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Mit dem VfB Stuttgart kommt am Samstag das Überraschungsteam der Liga nach Mönchengladbach. Kaum jemand hätte – Gomez-Verkauf hin, Gomez-Verkauf her – den Stuttgartern nach der beeindruckenden Rückrunde der vergangenen Saison zugetraut, in dieser Spielzeit nach 11 Spieltagen im Abstiegskampf zu stecken; wenn man denn nach einer so kurzen Zeit schon vom Abstiegskampf sprechen mag. Aber vor diesem Kellerduell steht der VfB tatsächlich hinter Borussia Mönchengladbach, das seinerseits trotz des tollen Sieges in Hamburg sicher nicht so viele Punkte auf dem Konto hat, wie vor der Saison für den jetzigen Zeitpunkt angepeilt. Ein bemerkenswertes Duell ist es auch aus einem zweiten Grund: mit dem VFL und dem VfB treffen zwei Vereine aufeinander, die trotz großen Drucks bisher unbeirrt an ihren Trainern festgehalten haben und sich damit vielleicht anschicken, die unseligen vielzitierten „Mechanismen der Branche“ außer Kraft zu setzen.


Rückblende: Am ersten Spieltag der Saison 2008/2009 war der VfB Stuttgart zuletzt zu Gast im Mönchengladbacher Borussia-Park. Es war ein denkwürdiges Spiel: der Deutsche Meister zeigte dem Aufsteiger eindrucksvoll, dass die Trauben in der ersten Liga doch einige Meter weiter oben hängen, als vielfach von Spielern, Verantwortlichen und vor allem Anhängern gedacht. Die Aufstiegseuphorie war nach 90 Minuten verflogen, die Versuche, offensiv mitzuspielen wurden von Gomez und Konsorten böse bestraft. „Nicht bundesligatauglich“ war – das ist Borussenlogik – prompt die Schlussfolgerung mancher Fans, die kurz vorher noch in UEFA-Cup-Laune gewesen waren.

Ein gutes Jahr später begegnen sich beide Teams erneut im Borussia-Park, und diesmal ist es ein Duell auf Augenhöhe. Leider hat nicht Borussia in den vergangenen 14 Monaten zur Bundesligaspitze aufgeschlossen, vielmehr spielt der VfB Stuttgart eine aus vielen Gründen bemerkenswert erfolglose Saison – bis zu diesem Zeitpunkt.

 

VfB Stuttgart

 

Der Tabellen- und Punktestand des VfB spiegelt nur ungenügend wider, was sich seit Saisonbeginn in der baden-württembergischen Hauptstadt getan hat. Die derzeitige Situation ist sicher auch Folge einer nicht ganz glücklichen Transferpolitik, dazu kommen aber Verletzungsprobleme und vor allen Dingen ein nahezu unglaublicher Mangel an Glück auf dem Platz. Kaum eine Partie hat der VfB in dieser Saison absolviert, nach der man der Mannschaft mangelnden Einsatz oder auch nur schlechtes Spiel vorwerfen musste. Stattdessen gab es verdaddelte Großchancen, Pfosten- und Lattentreffer in Serie.


Dass die Moral der Stuttgarter nach wie vor intakt ist, zeigte zuletzt das Champions-League-Spiel in Sevilla. Dort erkämpften die Stuttgarter nach miserabler erster Hälfte noch einen Punkt und hätten das Spiel am Ende fast sogar noch gedreht – wenn da nicht wieder das Problem mit der Chancenverwertung gewesen wäre.

All das kann Borussia eigentlich schnurzpiepegal sein. Mitleid ist im Profifußball definitiv nicht angebracht (zumal es uns oftmals nur wenig besser ging), wohl aber sollte dem Team und uns Zuschauern klar sein, dass keine Pechsträhne endlos währt und dass der VfB Stuttgart, so der Knoten dann doch platzen sollte, eine Mannschaft hat, die unserer deutlich überlegen sein sollte.

 

Das gilt nicht so sehr für Totwart Jens Lehmann. Der so gut wie 40-jährige strahlt derzeit keine Sicherheit aus und macht mehr Fehler, als man das bisher von ihm gewöhnt war. Dass sein Nervenkostüm erhebliche Risse hat, zeigen auch die vielbelachten Scharmützel mit Balljungen und seine merkwürdig passiv-aggressiven Interviews nach den Spielen.


Die Stuttgarter Abwehr hat dennoch erst 15 Gegentore kassiert,  fünf weniger als die von Borussia. In der Stuttgarter Innenverteidigung steht mit Delpierre und Tasci die Wunschbesetzung auf dem Platz, die allerdings - siehe Sevilla - auch nicht immer fehlerfrei agiert. Auf links bekommt Arthur Boka im Moment den Vorzug vor Ludovic Magnin. Auf rechts hat der VfB ein Problem: Mit Träsch und Osorio fallen gleich zwei gelernte Rechtsverteidiger aus. Das Experiment mit  Khalid Boulahrouz darf nach dessen unterirdischer Vorstellung in Sevilla getrost als gescheitert betrachtet werden, zumal sein Ersatz Angelo Celozzi seine Sache sehr gut machte.
Update 06.11.: Laut VfB fällt Serdar Tasci bis auf weiteres verletzt aus, der Einsatz von Matthieu Delpierre ist wegen einer Verletzung aus dem Sevilla-Spiel zumindest fraglich. Christian Träsch steht wieder zur Verfügung.


Der Ausfall von Sami Khedira tut den Stuttgartern weh. Sein Ersatz Zdravko Kuzmanovic hatte arge Anlaufschwierigkeiten, gerade er überzeugte aber sowohl beim torlosen Remis gegen die Bayern am vergangenen Wochenende als auch in Sevilla, wo der serbische Nationalspieler das vielumjubelte Ausgleichstor schoss.

Thomas Hitzlspergers Entwicklung mag als Beispiel für das Wohlergehen des VfB herhalten. Der Nationalspieler ist weit entfernt von der Form des Vorjahres, er fand sich zwischenzeitlich sogar auf der Bank wieder. Dank seines unermüdlichen Einsatzes ist er aber – obwohl noch lange nicht in Normalform – eine wichtige Größe in der Mannschaft. Dass Hitzlsperger torgefährlich ist, sollte Borussia noch aus dem oben erwähnten Auftaktspiel der vergangenen Saison wissen: dort brachte er sein Team mit dem 1:0 auf Kurs. Auch Roberto Hilbert war schon Nationalspieler, was allerdings unter Joachim Löw fast zwangsläufige Folge ist, wenn man als Deutscher beim VfB Stuttgart spielt. Von einer international konkurrenzfähigen Leistung ist Hilbert derzeit weit entfernt. Nach seiner Auswechslung in Sevilla ist derzeit fraglich, ob er am Samstag von Beginn an mitmachen darf.


Die Stuttgarter Offensive ist nach dem Abgang von Mario Gomez die Schwachstelle bei den Schwaben. Cacau ist verletzt, zuletzt agierte Pavel Pogrebnyak alleine in vorderster Front und das meist ohne Glück. Möglicherweise tritt der VfB auch in Gladbach mit zwei offensiven Mittelfeldspielern (Hleb, Elson) und einem Stürmer an, aber auch ein 4-2-2 mit Marica (so er rechtzeitig fit wird) oder Schieber an der Seite des Russen ist möglich. Im offensiven Mittelfeld hat Trainer Babbel mit dem genesenen Yildiray Bastürk und Jan Simak weitere Alternativen.


 

Borussia

 

Ob Logan Bailly nach seiner Trainingsverletzung am Samstag spielen kann, wird sich erst am Spieltag entscheiden. Ansonsten käme Christofer Heimeroth zu seinem sechsten Saisonspiel.

 

Filip Daems fällt voraussichtlich weiter aus, damit spielt die Abwehr in der gleichen Formation wie schon gegen Köln und in Hamburg. Im defensiven Mittelfeld hat sich das Duo Marx/Bradley vorerst etabliert, Marcel Meeuwis bleibt die Rolle als Backup. Ihren Platz sicher haben wohl auch Marco Reus und Juan Arango im offensiven Mittelfeld.


Umbauen muss Michael Frontzeck trotzdem. Der Ausfall von Raul Bobadilla macht das nötig. Am einfachsten wäre es auf dem Papier, den Argentinier einfach durch den Siegtorschützen von Hamburg, Rob Friend zu ersetzen. Allerdings ist Friend ein komplett anderer Spielertyp, zudem sind alle Versuche, ihn vorne an der Seite von Roberto Colautti aufzubieten bisher gescheitert. Dennoch ist ein weiterer Anlauf die wahrscheinlichste Variante. Theoretisch könnte der Trainer zum Ein-Stürmer-System mit Friend als einziger Spitze zurückkehren. Karim Matmour würde in diesem Fall ins Team rücken, allerdings hat Frontzeck schon erkennen lassen, dass er das System ungern ändern möchte. Bleibt es beim 4-4-2 könnte Oliver Neuville den zuletzt recht unauffälligen, wenn auch immens fleißigen Colautti ersetzen. Dass Neuville mit Friend „kann“, hat er in der Vergangenheit bewiesen. Allerdings ist Neuville bei allem Respekt nicht mehr ganz der, der er in der Vergangenheit war.

 

Eine Frage, die viele stellen, die sich aber nicht stellt

 

Dass am Samstag Markus Babbel und Michael Frontzeck auf ihren Trainerbänken Platz nehmen dürfen, ist alles andere als selbstverständlich. Dass sie das auch eine Woche später noch tun dürfen, ganz egal, wie das Spiel in Gladbach ausgeht, ist wahrscheinlich und noch viel weniger normal. Borussia und der VfB halten bisher zu ihren Übungsleitern, trotz teils unbefriedigender Ergebnisse und trotz großen Drucks durch die Medien und Teile der Anhängerschaft.

Zu anderer Zeit oder an anderem Ort wären beide schon entlassen worden. Aber Max Eberl und Horst Heldt stehen zu ihrem jeweiligen Trainer, lassen sich bisher nicht zum Stellen von Ultimaten oder anderem Unfug verführen. Eberl agiert dabei noch ein Stück glaubwürdiger und souveräner als Heldt. Er hat es womöglich auch etwas einfacher, weil der Abstand zwischen Anspruch und Realität in Gladbach nicht ganz so gewaltig ist, wie in Stuttgart. Außerdem kamen bei Borussia nin der tiefsten Krise auch aus dem Präsidium klare Pro-Frontzeck-Bekundungen.

Fest steht: in beiden Vereinen hat man dem puren Aktionismus für den Moment abgeschworen, in beiden Vereinen sehen die Verantwortlichen, dass das Team im Prinzip funktioniert und akzeptieren, dass es oftmals nur am Glück fehlt und das man das nun einmal nicht erzwingen kann.
Es steht zu hoffen, dass beide – unabhängig vom Ergebnis des kommenden Samstag – an ihrer Linie festhalten. Wenn die Beispiele Gladbach und Stuttgart in der Rückschau irgendwann mal gezeigt haben sollten, dass die „Mechanismen der Branche“ eben keine Zwangsläufigkeit darstellen, wäre das ein gutes Zeichen. Vielleicht könnte in mehr Vereinen konzeptionell und ohne reines Schauen von Spieltag zu Spieltag gearbeitet werden. Das wäre eine Entwicklung, die dem Fußball in Deutschland sicher ganz gut täte.

 


Aufstellungen


Borussia: Heimeroth – Levels, Brouwers, Dante, Jaurès – Marx, Bradley – Reus, Arango – Colautti, Friend 

Stuttgart: Lehmann – Träsch, Delpierre, Boulahrouz, Boka – Kuzmanovic – Hitzlsperger, Rudy – Hleb, Elson – Pogrebnyak



SEITENWAHL-Prognose
 


Christoph Clausen
: Es wäre wunderbar, wenn der Überraschungscoup von Hamburg keine Eintagsfliege bliebe. Da mein Optimismus aber noch keine größeren Belastung aushält und ich die Stuttgarter für sehr viel besser halte als ihre letzten Ergebnisse es aussagen, wage ich nur ein 2:2-Unentschieden tippen. Mehr wäre willkommen.

Thomas Häcki: Etwas hat Michael Frontzeck in guten wie in schlechten Zeiten bewiesen: Er bleibt ruhig und realistisch. Euphorie ist also auch nach dem tollen Erfolg in Hamburg nicht angesagt. Nun kommt mit Stuttgart eine Mannschaft, die zwar weit hinter ihren Erwartungen liegt, sich aber grade auswärts nicht so schlecht präsentierte, wie es den Anschein haben könnte. So werden sich tapfer aufspielende Borussen beim 1:1 an der Stuttgarter Abwehr die Zähne ausbeißen. Den ein oder anderen mag das wieder ernüchtern, letztendlich spiegelt dies aber den tatsächlichen Leistungsstand wieder.

Christian Heimanns: Es kam zuletzt ja nicht oft vor, dass wir vor Stuttgart stehen. Ich wünsche mir diesen Zustand noch für länger und (wunsch-)tippe ein 2:1 für die Borussia.

Michael Heinen: Gegen Stuttgart holt uns der Alltag wieder ein. Mit einem 1:1 bleibt die Mannschaft aber immerhin im dritten Spiel in Folge ungeschlagen.

Mike Lukanz: Wer gestern Abend das Stuttgarter Spiel in Sevilla gesehen hat, wird erkannt haben, dass der VfB in der Bundesliga zurzeit weit unter seinen Möglichkeiten spielt. Der Punkt in Spanien dürfte ihnen etwas Auftrieb gegeben haben. Das 1:1 wird am Ende zwar einige Fans enttäuschen, aber mit dem Punkt können beide letztlich leben, da Borussia erneut ein gutes Spiel zeigen wird.

Christian Spoo: Man lasse sich vom Tabellenstand nicht täuschen. Der VfB hat – allen Ausfällen zum Trotz – die bessere Mannschaft. Borussia wird gut mitspielen, vor dem Tor aber fehlt die Durchschlagskraft. Stuttgart profitiert von der Fehleranfälligkeit unserer Hintermannschaft und gewinnt mit 1:0 in Gladbach.