Es ist gerade mal 2 Wochen her da widmete der Kicker seine Titelstory dem Bundesligaspiel unserer Borussia gegen Schalke 04. Leider ist die Ausgabe mittlerweile bei uns im Recycling-Müll gelandet, weswegen ich jetzt nicht wortwörtlich daraus zitieren kann, aber „Gladbach hui – Schalke pfui“ ist wohl eine ganz gute Kurzzusammenfassung. Der Autor war voll des Lobes für das Spiel des damaligen Rückrundenersten, sah Schalke angesichts des dramatischen 5-Punkte-Rückstands auf die Borussia eher in den Abstiegskampf verwickelt wohingegen der VFL einer rosigen Zukunft entgegen strebend schien. Auch wenn dies nicht ganz explizit geschrieben wurde, so konnte man zwischen den Zeilen auch lesen, dass man sich  das UEFA-Pokal-Achtelfinale zwischen beiden Teams auch sparen könne, da die Gelsenkirchener komplett chancenlos sein würden.

Artikel wie dieser zeigen warum Fussballjournalisten so schnell arbeiten müssen, wartet man zulange so hat die schnellebige böse Realistät das wohlformulierte Dossier schon als kompletten Murks entlarvt, wobei man zugeben muss dass man diesen Murks vor 2 Wochen mit grosser Freude gelesen hat, sich an jedem Superlativ die Borussia betreffend genauso erfreute wie an der langen Liste von Problemen beim Traditionsverein aus dem Ruhrpott. Vier Tage hielt das Glück für die Anhänger der Borussia an. Das mag nicht allzu lang erscheinen, aber die nächsten Phasen des Glücks sollten noch um ein vielfaches kürzer sein. Die erste davon gab es am Donnerstag, den 9. März zwischen 20:20 und 20:30. Da lag die Borussia nämlich nach einem feinen Konter mit 1:0 auf Schalke in Führung und man konnte davon träumen den Einzug ins Viertelfinale der Europa-League schon im Hinspiel mehr oder weniger unter Dach und Fach zu bekommen. Nur 3 Tage später währte das Glücksgefühl immerhin 14 Minuten lang, in denen man auf einmal in der Blitztabelle den vor Wochen noch für unmöglich gehaltenen Platz 6 bekleidete und (fast noch wichtiger) endlich vor dem FC Köln lag. Nochmals 4 Tage später war die Welt zwischen 21:52 und 22:16 erneut völlig in Ordnung für alle Borussen. Man hatte sich den entscheidenen Vorteil im Rückspiel erarbeitet, führte auf eigenem Platz 2:0 und manch einer checkte zur Halbzeit schon mal die Flugverbindungen nach Manchester, Lyon oder Vigo.

Dreimal geführt, sich dreimal so dicht dran gefühlt am grossen Durchbruch in dieser Saison und doch stand man am Ende zunächst mal mit leeren Händen da. Zudem fiel noch ein zentraler Spieler nach dem anderen aus: Stindl, Johnson, Kramer, Dahoud…, kein Wunder dass niemand so recht Lust auf den Klassiker gegen die Bayern hatte, vor allem da der Ausgang sowieso klar erschien. Im Hinspiel hatte man selbst nach einem Sieg im Europapokal gegen die Bayern völlig lethargisch gewirkt, wie sollte das erst nach einer solch schmerzhaften Niederlage wie der gegen Schalke werden? Das Spiel bestätigte dann auch den Klassenunterschied: zumindest in dieser geschwächten Formation hatte die Borussia den  Bajuwaren wenig entgegenzusetzen ausser Kampf und Disziplin. Dies beides zeigte sie aber immerhin im Gegensatz zum Hinspiel und viel mehr gibt es zu diesem Spiel auch schon nicht mehr zu sagen.

„Where are we now?“ fragte David Bowie die Welt als er im Januar 2013 überraschend sein Comeback feiert und genau das ist wohl die Frage, mit der man sich auch in Mönchengladbach in der Länderspielpause beschäftigen wird. Nach 2 Liganiederlagen in Folge stellt man auf einmal fest, dass man trotz der immer noch guten Punkteausbeute in der Rückrunde nur 5 Punkte Vorsprung auf Platz 16 hat. Grund dafür ist, dass nicht nur der VFL sondern auch eine Reihe anderer Teams der unteren Tabellehälfte in den letzten Wochen gepunktet haben (HSV, Werder). Vergleicht man die Rückrundentabelle der Spieltage 18-25 mit der Hinrundentabelle so stellt man fest, dass sich fast alle Clubs der unteren Tabellenhälfte tabellarisch nicht verschlechtert oder verbessert haben (Mainz 05 ist die einzige Ausnahme). Im Durchschnitt stehen diese Teams in der Rückrundentabelle um fast 4 Plätze besser da. Was auf den ersten Blick höchst erstaunlich wirken mag, ist in Wahrheit nur eine sehr schöne Veranschaulichung des statistischen Phänomens der „Regression zur Mitte“, welches der britische Wissenschaftler Fancis Galton Ende des 19. Jahrhunderts als erster beobachtete. Auf den Fussball übertragen bedeutet das, dass eine Tabelle immer eine Mischung aus wahren Leistungsunterschieden und Zufall (Glück/Pech) wiederspiegelt. Der Zufall hat dabei jedoch die Tendenz sich auf Dauer auszugleichen, so dass die Mannschaften die in der Hinrunde unter ihrem eigentlichen Niveau gespielt haben, dies in der Rückrunde eher nicht mehr tun und umgekehrt Teams die mehr erreicht hatten als erwartet (RB Leizpig, Eintrach Frankfurt) etwas sinken werden. Je ausgeglichener eine Liga ist, umso stärker ist dieser Effekt und in dieser Saison wirkt die Bundesliga wenn man mal oben Bayern und Dortmund und unten Darmstadt und Ingolstadt ausklammert, sehr ausgeglichen.

Für die Borussia bedeutet das allerdings nicht nur, dass man nach unten noch nicht abgesichert ist, sondern gleichzeitig auch nach oben noch Möglichkeiten hat. Zum 6. Platz, der mit Sicherheit zumindest zur EL-Qualifikation führt sind es ebenfalls nur 5 Punkte und wie Schalke soeben gezeigt hat, lassen sich diese schon in 2 Spielen aufholen. Aus diesem Grunde ist es auch ein wenig absurd, wenn einige nach den Rückschlägen der letzten Wochen meinen, die Bundesligasaison sei nun für die Borussia schon gelaufen. In einer Liga, in der 10 von 18 Plätzen entweder zum Abstieg oder nach Europa führen können ist vor dem 30. Spieltag kaum eine Mannschaft jemals wirklich „jenseits von Gut und Böse“. Seltbst wenn der VFL zum Schluss einen langweiligen 10. Platz erreichen sollte, wird er auf dem Weg dahin mit grosser Wahrscheinlichkeit noch einmal unter oder oben mit ins Geschehen eingreifen. Es wäre daher fatal, würde man die Saison jetzt schon für beendet erklären und sich nur noch auf das DFB-Pokal-Halbfinale fixieren.

Wie der eingehend erwähnte Artikel des Kollegen vom Kicker zeigt, kann es sehr irreführend sein eine Einschätzung der Lage im wesentlichen auf den 1-2 letzten Spielen zu basieren und insofern sollten wir Borussias Aussichten nicht ausschliesslich auf Grund der Misere der letzten 2 Wochen beurteilen. Wenn man es schafft das EL-Aus psychisch wegzustecken und Stindl und Dahoud bald wieder ins Teams zurückkehren können, sollte es kein Problem sein, die nötigen Punkte zu holen um  mit der Relegation nichts zu tun zu haben. Ob und was dann noch nach oben geht, wird sich dann zeigen. Der Platzwart sollte sich unterdessen mal um den Maulwurf vor Sommers Tor kümmern.