seitenwahl 202308051638 IMG 3158Das 0:0 in Leverkusen war ohne jeden Zweifel ein großartiger Achtungserfolg. Auch er konnte aber nicht entscheidend zur Beantwortung der Frage beitragen, ob Borussias Saisonglas bislang eher als halbvoll oder halbleer anzusehen ist. Nach den jüngsten Niederlagen gegen Frankfurt und Augsburg hatte jeweils die pessimistischere Fraktion unter den gespaltenen Borussen-Fans unerfreuliches Oberwasser erhalten. Die „Siege“ über Stuttgart und Leverkusen führten dagegen zu einem Stimmungsaufschwung. Es ist stark damit zu rechnen, dass es in diesen Wellenbewegungen weiter durch diese Saison gehen wird und sich erst frühestens im kommenden Jahr eine Bewertung des großen Borussen-Umbruchs wird vornehmen lassen.

Fernab des sportlichen ist erstaunlich, dass Borussia auch in dieser Transferperiode keine verstärkten Ambitionen unternommen hat, den verbesserungswürdigen Kader zu optimieren. Insgesamt war es die vierte vollständige Transferphase in der Ära Virkus, von der nur die vorherige im vergangenen Sommer für eine ernsthafte Veränderung des Kaders genutzt werden konnte oder wollte. Der Druck wird damit im kommenden Sommer noch etwas größer ausfallen, wenn mit Koné, Plea, Neuhaus, Itakura, Elvedi, Wöber und Jordan bis zu sieben Spieler aus dem (erweiterten) Stamm den Verein verlassen könnten. Da mit einigen verdienten, aber zunehmend alternden Borussen-Altstars wie Kramer, Herrmann und Jantschke nicht mehr realistisch für den Ligaalltag geplant werden kann, werden zudem in der Breite weitere Ergänzungen nötig.

Ein sportlich erfolgreicher Saisonabschluss wäre vor diesem Hintergrund umso wichtiger, um das Transferziel Mönchengladbach und die dortigen Perspektiven wieder attraktiver wirken zu lassen. Schon in der Liga wäre ein Kampf um die europäischen Plätze in dieser Spielzeit möglich gewesen, wenn sich die Mannschaft ihre positiven Ansätze nicht immer wieder durch Nachlässigkeiten selbst einreißen würde. Von daher ruhen hier die größten Hoffnungen auf dem Pokal, wo in der kommenden Woche erst einmal das schwierige Los 1. FC Saarbrücken überwunden werden muss. Normalerweise sollte man jubilieren, wenn in einem Pokal-Viertelfinale ein Drittligist wartet. Die Saarländer werden in dieser Pokalpartie aber mit ziemlicher Sicherheit genau so auftreten wie zuletzt der FC Augsburg und wie es der Mannschaft von Gerardo Seoane überhaupt nicht behagt. Borussia wird den Kampf des Gegners annehmen müssen, ohne sich aber im spielerischem Bereich auf das Niveau des Gegners herunterziehen zu lassen.

In den Partien zuletzt gegen Leverkusen und bevorstehend gegen die Bayern waren und sind es weitgehend andere Tugenden, die zum (Teil-)Erfolg führen können. Hier ist Borussia die deutlich unterlegene Mannschaft, die über 90 Minuten stabil und kompakt stehen muss(te) und zusätzlich eine Menge Glück benötigt(e). Landet eine der zahlreichen Chancen des Werkklubs am vergangenen Samstag im Tor der Borussia, so wird sie anschließend für ihre passive Unterlegenheit gescholten. Da dies nicht der Fall war, darf sie sich rühmen, als erster Bundesligist in dieser Saison keinen Torerfolg des Tabellenführers zugelassen zu haben. Und fernab aller unwichtigen Statistiken vom Ballbesitz und Passphasen sowie zahlreicher Weitschüsse hat die Fohlenelf insgesamt nur zwei bis drei wirklich hochkarätige Torchancen des Gegners zugelassen, was angesichts dessen Stärke und Borussias defensiver Anfälligkeit aller Ehren wert ist.

seitenwahl 202305271605 AJ7X5265Erfreulich, dass dies u. a. mit Spielern wie Marvin Friedrich, Joe Scally und Luca Netz gelungen ist, die im bisherigen Saisonverlauf oft genug (und meist zurecht) für ihre Nachlässigkeiten kritisiert wurden. An diesem Samstag lieferten sie genauso ordentlich ab wie Florian Neuhaus, der mit seiner überragenden Grätsche in Halbzeit 1 für das Highlight der Partie sorgte. Eine ähnliche Aktion von einem Mats Hummels oder Niklas Süle wäre anschließend noch wochenlang in den Medien als „einzigartige Weltklasse-Aktion“ hochgejubelt worden.

Schon kommende Woche gegen die Bayern könnte das Urteil bei ihnen allen schnell wieder ganz anders lauten angesichts des borussianischen Saison-Wellenbads. Wichtiger werden aber ohnehin die darauffolgenden Wochen, wenn neben dem Pokalspiel die Heimpartien gegen Darmstadt und Bochum über das Stimmungsbild in der Kurve maßgeblich entscheiden werden.