seitenwahl 202401211742 AJ7X7633In diesen Tagen wird ja vermehrt kritisch und bibbernd nachgesehen, was von oben kommt. Ob die Jecken im Straßenkarneval oder unlängst die Fußballverrückten im Ludwigspark: Man sorgte sich ums Wetter. Nun lässt das für Samstag nur wenig zittern. Anders als Saarbrücken verfügt die Borussia über ein halbwegs modernes Stadion, in dem überschüssiges Wasser nicht einfach bis zur Verdunstung auf dem Rasen verbleibt, sondern abfließen kann. Daher werden sich die Spieler auf dem Rasen weniger vor Regentropfen fürchten, trotzdem werden sie auch am Wochenende vermutlich darauf achten, was vom Himmel kommt.  

Denn es steht zu erwarten, dass auch am Samstag wieder Flugobjekte auf dem Rasen im Borussia-Park landen werden, mit denen auch die beste Drainage überfordert ist. Vor Wochenfrist wurde beim Zweitligaspiel zwischen Hertha und dem Hamburger SV im Berliner Olympiastadion nicht nur von den fußballspielenden Akteuren auf dem Rasen Höchstleistungen vollbracht. Aus der Heimkurve flogen Tennisbälle unter Zuhilfenahme von Hundespielzeug beeindruckend weit auf den Rasen. Und das Ganze nahm schier kein Ende. Als die protestierenden Fans das Banner “Investorenwahnsinn endlich stoppen, ob in der DFL oder in den Vereinen” einrollten und das Werfen einstellten, war fast eine halbe Stunde vergangen. Hansi Küpper vom übertragenden Sender Sky, der ohnehin jedes Spiel mit einer Aufgeregtheit kommentiert, die bei einem Atomunfall eventuell angebracht sein könnte, war sich ob des Geschehens nicht ganz sicher, ob solches Verhalten nicht vielleicht doch als Terrorismus geächtet werden müsse. Beziehungsweise, er war sich eigentlich doch ziemlich sicher, dass. Der Blätterwald rauschte am nächsten Tag fast einvernehmlich: “Fanskandal”, “Ultra-Inszenierung” etc. Nur noch ein Tennisball habe zum Spielabbruch gefehlt. Freilich erklärte sich die verantwortlichen Fans in der Kurve gegenüber der Heimmannschaft nach dem Spiel und gab freimütig zu, dass ein Spielabbruch sie auch nicht davon abbringen würde, gegen das Vorgehen der DFL zu protestieren.  

Es lässt sich über die Art des Protests sicherlich trefflich streiten. Allerdings sind wir uns in der oft so kontrovers diskutierenden Seitenwahl-Redaktion weitgehend einig. Wie oft wird bei Plakaten mit Beschimpfungen und Verwünschungen eben die falsche Wortwahl beklagt, weshalb man sich nicht mit den Inhalten der Kritik befassen könne. Hier fehlt das alles und es zeigt sich eine gewisse Kreativität, aber das ist auch wieder nicht recht. In Teilen scheint man nur Protest dulden zu wollen, den man nicht wahrnimmt. Das ist aber eben nicht der Sinn von Protest. Die Vorgänge um die auf einmal geheim durchgeführte Abstimmung und das Abstimmungsverhalten von Hannovers Martin Kind (der ganz offensichtlich trotz Expertise auf dem Feld der Akkustik den Schuss nicht gehört hat) sind so kritikwürdig, dass man sich schon fragt, warum sie vielerorts bei der Schilderung der Umstände einfach ausgeblendet werden. Stattdessen wird ganz regelmäßig das Abstimmungsverhalten des eigenen Vereins in die Kommentierung des Geschehens eingebracht. Sagen wir doch mal, wie es ist, Borussia hat dafür gestimmt, deswegen kann man das trotzdem für falsch halten. Stephan Schippers ist ganz sicher ein töfter Typ und leistet seit Jahren hervorragende Arbeit für diesen Verein, aber wenn es um Investoren in der Bundesliga geht, sind wir einfach völlig unterschiedlicher Meinung. Und was hat das Abstimmungsverhalten der Vereine mit Kritik an der Art der Durchführung der Wahl zu tun?  

Immerhin: Aus einzelnen Vereinen, namentlich dem Vfl Osnabrück, vom VfB aus Stuttgart und von Hertha und Union Berlin lassen sich Stimmen hören, die zeigen, dass die Proteste eine gewisse Wirkung erzielen. Sie zeigen, dass die an den Protesten beteiligten Fans klar gemacht haben, dass diese Abstimmung in der Form auch einfach nicht in Ordnung war. Selbst die DFL sah sich zu einer Stellungnahme genötigt, deren Ausgestaltung freilich mit “wachsweich” noch ein bei weitem zu fester Aggregatszustand attestiert würde. Und so werden die Proteste so bald nicht enden, auch nicht im Borussia-Park am Samstag. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass es irgendwo und in nicht allzu ferner Zukunft tatsächlich zu einem Spielabbruch kommen wird. Und es ist auch nicht völlig auszuschließen, dass das am Samstag beim Spiel gegen Darmstadt der Fall sein könnte. In der Diskussion, die dann folgen wird, wird hoffentlich nur nicht vergessen werden, wer sich zuerst intransparent, unangemessen und ohne Rücksicht auf die Interessen anderer verhalten hat. Das war nicht die aktive Fanszene.  

Wir gehen aber nun einmal davon aus, dass es einen nach 90 Minuten plus neuerdings immer üppiger Nachspielzeit ermittelten Sieger geben wird und hoffen, dass der nicht aus Darmstadt kommt. Da besteht durchaus Anlass zu solcher Hoffnung. "Wir sind in vielen Spielen nicht unterlegen", sagte Verteidiger Christoph Zimmermann nach der Partie gegen Leverkusen, in der Darmstadt eindeutig unterlegen war. "Das Problem ist, dass wir oft ein unterlegenes Resultat haben." 

Seit 13 Spielen hat Darmstadt kein überlegenes Resultat mehr erzielt. Auch deshalb hat man sich in der zurückliegenden Transferperiode mit Sebastian Polter von Schalke 04 verstärkt, der etwas überraschend kurz vor Toresschluss seiner Bundesliga-Vita einen rekordträchtigen siebten Verein hinzufügte. "Körperbetontes Spiel, eklig spielen, die Mitspieler mitreißen” beschrieb er in der Mainzer “Allgemeinen Zeitung” die Tugenden, die er für Darmstadt in die Waagschale zu legen gedenkt. Im “Kicker” droht er vielleicht noch Schlimmeres an: “Es heißt immer so schön, dass man eklig sein muss, um die Spiele zu ziehen. Aber ich glaube, dass da viel mehr dazu gehört”. Vielleicht körperbetontes Spiel und die Mitspieler mitzureißen?

Aber was immer das heißen mag, es klingt auf jeden Fall nach dem, was Borussia so oft nicht liegt. Es ist ein kampfbetontes Spiel zu erwarten, und einmal mehr wird es darauf ankommen, sich nicht den Schneid abkaufen zu lassen. Mit welchem Personal Coach Seoane diese Aufgabe anzugehen gedenkt, lässt sich nur schwer erahnen, zumal mit Wöber und Itakura noch mehr ernsthafte Startelfkandidaten wieder eine Option sind. Da beide aber gerade erst zurück sind, der eine vom Krankenbett, der andere aus Asien, ist es wohl nicht ganz unwahrscheinlich, dass Elvedi und Friedrich wieder ein Duo bildeten. Beim Pokalspiel hätte man auch eine gegnerische Mannschaft erwartet, die mit “körperbetont” und “eklig” etwas anzufangen weiß. Da hatte sich Kollege Spoo in seinem Nachbericht  nachvollziehbarerweise verwundert gezeigt, dass Borussias jüngster Mittelfeldakteur nicht in der Startelf gestanden hätte. Wir erweitern die beliebte Serie "Seitenwahl-Wortspiele mit Mittelfeldspielern" um einen Teil: Darmstadt fände es sicher auch reizvoll, wenn Gladbachs Zentrale reitzlos bliebe. Ganz vorne könnte Plea, in Saarbrücken immerhin wieder im Kader, vielleicht sogar auf den Platz zurückkehren. Wirklich ausgeschlossen ist nur der Einsatz der Rekonvaleszenten Čvančara und Omlin. 

Abschließend müssen wir natürlich noch einmal auf das 3:3 im Hinspiel verweisen, ein wahnsinniges Spiel, dessen erste Hälfte einem Angst und Bange werden ließ. Bei der Borussia müssen sie zeigen, dass sie daraus gelernt haben. Bei einem erneuten 0:3-Rückstand würde die Option Spielabbruch sicherlich plötzlich auch weniger erschreckend erscheinen. Besser aber, es käme nicht dazu und für den Spielabbruch sollte man sich ohnehin eine prominentere Paarung aussuchen. Grüße gehen raus nach Leverkusen.

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Pflicht ja, Sieg leider nicht. Gegen biedere aber leidenschaftliche Lilien fehlen der Borussia die spielerischen Mittel, um über ein 1:1 herauszukommen.

Michael Heinen: Mehr Pflichtsieg als gegen Darmstadt geht in der Bundesliga nicht. Borussia bewältigt die Aufgabe souverän und bringt beim 3:1-Heimsieg endlich mal wieder eine Führung ins Ziel.

Christian Spoo: Wenn es ein Spiel gibt, das Borussia gewinnen muss, um nicht den Glauben an sich selbst zu verlieren, dann ist es dieses. Die Mannschaft tut sich und uns den Gefalllen und besiegt Darmstadt mit 3:1.

Thomas Häcki: Spiele, die vom Papier her so deutlich sind, erweisen sich allgemein als zäh. Zwar lässt sich die Favoritenrolle nicht leugnen, wenn aber die gesamte Redaktion derart euphorisch ist, bremse ich mit einem 2:2

Michael Oehm: Ich bin immer noch so geflasht davon, dass Kollege Spoo in dem Spiel einen klaren Sieg voraussagt, dass ich nicht weiß, was das mit dem Raum-Zeit-Kontinuum machen wird. Ich tippe also auf Spielabbruch bei einer 4:0-Führung zur Halbzeit. Eat this, DFL.