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Die Wege der Menschen sind so unerklärlich wie ihre Entscheidungen, die des Fußballgottes sind erst recht mysteriös und die Wege der Fußballvereine sind nicht nicht nur sehr lang sondern auch verschlungen, halsbrecherisch und selten friedlich. Der von Borussia Mönchengladbach insbesondere führte vor fast genau vier Jahren in einer atemberaubenden Reise haarscharf am Abgrund vorbei, ein Jahr später bis kurz vor die Champions League und bog dann erst mal weit ab. Jetzt, drei Jahre danach, ist die Champions League wieder nur ein paar Meter entfernt.

Und was für ein Lauf war das bis hierher seit Beginn der Rückrunde, rasant, geradeaus und mühelos über alle Hürden. Zu diesem Zeitpunkt ist Borussia mit Abstand die beste Mannschaft der zweiten Saisonhälfte mit 11 Siegen aus 15 Spielen. Eine der glänzendsten Runden der Vereinsgeschichte mit mehr Punkten, als sie des öfteren nach der ganzen Saison zu verbuchen waren. Und mit nur sieben Gegentoren, wobei die anderen Spitzenteams Wolfsburg, Leverkusen und Bayern Yann Sommer nicht eines einschenken konnten. Man könnte auf den Gedanken kommen, die Meisterschaft in der ersten Saisonhälfte vergeigt zu haben.


Nun also die letzten Spiele in Bremen und dann zuhause gegen Augsburg, um die europäische Eliteklasse wieder an die Existenz der Borussia vom Niederrhein zu erinnern. Fünf Punkte Vorsprung für zwei Spiele sehen komfortabel aus, aber wenn Leverkusen seine Spiele gegen Hoffenheim und in Frankfurt gewinnen sollte, sind sie nicht mehr wert als einer, auch dank Superpeps Supertruppe, die sich nunmehr fairerweise das Punkten überhaupt abgewöhnt hat. Mancher, dem der Fünfpunktevorsprung verdächtig vorkommt, spricht von sich beim Pharmazeuthen übergebenden Reittieren, was immer das damit zu tun hat.

Allerdings sind die Borussen die Mannschaft der Stunde in der Bundesliga, kollektiv formstark und stabil, taktisch variabel und für jeden Gegner höchst unangenehm. Über die Abwehrarbeit muss man angesichts der Zahlen kaum Worte verlieren, dass Spiel in Ballbesitz reicht, um zum Beispiel Hertha auswärts völlig zu dominieren, das rasend schnelle Spiel nach Ballgewinn und die anschließenden Konter dürfen mit jedem Lob bedacht werden, das einem einfällt. Von "überragend", wenn das nicht so nach Marcel Reif klänge, bis zu "Weltklasse", was auch etwas abgedroschen ist. "Wie in den Siebzigern" ist angemessen, nur dass das kollektive Losjagen von heute die Helden von damals um ein paar Sekunden ausbremsen würde.

Ebenfalls auffällig: Die laufstärkste Mannschaft der Bundesliga hat immer noch Luft, um nach der 80., teilweise der 90. Minute entscheidend zuzuschlagen. Das dürfte für die letzten Spiele, die intensiv zu werden versprechen, ein Trumpf der Borussen sein.

Wenn er so sticht wie die anderen derzeitigen Vorteile, könnten Favres Fohlen am Samstag, außer die brennend wichtigen Punkte einzupacken, eine weitere Serie beerdigen. Am 21. März 1987 konnte Borussia Mönchengladbach zum letzten Mal bei Werder Bremen gewinnen, als die Pausenführung von 0:1 am Ende zu einem 1:7 ausgebaut wurde und sich die halbe Mannschaft als Torschützen eintrug. Die Zeit seit dem kann man aus Borussensicht getrost streichen, bei den letzten vier Spielen an der Weser gab es allerdings drei Unentschieden. Langsam wird es eng für Werders Serie und die Zeit könnte nicht besser sein, dort mehr zu holen.

Nicht, dass das ein Selbstläufer wäre. Der Bremer Tabellenachte kann noch die Ruhrclubs aus ihren Europa League Träumen holen und hat zu diesem Zwecke auch satte 26 Punkte in der Rückrunde geholt. Viktor Skripnik, der zu Anfang nach nicht mehr als der preisgünstigsten Lösung aussah, zeigt eindrucksvoll, wozu Mannschaften in der Lage sind, sobald Robin Dutt nicht mehr in der Nähe ist. Als eines von wenigen Teams in der Bundesliga hält Bremen am 4-4-2 fest und bietet zwei reine Stürmer auf. Jene, in Gestalt von Davie Selke und Franco di Santo, sind in dieser Saison nach einigen Schwierigkeiten voll durchgestartet und stehen jetzt entsprechend in den Schlagzeilen.

Der 20jährige Selke kommt auf neun Tore, hat aber mehr Aufsehen durch seinen Wechsel in der kommenden Saison zum SSV Markranstädt erregt, auch bekannt als FC Sachsen bzw. RB - nicht Red Bull - Leipzig. Die Tatsache, dass die Bremer eines der seltenen deutschen Sturmtalente abgeben, dürfte ein Schlaglicht auf die dortige Finanzsituation werfen. Selke soll verschiedenen Vereinen regelrecht angeboten worden sein. Auch um di Santo, mit 13 teils spektakulären Toren noch mehr im Rampenlicht, ranken sich die Gerüchte des Transfermarktes. An diesem Mittwoch besonders um einen Wechsel zur Borussia, den die einen Quellen verkünden und die anderen beharrlich dementieren.

Nicht die allerbesten Voraussetzungen für die Bremer im Endspurt der Saison, sollte man meinen, aber Werder zeigt sich mit dem stoisch kaugummikauenden Skripnik wenig beeindruckt vom ganzen Drumherum. Auch dadurch begünstigt, dass es in den letzten sieben Spielen nur gegen die untere Tabellenhälfte und vier der akutesten Abstiegskandidaten ging. Da rückt mit der Borussia jetzt ein anderes Kaliber an, auf einem ganz anderen Weg.

Aufstellungen:

Borussia: Sommer - Korb, Jantschke, Brouwers, Wendt; Xhaka, Kramer; Herrmann, Raffael, Kruse, Johnson

Bremen: Casteels - Gebre Selassie, Lukimiya, Vestergaard, Sternberg; Hajrovic, Bargfrede, Fritz, Junuzovic; Selke, di Santo

SEITENWAHL-Tipps

Michael Heinen: Seit Samstag wissen wir: Serien sind dazu da, gebrochen zu werden. In Bremen wird das auch höchste Zeit. Nach dem 2:1-Auswärtssieg kann endlich der Einzug in die Champions League gefeiert werden.

Christoph Clausen: Kollege Heinen hat Recht. Bis auf das Gegentor. Nicht mit Yann Sommer.

Christian Spoo: Wir sind, auch wenn es im Moment zugegebenermaßen nicht so aussieht, immer noch Borussia. Deswegen werden wir auch in dieser Saison ums Zittern nicht herumkommen. Nach der 1:2-Auswärtsniederlage steht das Team gegen Augsburg unter Druck.

Thomas Häcki: Bremen MUSS gewinnen, Borussia kann auf Konter spielen. Außerdem läuft's im Moment. Da ich auch nicht Anti-Orakel spielen muss, tippe ich mal auf einen 3:2 Auswärtserfolg.

Christian Heimanns: Lucien Favre ist gekommen, um alle Uhren neu zu stellen. Nach dem 2:1 Sieg der Borussen können die Bremer in Leverkusen nachfragen, was alte Serien wert sind.