zu einfach auskontern. Beim 0:2 sah Drobny nach einem Eckball unglücklich aus. Beim 0:3 unterlief den Innenverteidigern Rajokvic und Westermann ein grotesker Kollektivpatzer, auf einer Stufe mit dem Neuer/Boatengschen Blackout gegen de Camargo am ersten Spieltag.

 

Leichter zu prognostizieren ist die Hamburger Startaufstellung. Mit großer Erleichterung hat man an der Alster vernommen, dass Jaroslav Drobny am Freitag wieder einsatzfähig ist. Wäre er ausgefallen, hätte statt seiner Sven Neuhaus das Tor hüten müssen. Der agierte unter der Woche im Test gegen Kopenhagen wenig souverän und kassierte zwei Treffer. Der andere Ersatztorwart, Tom Mickel, ist zurzeit verletzt. Dank Drobnys Genesung steht einzig hinter dem zweiten Sechser neben Rincon ein Fragezeichen: Falls Jarolim nicht rechtzeitig fit wird, wird Kacar seinen Platz einnehmen. Ansonsten will Fink erklärtermaßen an der Startelf von Bremen festhalten. 4-Millionen-Einkauf Ilicevic wird damit zunächst erneut auf der Bank Platz nehmen. Der Kroate, der um seine EM-Teilnahme bangt und dringend auf Einsätze hofft, hatte gegen Bremen nach seiner Einwechslung durch eine couragierte Leistung auf sich aufmerksam gemacht. Manche Beobachter hatten bereits spekuliert, er könne für Sala in die Startelf rutschen.

 

Aus Hamburger Sicht wird viel davon abhängen, ob diesmal das Umschalten nach Ballverlust im Spielaufbau besser gelingt. Gegen Dortmund und Bremen war dies eine Achillesferse der Mannschaft, die sich mit Tempogegenstößen schwer tat. Im Spiel nach vorne bauen die Hamburger vor allem auf die Abschlussqualitäten von Petric, Guerrero und Jansen, die zusammen auf 16 Saisontore kommen. Neben der offensiven Flügelzange Sala /Jansen schalten sich auch die Außenverteidiger Diekmeier und Aogo immer wieder nach vorne ein, wobei vor allem Diekmeier in den letzten Spielen für Gefahr sorgte. Rücken die beiden Außenverteidiger auf, so stellt das Team in der Abwehr phasenweise nach Barcelona-Vorbild auf eine Dreierkette um. Einer der beiden Sechser lässt sich dafür zurückfallen.

 

Je nach Spielverlauf kann Fink gerade in der Offensive vielfältig variieren: Neben Ilicevic stünden Son und Arslan als Einwechselspieler bereit. Vor allem von Arslan erhofft man sich perspektivisch und punktuell auch kurzfristig viel. Zum „Hoffnungsträger“ erhob ihn die örtliche Presse unter der Woche, nachdem der Mittelfeldspieler gegen Bremen ein ansprechendes Saisondebut gefeiert hatte und beim Test gegen Kopenhagen positiv herausgestochen war. Arslan war zuvor nach einem Foul des Wolfsburgers Dejagah monatelang ausgefallen.

 

Ein langer Ausfall droht auch dem Gladbacher Patrick Herrmann. Die Gastgeber trifft das ganz empfindlich. Herrmanns Entwicklung in dieser Saison und gerade auch in der Rückrunde ist schlicht sensationell. Seine Schnelligkeit und Sicherheit im Abschluss werden der Borussia sehr fehlen. Der in Kaiserslautern unglücklich agierende Matthew Leckie wird Herrmanns Platz in der Startelf sicher nicht einnehmen. Dass auch Winter-Neuzugsang Alexander Ring aktuell noch keine Option ist, stellte der Trainer auf der Pressekonferenz ausdrücklich klar. Am wahrscheinlichsten ist, dass Hanke, de Camargo und Reus beginnen. Unterstützt von Arangos raffinierten Zuspielen sollen diese drei im Zentrum und auf den Flügeln permanent rochieren. Denkbare, für die Startelf aber wenig wahrscheinliche Varianten wären Otsu oder Wendt auf dem Flügel. Für den Schweden würde der starke Eindruck sprechen, den er nach seiner Einwechslung in Kaiserslautern in ähnlicher Rolle hinterließ.

 

Aufstellungen:

 

Borussia M’gladbach: ter Stegen – Jantschke, Brouwers, Dante, Daems – Nordtveit, Neustädter – Hanke, Arango – Reus, de Camargo.
Hamburger SV: Drobny – Diekmeier, Rajkovic, Westermann, Aogo – Rincon, Jarolim – Sala, Jansen – Petric, Guerrero.

 

Schiedsrichter: Günter Perl.
Assistenten: Georg Schalk, Michael Emmer.
Vierter Offizieller: Martin Petersen.

 

SEITENWAHL-Meinung:

 

Christoph Clausen: Gegen die Hamburger Wundertüten gelingen zwei Tore. Hinten gibt es einige brenzlige Situationen, letztlich aber hält ter Stegen seinen Kasten sauber.

 

Michael Heinen: Es wird ein hartes Stück Arbeit, aber zuhause ist Borussia eine Macht. Der HSV wird daher mit einem 2:0 nach Hause geschickt.

 

Thomas Häcki: Ein einfaches Spiel? Keineswegs! An Hamburg droht man sich die Zähne auszubeissen. Eine gute Situation wird aber beim 1:0 nochmal die Optimisten retten.

 

Christian Spoo: Verdammt, mein intrinsischer Pessimismus springt nicht an. Optimistisch war ich zuletzt vor den Spielen in Frei- und Augsburg. Und jetzt? Drauf gesch*****, Borussia gewinnt mit 2:0.

 

Christian Heimanns: Um den nahenden Weltuntergang zu verhindern, muss ein 3:0 her. Danach werden die Schlagzeilen eine Woche davon beherrscht, dass die Bayern vor dem Zerfall stehen, weil ihre Spieler nicht mehr vom Niederrhein wegzuhalten sind. Prost.