Hätte Borussia Mönchengladbach gegen Eintracht Frankfurt gewonnen oder wenigstens eine gute sportliche Leistung gezeigt, hätte man die ärgerliche zweite Halbzeit in Augsburg als Ausrutscher auf dem Weg hin zu einer guten Form und zu einem vernünftigen Start in die Bundesligasaison werten können. Leider war dem nicht so. Nach der Niederlagen gegen die Hessen stehen der ordentlichen Leistung im Derby gegen Köln und einer akzeptablen ersten Halbzeit gegen Augsburg mehrheitlich problematische Auftritte gegenüber:

Eine äußerst zähe Angelegenheit im Pokal gegen Essen sowie die unerklärlich zaghaften und uninspirierten Auftritte gegen Augsburg in der zweiten Halbzeit und eben gegen Eintracht Frankfurt. Die Gladbacher Probleme lassen sich gut charakterisieren mit zwei wörtlichen Zitaten aus einer englischsprachigen Fernsehreportage vom letzten Samstag: „Gladback seems to be a bit lethargic“ und „This was another very slow build as seen many times today“. Neben dem lethargischen und sehr langsamen Aufbauspiel waren es insbesondere die offenen Räume in der Defensive, die für einen langjährigen Beobachter von Borussia Mönchengladbach ungewohnt und damit irritierend sind. Die letzten beiden Spiele erweckten den Eindruck, als seien alle Qualitäten, die das Team in den letzten Jahren ausgezeichnet haben, komplett ausradiert: Verlorengegangen die Kompaktheit in der Defensive, die den Gegner in enge Räume zwang und ihm damit Raumgewinn in der Gladbacher Hälfte extrem schwer machte. Verlorengegangen auch die Präzision und Geschwindigkeit im Spielaufbau gepaart mit dem Vermögen, in der Offensive das Spielfeld breit zu machen und sich damit Räume zu schaffen und – um einen Modeausdruck dieser Tage zu benutzen – den Gegner zu „überspielen“.

Das wäre nun kein Problem, würde man stattdessen ein neues Konzept erkennen können, eine klare Ausrichtung, eine Idee, wie die Mannschaft agieren soll oder will. Das ist aber nicht der Fall. Man gewinnt stattdessen den Eindruck, dass Dinge versucht werden, die nicht zur Zusammenstellung des Kaders passen, beispielsweise Flanken in Räume, die mangels zentralem Stürmer gar nicht bespielt werden. „Ungewöhnlich gewöhnlicher Fußball“, wie es die Kollegen von TORFABRIK zutreffend bezeichnen. Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen jedenfalls nach außen nicht gerade so etwas wie Problembewusstsein zeigen. Es mag zwar sein, dass die Kommunikation nach innen eine andere ist. Dennoch wirkt die stetige Wiederholung von die Ursachen externalisierenden Phrasen wie „der Gegner hat es gut gemacht“ oder „haben viel investiert“ ein wenig, als seien einige in einer Filterblase gefangen und als sei in Mönchengladbach manchmal ein bisschen zu viel Wohlfühlatmosphäre im Team.

Was hat das alles mit einem Vorbericht auf das Spiel gegen das Marketingvehikel eines Dosenproduzenten zu tun? Auf Borussia kommt ein Gegner zu, in dessen DNA es ohnehin liegt, hoch und aggressiv zu pressen und den gegnerischen Spielaufbau zu stören. Das Trainerteam von Red Bull wird sich die Spiele gegen Augsburg und Frankfurt sorgfältig angeschaut haben. Aus deren Sicht kann die Schlussfolgerung nur sein, von Anfang an mit Vollgas gegen den Gladbacher Spielaufbau zu agieren, die aus den letzten beiden Spiele bekannten Ballverluste zu provozieren und dann die Schnelligkeit eines Timo Werner ausnutzend in die weit offenen Räume vor und in der Borussenabwehr hineinzustoßen.

Wie kann Borussia dieses Szenario verhindern? „Kompakt stehen, schnell umschalten!“ ist eine der meistgebrauchten Fussballfloskeln – in diesem Fall wäre das wohl nicht die schlechteste Strategie, so wie sich insgesamt die Frage stellt, ob die (derzeitige, auch verletzungsbedingte) Zusammensetzung des Kaders nicht eine Rückkehr zu einem defensiveren, auf Sicherheit bedachten und schnelle Konter anstrebenden Stil angezeigt sein lässt.

Nachdem Grifo und Jantschke weiter ausfallen und sich im Testspiel auch noch Benes verletzte, stellen sich weite Teile der Mannschaft von selbst auf. Das einzig Spannende dürfte diesbezüglich die Frage danach sein, wer aus dem Quartett Hazard, Herrmann, Johnson und Hofmann die Außenbahnen bespielen darf. Unter der Prämisse, dass man einerseits defensiv sicherer agieren möchte und andererseits schnell nach vorne spielen will, spricht einiges dafür, den deutlich robusteren Fabian Johnson anstelle von Thorgan Hazard aufzustellen, auf der rechten Seite aber erneut auf Herrmann zu setzen, der vielleicht in diesem Spiel seine Schnelligkeit einmal ausspielen kann.

In jedem Fall – das ist eine Wiederholung aus dem letzten Vorbericht – muss das Auftreten ein anderes sein als im letzten Spiel. Mit der Lethargie der letzten drei Halbzeiten wird man in Leipzig unter die Räder geraten.

 

Denkbare Aufstellungen:

Borussia: Sommer - Elvedi, Ginter, Vestergaard, Wendt - Kramer, Zakaria - Herrmann, Johnson - Stindl, Raffael

Rote Brause: Gulacsi - Bernardo, Orban, Upamecano, Halstenberg - Kampl, Laimer - Sabitzer, Bruma - Ti. Werner, Augustin

 

Der SEITENWAHL-Tipp:

Uwe Pirl: Borussia gelingt es nicht, den Schalter umzulegen. Der Gegner ist von seiner Champions-League-Premiere mehr euphorisiert als erschöpft und überrollt die Gladbacher. 3:0 für das Marketingvehikel.

Christian Spoo: Borussia fällt früh auseinander und ertrinkt buchstäblich in rotem Gummibärchensaft. Leipzig gewinnt 4:0 und kann am Ende beruhigt zwei Gänge runterschalten.

Claus-Dieter Mayer: Europapokalmüde Leipziger tun sich gegen sehr defensive Borussen schwer, am Ende steht ein 0:0 in einem unansehnlichen Fussballspiel.

Michael Heinen: In Leipzig ist für Borussia leider nichts zu holen. Der "sympathische Ost-Klub" nutzt Borussias Defensivschwächen gezielt aus und ist beim 2:0 noch gnädig.

Thomas Häcki: Gewöhnlich tut sich die Borussia gegen spielstarke Gegner weniger schwer. Was die Teams unterscheidet ist die Gier zu gewinnen. Leipzig gewinnt am Ende problemlos 3:0.