Zweimal geführt, zweimal den Ausgleich kassiert – trotzdem muss man aus Borussensicht nach dem 2:2 in Wolfsburg wohl eher von einem Punktgewinn, denn von einem Punktverlust sprechen. Die Partie war über weite Strecken ausgeglichen, wenn es aber eine stärkere Mannschaft gab, dann war das eher die gastgebende. Trotzdem gab es nach dem Spiel vor allem Diskussionen um eine Chance für Borussia, die keine sein durfte – und das lag einmal mehr am Videobeweis bzw. in diesem Fall daran, dass er nicht zu Rate gezogen wurde. 

Beim Spielstand von 2:2, acht Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit tritt Maximilian Arnold Marcus Thuram im Strafraum gegen das Schienbein. Thuram fällt, der Pfiff des Schiedsrichters bleibt aus. Alle erwarten, dass diese Szene überprüft wird, aber es kommt anders. Nach einigen Diskussionen auf dem Platz und einem kleinen Handgemenge, das die Kapitäne Arnold und Stindl mit je einer gelben Karte beenden, läuft die Partie mit Eckball weiter. 

Das Problem hierbei ist die uneindeutige Handhabung solcher Situationen durch Feld- und Videoschiedsrichter. Geht man davon aus, dass das Foul von Arnold an Thuram ein „Kann-Elfmeter“ ist, aber kein „Muss-Elfmeter“ und dass Schiedsrichter Benjamin Cortus die Szene gut gesehen hat, dann ist es korrekt, dass der VAR nicht eingegriffen hat. Leider handelt der VAR aber in der Regel nicht regelgerecht. Unzählige Eingriffe in solchen Situationen hat es gegeben, Schiedsrichter wurden überstimmt oder zum Field-Review gebeten, obgleich sie sich klar und deutlich und mit guter Sicht auf die Dinge entschieden hatten. Es bleibt schlicht ein Roulettespiel, ob und wann „Köln“ sich meldet, und das macht das gesamte Videoschiedsrichterwesen so unerquicklich. 

Wie gesagt: Man hätte den Elfmeter nicht geben müssen. Aber es muss klar, konsistent und nachvollziehbar sein, wann der VAR eingreift und wann nicht. Ansonsten wird die Debatte über mehr oder weniger Gerechtigkeit durch dieses Hilfsmittel nie aufhören. Dass es vor der vermeintlichen Elfmetersituation einen Freistoß dank einer eindeutigen Thuram-Schwalbe gab, darf bei der Bewertung keine Rolle spielen. Sollte es eine Konzessionsentscheidung gewesen sein, bleibt offen, wer Cortus auf seinen Fehler hingewiesen hat. Außerdem gehört die Konzessionsentscheidung nicht ins Fußball-Regelwerk. 

Zum Spiel: Borussia lief wie erwartet fast mit derselben Elf auf, wie in den letzten Spielen. Allein der verletzte Kramer wurde durch Plea ersetzt. Nach einer eher vorsichtigen Anfangsphase beider Teams nahm die Partie mit dem 1:0 an Fahrt auf. Thuram hatte sich im Strafraum von links kommend gut durchgesetzt und ansatzlos und trocken abgeschlossen. In der Folge beherrschte Borussia das Spiel, verlor aber nach 30 Minuten aus unerklärlichen Gründen den Faden. In der Abwehr häuften sich Stellungsfehler, im Mittelfeld fehlte die Ballsicherheit, Wolfsburg erkämpfte sich ein ums andere Mal den Ball, der Spielaufbau auf Gladbacher Seite klappte nicht mehr. Nur folgerichtig war der Ausgleich durch Gerhardt, bei dem Scally Kaminski widerstandslos auf den starken Otavio passen ließ und Friedrich und Weigl sich nur zum Ball orientieren und Gerhadt in ihrem Rücken völlig blank stehen lassen. 

Die zweite Halbzeit begann für Borussia, wie es besser nicht hätte sein können. Nach Ecke Hofmann auf Thuram bekamen die Wolfsburger den Ball nicht Weg, im zweiten Versuch traf der Franzose durch die Beine seines Gegenspielers zum 2:1. Wie schon in der ersten Halbzeit beherrschte Borussia nach der Führung Ball und Gegner. Zeitweise sah das sehr souverän aus – und dann lief es genau wie in Halbzeit eins. Ohne erkennbaren Grund kehrte im Mittelfeld der Schlendrian ein, zwei-drei unmotivierte Ballverluste an der Mittellinie ließen nichts Gutes ahnen und der vierte, bei dem sich Koné beim Versuch, ungestüm durchs Mittelfeld zu pflügen, den Ball viel zu weit vorlegte, war einer zu viel, Arnold leitete einen Angriff ein, Vorbereiter war erneut Otavio und Torschütze Omar Marmoush, der etwas allein war, den Ball aber auch sehenswert annahm und verarbeitete. Danach war Wolfsburg am Drücker bis eben zu der eingangs geschilderten Situation: Schwalbe Thuram, Riesenchance durch Freistoß Bensebaini und das Foul von Arnold an Thuram. Danach gab es noch eine Großchance für Wolfsburg, so dass man am Ende mit dem Punkt doch gut leben kann. 

Unter dem Strich war Wolfsburg sicher stärker als von vielen erwartet. Die Mannschaft aus Niedersachsen war sehr ordentlich organisiert und ließ sich durch den doppelten Rückstand nicht aus der Fassung bringen. Borussia machte kein schlechtes Spiel, brach aber zweimal in Situationen, in denen man den Gegner im Griff zu haben schien, auf unerkärliche Weise ein. Auch die gegen Köln so ball- und passicheren Koné und Weigl sorgten diesmal nicht für die nötige Stabilität. So wartet das Team von Daniel Farke weiter auf den ersten Auswärtssieg und bekommt es nächste Woche im eigenen Stadion mit einer Frankfurter Mannschaft zu tun, die Bayer Leverkusen zeitgleich komplett auseinandergenommen hat. Zwischendurch ist noch Pokal, aber der hat ja bekanntlich.