Borussen Check23Weiter geht’s mit dem Bundesligacheck. Teil 4 widmet sich den Regionen der Tabelle, die man aus Gladbacher Sicht gern bevölkern würde, die aber aus der Perspektive von Serienmeistern schon mal als Cup der Verlierer betitelt wurden. Und ja, auch Max Kruse spielt lieber in Paderborn, als sich bei gutem Verlauf im Endspiel der Europa Conference League mit Vereinen wie dem AS Rom, Feyenoord Rotterdam, dem AC Florenz oder auch West Ham United auseinandersetzen zu müssen. Ganz anders sehen das die nachfolgend besprochenen Teams. Hier sind sie also, die „überzeugten Europäer“:

Eintracht Frankfurt (Claus-Dieter Mayer)

Am Ende der abgelaufenen Saison, war man in Frankfurt etwas ratlos, wie man das denn nun alles so beurteilen sollte.  Schaut man sich nur die Abschlusstabellen der beiden vorangegangenen Jahre an, so ist die Eintracht vom 11. auf den 7.Platz gesprungen und sollte damit eigentlich zufrieden sein. Schaut man aber auf die Hinrunden-Tabelle der letzten Saison, so lag die SGE noch im Januar dieses Jahres auf einem Champions-League Platz vor Borussia Dortmund mit nur 5 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Bayern München, stand als amtierender Europa-League Sieger im Achtelfinale der Champions-League und hatte mit Kolo Muani den vielleicht heißesten jungen Stürmer Europas in ihren Reihen. Was dann geschah, war seltsam: Eine anscheinend kleine Formdelle dehnte sich zu einer Serie von 10 sieglosen Spielen in der Liga aus, was vor allem Trainer Oliver Glasner zunehmend zu irritieren zu schien. Anstatt Ruhe zu bewahren, brach eine anscheinend schon länger in ihm schwelende Unzufriedenheit mit der Arbeit von Sportvorstand Markus Krösche und der Kaderzusammenstellung in Pressekonferenzen aus ihm heraus und störte das Betriebsklima bei der Eintracht erheblich. Die gleichzeigen Gerüchte um einen Rücktritt des Vorstandssprechers Axel Hellmann zu Gunsten eines dauerhaften Jobs als DFL-Geschäftsführer trugen ebenfalls dazu bei, dass innerhalb weniger Wochen der „Bayernjäger Nummer Eins“ (Schlagzeile nach dem 16. Spieltag als man auf dem zweiten Platz stand) zur „Zwietracht“ Frankfurt wurde. Erst als die Trennung von Glasner bekannt wurde und Hellmann seinen Verbleib öffentlich machte, kehrt wieder etwas Ruhe ein und um im finalen Saisonspiel schaffte man dann quasi in letzter Sekunde noch den Sprung in die Conference League.

Als Nachfolger von Glasner berief die Eintracht etwas überraschend Dino Topmöller auf den Trainerposten. Für den 42-jährigen vorherigen Assistenten von Julian Nagelsmann (sowohl in Leipzig als auch bei Bayern) ist es das erste Engagement als Chef-Trainer auf Bundesliga-Niveau. Ein Problem für den neuen Trainer (wie auch für den Autor eines solchen Bundesligachecks) ist, dass er noch nicht so recht weiß, mit welchem Personal er denn nun in die neue Saison gehen wird. Drei Wochen vor Ende der Transferperiode ist es immer noch möglich, dass der Eintracht die wichtigsten Offensivkräfte Lindström und Kolo Muani abgekauft werden. Mit den schon erfolgten Abgängen von Stammspielern wie Kamada, Sow, Borré und Ndicka wäre das schon ein erheblicher Umbruch. Als echte Neuzugänge (neben einigen in Käufe verwandelte Leihen) kann die Eintracht bislang vor allem Defensivkräfte (William Pacho von Royal Antwerpen, Robin Koch von Leeds United) und Mittelfeldspieler (Hugo Larsson aus Malmö, Skhiri aus Köln) verzeichnen. Die verpflichteten Stürmer (Ngankam von Hertha, Marmoush aus Wolfsburg) werden vermutlich eher als Ergänzungsspieler geplant sein, so dass bei eventuellen Verkäufen von Lindström und/oder Kolo Muani Handlungsbedarf bestünde.

Eine Prognose fällt auf Grund der Transfer-Unklarheit schwer. Die Gladbacher Borussia wird in Frankfurt oft so ein bisschen als Vorbild gesehen, was die Ziele angeht: Man möchte der Traditionsverein sein, der dauerhaft um internationale Plätze mitspielt. Mit 5 einstelligen Platzierungen in den letzten 6 Spielzeiten, sowie den Erfolgen im DFB-Pokal und in der Europa-League ist das in der jüngeren Vergangenheit recht gut gelaufen, auch wenn der Mannschaft in der Liga öfters zum Schluss die Puste ausging. Diese Erfolge sind umso bemerkenswerter, als es weder auf Spieler-, Trainer- noch Manager-Ebene besondere Konstanz in den letzten Jahren bei der Eintracht gab. Ob es der Abgang von Nico Kovac, der Verlust der „Büffelherde“ oder der schäbige Verrat von Adi Hütter war: die Eintracht fiel immer wieder auf ihre Füße. Für die allerobersten Ränge wird es vermutlich auch diesmal nicht reichen, aber irgendwas zwischen Platz 6-10 ist auch der neuen Eintracht zuzutrauen.

Bayer Leverkusen (Christian Spoo)

Wenn vor der Saison getippt wird, wer Deutscher Meister wird, nennen in der Regel mehr als 90 Prozent der Befragten den FC Bayern München. Einige geben stattdessen Scherzantworten und dann gibt es immer einen Geheimfavoriten, der „es packen kann, wenn Bayern schwächelt“. Traditionell ist das im 21. Jahrhundert der Ballsportverein Dortmund. Nachdem der aber vor einigen Monaten bewiesen hat, dass er selbst dann patzt, wenn der Ball schon auf der Linie liegt, kristallisiert sich vor der neuen Saison ein anderer Avantgarde-Tipp heraus: Bayer Leverkusen.

Das mag an der starken zweiten Saisonhälfte 22/23 der Leverkusener liegen, das mag am Charisma des Trainers liegen oder aber an den Transfers, die einen starken Kader noch stärker zu machen versprechen.

Mit Xabi Alonso ist man in Leverkusen sehr zufrieden, so dass man den Vertrag mit dem Spanier unlängst um zwei Jahre verlängerte. So wird Bayer, wenn Alonso nach dieser oder der kommenden Saison zu Real Madrid geht, wohl eine stattliche Summe kassieren. Der Trainer wurde bei Transfers zuletzt immer als ein Grund dafür genannt, dass Leverkusen für ambitionierte Spieler eine interessante Adresse ist. Borussia hat das am eigenen Leib schmerzhaft gespürt. Der Blitz-Abgang von Jonas Hofmann hat Roland Virkus und vielen Anhängern weh getan. Aus Sicht des Spielers ist der Wechsel logisch und nachvollziehbar. Und Alonso hat in der Vorbereitung gezeigt, dass der mit dem Nationalspieler in der ersten Elf plant. Mit Granit Xhaka ist ein zweiter Ex-Borusse jetzt in Leverkusen aufgeschlagen, der das Team mit seiner Spielintelligenz und Kampfkraft verstärken wird.

Auch in der Defensive hat Leverkusen zugelangt. Ein rechter und ein linker Verteidiger sind neu dabei: Mit dem jungen Arthur Augusto de Matos Soares, kurz Arthur, konnte Leverkusen einen brasilianischen Nationalspieler verpflichten, der rechts hinten spielen soll. Für die linke Seite wurde Alejandro Grimaldo von Benfica Lissabon geholt. Im Angriff hat sich Bayer die Dienste des europaweit gefragten Victor Boniface vom Belgischen Top-Club St. Gilles gesichert. Mit Patrick Schick, Boniface und Adam Hlozek ist das Team im Sturmzentrum exzellent besetzt. Allein für Flügelstürmer Moussa Diaby, der für mehr als 50 Millionen in die Premier League verkauft wurde, wurde noch kein 1:1-Ersatz verpflichtet, das soll aber noch kommen. Ansonsten verabschiedete Leverkusen sich vom Gladbacher Publikumsliebling Mitchell Bakker und von Kerem Demirbay. Nadiem Amiri könnte noch gehen, wie die Vorgenannten hat er bei Bayer wenig Perspektive.

Angesichts der Kaderstärke trägt Bayer Leverkusen die Bürde des Geheimfavoriten zu Recht. Wenn die Neuzugänge einschlagen, ist das Team unter dem Strich stärker als in der Vorsaison. Da gleichzeitig in München wieder der FC Hollywood Einzug gehalten hat und Dortmund Dortmund ist, könnte es mit der ersten Meisterschaft tatsächlich klappen.

SC Freiburg (Uwe Pirl)

Machen wir weiter mit denen, die sich fragen, wie sie die abgelaufene Saison bewerten sollen. Fragte man Christian Streich, würde der mit voller Überzeugung versichern, dass der SC Freiburg eine herausragende Saison auf Platz 5 abgeschlossen hat, wo doch das einzige Ziel der Klassenerhalt gewesen sei. Hörte man nach den letzten vier Saisonspielen, in denen die Freiburger drei Niederlagen einstecken mussten (u.a. gegen die direkten Konkurrenten aus Köpenick und Fuschl am See), den Spielern zu, war die Enttäuschung darüber nicht zu verkennen, die Qualifikation für die Champions League knapp verpasst zu haben.

Vor der neuen Saison haben die Breisgauer zwei Spieler verloren, die eigentlich zum Inventar gehörten: Nils Petersen, weil der seine Karriere beendet hat, Jonathan Schmid, weil bei er den gestiegenen Freiburger Ansprüchen nicht mehr mithalten konnte und keinen neuen Vertrag mehr bekam. Darüber hinaus hat der FC Brentford nach Kevin Schade nun auch noch Mark Flekken geholt, offensichtlich ist man dort mit Freiburger Exporten sehr zufrieden. Aus dem erweiterten Stamm ging noch Woo-yeong Jeong nach Stuttgart, wo er sich mehr Spielzeit erhofft. Der Abgang eines 16jährigen Supertalents nach Barcelona betrifft die Bundesligamannschaft nicht unmittelbar, zeigt aber, dass man auch im beschaulichen Freiburg mittlerweile auf dem Radar der ganz Großen ist. Flekken macht den Weg frei für Noah Atobolu, der so etwas wie der Freiburger MAtS sein soll. Dazu wurde mit Florian Müller ein stammplatztauglicher Backup geholt. Als Ersatz für Petersen holte man mit Junior Adamu einen noch entwicklungsfähigen Stürmer aus Salzburg, der jedenfalls in Österreich seine Treffsicherheit bewiesen hat. Ansonsten rücken wie immer einige Freiburger Talente aus der eigenen Jugend bzw. der Drittliga-U23 in den erweiterten Kader der Bundesligamannschaft.

Wo ist Freiburg in der neuen Saison anzusiedeln? Als Ziel den Klassenerhalt auszugeben, wird immer weniger glaubwürdig. Vielleicht sollten Streich & Co. mal eine Anleihe bei einem ehemaligen Gladbachmanager nehmen und für diese Saison den „Einstelligkeitshattrick“ als Ziel ausgeben. Platz 9 ist im Grunde das Mindeste, was man Freiburg zutrauen muss. Bei gutem Verlauf auch mehr.