Borussen Check23Im dritten Teil unseres Bundesliga-Checks geht es um die Vereine, die sich nicht für europäische Wettbewerbe qualifizieren konnten. Wäre das bei allen Zielsetzung gewesen, hätte man das mit „Die Enttäuschten“ überschreiben können, was aber auf Köln und Mainz nicht zutrifft. Wäre nicht Wolfsburg dabei, hätte die Überschrift gelautet „Die Karnevalsvereine“. Passt also auch nicht. Bleiben wir also bei den Fakten und präsentieren: „Die Mittelmäßigen“ (wobei wir einen Verein natürlich ausklammern, der in der Vorjahrestabelle völlig unverdient zwischen Köln und Mainz eingeklemmt wurde …):

1. FC Köln (Claus-Dieter Mayer)

Auch wenn man rein tabellarisch 4 Plätze schlechter abschnitt als im Vorjahr, war man in Köln sehr zufrieden mit der abgelaufenen Saison. Die Abgänge solcher Schlüsselspieler wie Modeste und Öczan, der langfristige Ausfall von Marc Uth, die Zusatzbelastung durch die Conference League sowie die zu erwartende Regression zur Mitte nach dem überraschendem 7. Platz in der Saison 21/22 konnten befürchten lassen, dass es eine schwere Saison für den FC werden könnte. Allen Unkenrufe zum Trotz spielte das Baumgart-Team aber eine weitestgehend sorgenfreie Spielzeit und lieferte sich zum Schluss mit der Borussia einen heißen Kampf um die Plätze 10 und 11 in der Abschlusstabelle.  Der Fußball, den man dabei präsentierte, war vielleicht nichts für Feinschmecker und Taktik-Fetischisten, aber auf Grund der Dynamik und des hohen Einsatzes durchaus unterhaltsam und für viele Gegner auch sehr unangenehm. So gelang es unter anderem z.B. den ersten 3 der Liga einen (Bayern), zwei (Leipzig) oder gar drei (Dortmund) Punkte abzuluchsen.

Dass überhaupt in Sachen Transfers irgendetwas beim FC Köln passiert, hat die Mannschaft dem internationalen Sportsgerichtshof CAS zu verdanken, der eine völlig zu Recht von der Fifa verhängte Transfersperre gegen den FC (man hatte auf ziemlich dreiste Art und Weise einen jungen slowenischen Spieler zur Vertragsauflösung bei seinem Heimatverein überredet, um eine Ablöse einzusparen) bis zur Berufung aufhob und die Kölner damit vor einer katastrophalen Lage im Sommer bewahrte. So sehr die Verluste von Jonas Hector (hatte verständlicherweise die Schnauze vom FC voll) und Skhiri (ablösefrei nach Frankfurt) den Kader schwächen, hat man nun zumindest die Möglichkeit, Spieler zu verpflichten. Der finanzielle Rahmen dafür ist allerdings weiterhin sehr begrenzt. Einzig für den Kauf des bislang aus Genua ausgeliehenen Innenverteidigers Chabot hat man 2.45 Millionen Euro in die Hand genommen. Die restlichen Zugänge bestehen bislang aus Leihen (vor allem Luca Waldschmidt, aus Wolfsburg kommend) oder ablösefreien Spielern, von denen Paqarada (von St. Pauli) in der Verteidigung und der Däne Christensen im defensiven Mittelfeldspieler wohl die größten Stammplatzchancen haben. Fast sowas wie ein Neuzugang ist der nach fast einem Jahr Pause mit Schambein/Adduktoren-Problemen zurückgekehrte Mark Uth, der mit seinem Spielverständnis und seiner Erfahrung ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft werden könnte, wenn er denn gesund bleibt.

Auch wenn die Transferperiode noch eine Weile andauert, wird sich an der finanziellen Lage der Kölner wenig ändern, so dass keine ganz dramatischen Dinge mehr zu erwarten sind. Einen sicheren Platz in der Tabellenmitte zu ergattern, ist realistisch betrachtet erneutet das höchste der Gefühle für die Karnevalisten. Die Stärke des Vereins in den vergangenen 2 Jahren war, aus bescheidenen Mitteln das optimale herauszuholen: einem Verein, der selbst Davie Selke dazu bringt Leistung abzuliefern, muss man schon (wenn auch extrem widerwillig) Respekt zollen. Eine ganz wichtige Komponente ist dabei natürlich der Trainer Steffen Baumgart, der sich in 2 Jahren Tätigkeit einen absoluten Kultstatus in Köln erworben hat. Selbst wenn diese Saison nicht so gut läuft wie zuletzt, sollte der Kader die Qualität haben, sich von den letzten 3 Plätzen fern zu halten. Allerdings darf man als ein dem FC nicht so völlig wohl gesonnener Gladbach-Fan die Hoffnung auf einen spektakulären Absturz der Geißbock-Elf nie so ganz aufgeben: Die selbstzerstörerischen Kräfte in Köln mögen im Augenblick ruhen, aber sie werden mit Sicherheit irgendwann wieder aufwachen und für munteres Chaos sorgen. Vorerst prognostizieren wir allerdings ein langweiliges Abschneiden zwischen den Plätzen 10-14 für den Erzrivalen.

1. FSV Mainz 05 (Michael Oehm)

Die Abschlusstabelle zeigte Mainz 05 nur einen Platz und drei Punkte vor der Borussia, trotzdem könnte die Wahrnehmung der abgelaufenen Saison bei beiden Vereinen unterschiedlicher nicht sein. Das lag vor allem an der starken Rückrunde, die die Mainzer einer soliden Hinrunde bis zum 30. Spieltag folgen ließen und in der Mainz 05 in ungewohnten Gefilden, nämlich in der Nähe zu den europäischen Plätzen rangierte. Erst eine Niederlagenserie zum Abschluss der Saison, die dann noch einmal durch ein Unentschieden in Dortmund (dazu später mehr) gestoppt werden konnte, ließ die Träume dann platzen. Am Ende stand dann Platz 9, ein nahezu ausgeglichenes Torverhältnis und mit 46 Punkten fehlten 5 nach Europa. Das ist für Mainz sehr ordentlich. 

Und dennoch: Derzeit weiß man in Mainz nicht so ganz richtig, was man davon halten soll. Die meisten betonen die starke Saison und das geben die Ergebnisse auch her. Einzig diese Niederlagenserie am Schluss, vor allem eine enttäuschende Heimniederlage gegen den späteren Absteiger S04, als man sich niederkämpfen ließ und 12 Minuten nach Ende der regulären Spielzeit den verdienten Knockout kassierte, hat doch Spuren hinterlassen. Die dahinterliegende Frage ist natürlich, ob nur die Puste ausging oder ob die Mannschaft aufs rechte Maß zurechtgestutzt wurde. Letzteres verneint bestimmt Trainer Bo Svensson, der in Mainz absolut unumstritten ist und dessen Verlängerung man sich ein Jahr vor Vertragsende erhofft. Dabei helfen soll der namhafteste Neuzugang Sepp van den Berg, der als Leihgabe von der Anfield Road an den Bruchweg kommt. Da wird er aber dann merken, dass die Mainzer mittlerweile in einem Getreidefeld vor den Toren der Stadt spielen, in einem roten Kasten, der den nunmehr dritten Namensunfall trägt.  

Ansonsten hat man Krauß vom sympathischen Herrn Eberl aus Leipzig loseisen können. Verloren hat man ablösefrei Aaron nach Genua, der aber zuletzt nicht mehr die ganz große Rolle spielte. Dem langjährigen Spieler Ingvartsen, der auch in der abgelaufenen Saison noch 10 Tore erzielte, erlaubte man den Wechsel in die Heimat, auch weil man sich mehr Tore von Nachwuchstalent Nelson “Nelly” Weiper (erstes Bundesligator in der letzten Saison bei einem 4:0 gegen Borussia Mönchengladbach) erhofft. Zuletzt aber wechselte Svensson Weiper in einem Testspiel zur Halbzeit ein und nach 26 Minuten wieder aus, weil Nelly nicht gespurt hatte. So ist er nämlich, der Bo. 

Was kann man nun in der kommenden Saison erwarten? Tja, das Zusammenspiel vieler Faktoren wird den Ausschlag geben: Immer noch ist Mainz der Karnevalsverein, der ein deutlich ruhigeres Arbeiten ermöglicht, und Svensson ist auch in dieser Saison zuzutrauen, eine unangenehm zu bespielende Mannschaft zu formen. In den Testspielen stand die Dreierkette bereits sicher. Fraglich ist, ob das Verletzungspech den Mainzern treu bleibt oder sich ein anderes Opfer sucht. Hochtalentierte Spieler wie Angreifer Burkardt standen zu selten zur Verfügung. Mainz 05 hat also Chancen, wieder in der ersten Tabellenhälfte zu landen, sicher. Und nach unten sollte auch in dieser Saison nicht zu viel anbrennen, dazu hat man zu viel Qualität im Kader. Aber für viel mehr braucht man auch viel Fantasie. Mal gucken, ob sie die in Mainz haben.

VfL Wolfsburg (Volkhard Patten)

Im 28. Jahr seiner Bundesligazugehörigkeit hat der VfL Wolfsburg vor der Spielzeit 2023/24 wieder einmal seinen Kader gehörig durchgewürfelt. Mit Marin Pongracic, Felix Nmecha, Pauolo Otávio, Joshua Guilavogui, Mickey van der Ven und Luca Waldschmidt verlassen sechs Spieler den Verein, die zum erweiterten Stamm gehören. Für den nicht immer unumstrittenen Trainer Niko Kovac wird es nun wieder darauf ankommen, schnell eine schlagkräftige Einheit zu formen. Für den Tabellensiebten der abgelaufenen Saison bleibt dafür auch viel Zeit, denn für den Europapokal konnte sich das Volkswagen-Werksteam nicht qualifizieren.

Guckt man sich die Tabelle der letzten Spielzeit an, sieht man schnell, dass Wolfsburg in der Offensive der Schuh drückt. Gerade einmal 57 Toren stehen 48 Gegentreffer gegenüber. Vor allem Waldschmidt, den der VfL aus Lissabon geholt hatte, blieb vieles von dem schuldig, was man sich von ihm versprochen hatte. In der zurückliegenden Spielzeit kam er auf 18 Bundesligaeinsätze, in denen er vier Tore erzielte. Nun wird er für eine Saison an den 1. FC Köln ausgeliehen. Seine Position wird aller Voraussicht nach Vaclav Cerny einnehmen. Der Tscheche wechselt von Twente Enschede in die Bundesliga. Die Misere in der Sturmspitze soll der Portugiese Tiago Tomás beheben. Der 21-jährige wechselt von Sporting Lissabon in die niedersächsische Provinz. Dass er in der Bundesliga weiß, wo die Hütte steht, hat er bereits in Stuttgart bewiesen. Dort machte er in 41 Spielen sieben Tore. Viel wird auch davon abhängen, ob Lukas Nmecha wieder zu alter Stärke zurückfindet. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Felix hat hingegen schon den nächsten Schritt seiner Karriere gemacht und wechselt für 30 Millionen Euro zu Borussia Dortmund. Der Abgang von Mickey van de Ven zu Tottenham spült die zweithöchste Ablöse in der Klubgeschichte in die Vereinskasse. Die Wolfsburger gönnten sich dafür gleich zwei neue Innenverteidiger, aus Bern wechselt Cédric Zesiger zum VfL, Moritz Jenz holten die Wolfsburger aus Lorient. Auffällig in Wolfsburg ist, dass Spieler wie Ridle Baku, Lukas Nmecha und Sebastiaan Bornauw in ihren Leistungen stagnieren.

Der VfL Wolfsburg wird in der kommenden Saison so etwas wie die Wundertüte der Liga sein. Wenn Kovac es schafft die Neuzugänge, das verjüngte Team schnell zu einer Einheit zu formen und das vorhandene Potenzial freizusetzen, ist durchaus ein Platz im europäischen Geschäft möglich. Dazu kommt ein relativ leichtes Auftaktprogramm mit einem Heimspiel gegen Aufsteiger Heidenheim und dem Spiel in Köln, bevor es die neuformierte Abwehr des VfL am dritten Spieltag mit Wout van Weghorst zu tun bekommt, der ja auf Leihbasis zur TSG nach Hoffenheim gewechselt ist. Eine weitere Saison im trüben Mittelfeld der Liga werden sich die Verantwortlichen um Marcel Schäfer und Sebastian Schindzielorz aber mit Sicherheit nicht auf Dauer ansehen.