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Es war einmal ein kleiner Verein, der schien die kommerzielle Fußballwelt ein bisschen besser zu machen – eben weil man gerne alles anders machte. Der Verein hatte keine großen Stars, aber einen Trainer mit Ohrstecker, was in den Neunzigern noch Aufmerksamkeit erregte. Man holte Spieler aus Ländern, von denen man bis dahin nicht einmal wusste, dass dort Fußball gespielt wurde. Das Stadion hatte Solarzellen, während die Landesregierung noch auf Atomstrom schwörte. Während anderorts das Trainerkarussell fleißig seine Runden zog, durfte hier ein Übungsleiter auch mal absteigen, ohne direkt seinen Job zu verlieren. Und überhaupt setzte man bei der Trainerwahl lieber auf Kontinuität, statt auf große Namen. Klingt wie ein Märchen? Man könnte es fast glauben. Wer den SC Freiburg in diesen Tagen betrachtet, möchte die Geschichten einer idyllischen Vergangenheit kaum glauben.


Aber sie ist wahr. Als der SC Freiburg 1993 die Bühne der Bundesliga betrat, zeigte sich die Fachwelt davon überzeugt, hier nur das weitere kurze Gastspiel eines Fußballzwerges zu erleben. Zu sehr passte dieser Verein in das Bild von Wattenscheid, Homburg oder Uerdingen. Wolfsburg, Unterhaching oder Hoffenheim hatte damals noch niemand auf der Rechnung. Doch die Experten täuschten sich. Freiburg hielt sich vier Jahre in der ersten Liga, erreichte den Europapokal, stieg ab um schließlich direkt für vier Jahre wiederzukehren. Dem zweiten Abstieg folgte wiederum der direkte Aufstieg – bemerkenswerterweise alles mit dem gleichen Trainer. Die Verbindung Freiburg und Volker Finke ist wohl einzigartig im deutschen Profifußball. 2007 trennten sich jedoch die Wege und der Verein beschloss, den Trainerposten mit einem Vertrauten zu besetzen. Es begann die Zeit von Robin Dutt. Freiburg war mittlerweile ins Mittelmaß der 2ten Bundesliga gerutscht, doch Dutt hauchte dem Sportclub neues Leben ein und schaffte zwei Jahre später den vierten Aufstieg der Vereinsgeschichte. Es ging auch ohne Finke. Dutt schaffte nicht nur den Klassenerhalt, sondern führte einen um seinen Starspieler Idrissou beraubten Underdog im nächsten Jahr fast in den Europapokal. Die Geschichte schien sich zu wiederholen. Doch mittlerweile war auch die Konkurrenz auf das Freiburger Wunder aufmerksam geworden. Robin Dutt erregte die Aufmerksamkeit von Bayer Leverkusen. Ein Nachfolger war schnell gefunden. Im Zuge der Kontinuität schien es nur logisch, Marcus Sorg das Vertrauen zu schenken. Schließlich kannte er das Team und die Spielweise und versprach so das kleinstmöglichste Risiko. Und genau hier beginnen die heutigen Probleme des SC Freiburg.


Vielleicht hätte ein Blick nach Mönchengladbach geholfen. Hier drängt sich dem langjährigen Fußballbeobachter bisweilen schon das Gefühl des Déjà-vu auf. 1987 hatte sich die Borussia trotz widriger Verhältnisse weiterhin in der Spitzengruppe der Bundesliga etabliert. Obwohl man wirtschaftlich gegen Clubs wie dem HSV, VfB Stuttgart oder Bayern München klar unterlegen war, spielte man dennoch im Konzert der Großen zumindest zeitweise mit. Dieses kleine Wunder war Jupp Heynckes zu verdanken, den man vom Novizen zum Nachfolger des großen Udo Lattek erkoren hatte und dem man auch erfolglose Lehrjahre zugestand. 1987 war die Borussia in einem gefestigten Zustand, als Heynckes den Lockungen der Bayern erlag und in München den Sepp gab. Statt nun einen erfahrenen Trainer zu verpflichten, besann sich die Borussia auf die nicht existente Tradition, erneut dem Novizen das Vertrauen auszusprechen. Schließlich kannte dieser das Team und bei Heynckes hatte sich Jahre zuvor dieses Risiko auch bezahlt gemacht. Dass Wolf Werner weder über die Aura noch über den Erfahrungsschatz des Welt- und Europameisters Heynckes verfügte, ignorierte man am Bökelberg. Von nun an ging‘s bergab. Bis auf ein kleines Zwischenhoch in den neunziger Jahren sollte die Borussia zur „gräulichen Maus“ mutieren, bei dem sich die Trainer die Klinke in die Hand gaben. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als im Breisgau der Gegensatz der Kontinuität gelebt wurde.


Es ist vielleicht der Ironie der Geschichte geschuldet, dass dieses Déjà-vu genau zu dem Zeitpunkt in Freiburg eintritt, zu welchem sich die Borussia nach 25 Jahren erstmals wieder ernsthaft unter den besten Teams tummeln darf. Schneller noch als seinerzeit bei Werner wurde bei Marcus Sorg deutlich, dass die Kontinuität vom Assistenten zum Trainer eben nicht immer erfolgreich ist. Es wäre sicherlich unfair, Sorg die alleinige Schuld für die Freiburger Misere zu geben. Fakt ist aber, dass unter seiner Ägide der Zusammenbruch begann. Die geschlossene Einheit, die noch unter Dutt die Stärke der Breisgauer ausmachte, zerbröckelte in der Hinrunde zunehmend. Das Spieler wie Cissé ihre Egoismen auslebten und öffentlich mit einem Weggang liebäugelten, war nicht neu. Dass aber plötzlich die Leistungsträger der vergangenen Saison schwächelten, sollte sich als dramatisch erweisen. Von Beginn an stand man in Freiburg buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Eine Situation, die schon früh zu Zersetzungsentscheidungen innerhalb des Teams führte. Dass man sich ausgerechnet gegen die Borussia zusammenriss und seine bisher vielleicht beste Saisonleistung zeigte, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie. Schließlich schaffte der Gast vom Niederrhein in dieser Saison genau das Gegenteil. Ende Dezember war es dann soweit, die Lage eskalierte. Zunächst versuchte Sorg in einer Art Befreiungsschlag, den Kader zu entrümpeln. Abdessadki wurde aus internen Gründen gekündigt, fünf weiteren Spielern ein Abgang nahe gelegt. Dass darunter letztjährige Stammkräfte wie Butcher oder Bastians waren, ließ aufhorchen. Für Freiburger Verhältnisse eine Revolution. Kurz danach war auch für Sorg Schluss. Der SC zog die Reißleine und entließ erstmals seit über 20 Jahren einen Trainer. Nachfolger wurde, wie könnte es anders sein, sein Co-Trainer Christian Streich. Seitdem haben sich die Breisgauer etwas gefestigt, ohne dabei aber zu brillieren. Auswärts verlor man zuletzt viermal in Folge. Der letzte Sieg gelang pikanterweise in Nürnberg.


Ist Freiburg also der leicht schlagbare Gegner, den die Borussia so dringend benötigt? Nein! Dass der Fohlen-Elf seit dem Ausfall von Herrmann die Leichtigkeit abhandengekommen scheint, ist nur die halbe Wahrheit. Sowohl Hamburg als auch Nürnberg waren vielmehr perfekt eingestellt auf die Gladbacher Rotation. Besonders die Franken machten die Räume geschickt eng und erstickten die Offensive bereits im Keim. Gladbach hatte hier zu keinem Zeitpunkt die Chance, drei Punkte aus Nürnberg mitzunehmen, und das stimmt bedenklich. Auch Freiburg wird nicht mit offenem Visier an den Niederrhein reisen und versuchen, durch defensive Spielweise die Räume eng zu gestalten. Eine Spielweise, die den Fohlen ganz offensichtlich nicht liegt. Das Ganze konnte bereits zur Winterpause erwartet werden. Nicht wenige erwarteten, dass man sich gegen die vermeintlich „kleinen Gegner“ schwer tun würde. Dies ist nun eingetreten. Leider hat Lucien Favre noch nicht das richtige Rezept gefunden, um mit dieser Situation umzugehen. Mit de Camargo wirkt das Spiel zu statisch, Marco Reus kann seine Dynamik auf der Außenposition nicht in dem Maße umsetzen, wie er sie als Stürmer zeigen konnte. Ob Otsu oder Wendt auf den Außenpositionen mehr Variabilität bringen, kann nur vermutet werden. Doch kann dies nur beantwortet werden, wenn man ihnen auch eine Chance gibt. Die derzeitige Taktik erscheint hingegen nicht zielführend zu sein. Zudem droht nach den letzten Auftritten von Leverkusen die Phalanx der „Fab Four“ aufgebrochen zu werden. Die Champions-League Qualifikation ist somit ernsthaft in Gefahr, was wiederum den psychischen Druck in Richtung Niederrhein verlagert. Noch zehrt man von einem Polster auf Schalke und Leverkusen, doch dies kann nur mit Siegen ausgebaut werden. Somit heißt die Devise: Ein Sieg, egal wie, gerne auch dreckig.

 

Die Borussia:

Ter Stegen - Jantschke, Stranzl, Dante, Daems - Nordtveit, Neustädter - Wendt, Arango - Hanke, Reus


Der SC:

Baumann - Sorg, Diagné, Höhn, Hinkel - Flum, Makiadi - Schmid, D. Caligiuri – Rosenthal - Freis     

 

Tipps:

Thomas Häcki: Gegen dicht gestaffelte Freiburger findet sich kein Mittel. Das 0:0 ist enttäuschend, der Blick geht nun auch nach Leverkusen.

Christian Spoo:Die These, es gebe einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen meinen Tipps und dem tatsächlichen Ergebnis, wurde in Nürnberg widerlegt. Ich lag nämlich fast richtig. Demzufolge mache ich mir künftig keinen Kopf mehr über Aberglaubensdinge und tippe frei von der Seele einen ungefährdeten 2:0 Sieg über den SC Freiburg.

Christoph Clausen:Es ist mal wieder Zeit für ein frühes Tor. Danach läuft alles etwas entspannter ab als zuletzt und Borussia siegt mit 2:0.

Michael Heinen: Zuhause ist Borussia eine Macht, die eindrucksvoll jegliches Krisengerede zu den Akten legen wird. Nach dem 3:0 über Freiburg wird in den Medien wieder genauso vorschnell über Borussias Meisterschaftsambitionen fabuliert.