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Mit dem bevorstehenden Kauf des Brasilianers Raffael, den die Kollegen der Torfabrik sogar schon als perfekt vermelden, dürfte Borussias Kaderplanung für die kommende Saison weitgehend abgeschlossen sein. Nachdem Lucien Favre in der Vorsaison des Öfteren beklagt hatte, in der Offensive zu viele ähnliche Spielertypen zur Verfügung zu haben und es ihm über die ganze Saison hinweg nicht gelang, die optimale Offensivformation zu finden, wurde dieser Baustelle jetzt mit dem Kauf zweier großer Namen begegnet. Auf dem Papier verfügt Borussia damit über die stärkste Offensivreihe der letzten Jahrzehnte. Die Polyvalenz der Neuen verspricht zudem eine taktische Variabilität, die Borussias Trainer alle Optionen offen hält.

Gerade der Kauf seines Ziehsohns Raffael dürfte Lucien Favres Herz höher schlagen lassen. 2005 lotste er den damals 20jährigen

zum FC Zürich, wo die beiden zwei Schweizer Meisterschaften zusammen feiern konnten. Als der Erfolgscoach 2007 nach Berlin wechselte, dauerte es nur ein halbes Jahr, ehe ihm sein Lieblingsschüler in die Bundesliga folgte. Den sensationellen 4. Platz mit der Hertha hatte Favre auch dem immer stärker auftrumpfenden Raffael zu verdanken, der allerdings seinen Rauswurf in der darauf folgenden Saison – u. a. aufgrund von Verletzungen – nicht zu verhindern verstand. Ohne Favre stieg Raffael in seinen insgesamt 4 ½ Berliner Jahren zweimal in die 2. Liga ab, wobei er aber stets zu den besten Akteuren des Hauptstadtklubs gehörte. Einmal folgte er dem Verein ins Unterhaus. Beim zweiten Abstieg blieb ihm dies erspart – nicht zuletzt, weil sich mit Dynamo Kiew ein höchst zahlungskräftiger Käufer fand, der sich insgesamt bereit zeigte, ca. 10 Mio. Euro für den Brasilianer zu bezahlen. Angesichts dieser hohen Kaufsumme überrascht die mangelnde Geduld mit dem Spieler, den man bereits nach einer Halbserie an den FC Schalke 04 auslieh und jetzt für einen Betrag nach Mönchengladbach verkauft, der nur knapp der Hälfte des Einkaufspreises entsprechen dürfte.

Auch dies ist immer noch eine stattliche Summe für einen Spieler, der den ganz großen Durchbruch im internationalen Fußball mit seinen inzwischen 28 Jahren (noch) nicht geschafft hat. In Berlin bot er zwar viel Licht, aber immer wieder auch Schatten. Den Anspruch, mit seinen überdurchschnittlichen Leistungen auch als Führungsspieler voranzugehen, konnte er dort nicht erfüllen. In Kiew scheiterte Raffael, bei den Schalkern war er zumeist nur Edeljoker, wobei er immerhin 2 Tore und 5 Vorlagen zur guten Rückrunde der Knappen beitrug. Bei insgesamt nur 25 Treffern in 126 Bundesliga-Spielen ist Torgefahr aber eher nicht das Markenzeichen des technisch hochklassigen und temporeichen Fußballers, der mit seinen Fähigkeiten nahezu alle Offensivpositionen auszufüllen in der Lage ist. Am besten kann der spielintelligente Raffael seine Stärken auf der Spielmacherposition oder als hängende Spitze einbringen.

Besonders erfreulich: Während ein Großteil der Vereine noch händeringend auf dem Transfermarkt nach Verstärkungen sucht, ist die Kaderplanung bei Borussia bereits vor dem Start des Trainings am kommenden Montag abgeschlossen. In der Vorbereitung wird sich somit erproben lassen, in welcher Form die hochkarätigen Neuzugänge mit den bisherigen Spielern harmonieren und welches System sie am besten zu spielen in der Lage sind. So wäre z. B. ein Sturmduo Raffael-Kruse vorstellbar, das Favres Forderung nach schnellen, spielstarken und -intelligenten Angreifern sehr nahe kommen könnte. Aber auch Luuk de Jong darf noch lange nicht abgeschrieben werden, da auch er vom Qualitätszuwachs in der Offensive und den damit verbunden besseren Vorlagen profitieren kann. Der Wunsch vieler Fans, dass für den vermeintlichen Königstransfer der Vorsaison das System so angepasst wird, wie es seinen Stärken am ehesten gerecht wird, hat sich mit den aktuellen Transfers aber nicht realisiert. Zwar sind beide Offensivneuzugänge durchaus in der Lage, auf den Außenpositionen zu spielen, wodurch den bislang gesetzten Juan Arango und Patrick Herrmann zukünftig weniger Schwächephasen gestattet werden als noch zuletzt. Weder Max Kruse noch Raffael sind aber für ihre Fähigkeit zu präzisen und hohen Flanken berüchtigt. Für den Holländer im Sturmzentrum wird also umso mehr die Vorgabe gelten, die Max Eberl ebenso klar wie unbarmherzig formulierte, dass er sich in das System der Mannschaft einzubringen habe und ihm dies auch zuzutrauen sei.

Interessant erscheint es, dass Borussia den Großteil seines Transfervolumens erneut in die Offensive gesteckt hat, obwohl rein statistisch die Defensive in der Vorsaison noch viel mehr Probleme bereitete. Zwar scheint Borussia in der Viererkette personell ordentlich aufgestellt. Aber schon auf der Position des Rechtsverteidigers besteht das Fragezeichen, wie auf einen (längeren) Ausfall des zuletzt stagnierenden Tony Jantschke reagiert werden könnte. Matthias Zimmermann ist nach seinem dürftigen Gastspiel in Fürth keine ernsthafte Alternative, so dass mit Martin Stranzl und Havard Nordtveit zwei Notnägel als Backups eingeplant werden. Eine durchaus gewagte Strategie für einen ambitionierten Bundesligisten, der sich in der Offensive eine weit höhere Zahl ambitionierter Ersatzspieler leistet.

Das Kernproblem der Borussia war im Vorjahr, das weder von den defensiven Außenbahnen noch aus dem zentralen Mittelfeld allzu viele Impulse für die Offensive ausgingen, so dass diese oftmals in der Luft hing. Doch genau wie auf außen geht Borussia auf der Doppel-6 ins Risiko. Thorben Marx war hier in der Vorsaison faktisch unverzichtbar, da er als einziger in der Lage war, den defensiven 6er-Part stabilisierend auszufüllen. Die nominell stärkste Kombination aus Nordtveit und Xhaka zeigte mehrfach, dass sie gemeinsam (bislang) nicht harmoniert. Sollte sich dies zur neuen Saison nicht ändern, wird sich wohl erneut nur einer von ihnen in der Startformation wiederfinden können.

Als Alternative für Marx wurde mit Christoph Kramer ein zweifelsohne höchst talentierter Spieler aus Liga 2 verpflichtet, dessen Leistungen in Bochum Hoffnung machen, mit etwas Verspätung doch noch einen geeigneten Nachfolger für Roman Neustädter gefunden zu haben. Aber auch der Neu-Schalker benötigte damals ein ganzes Jahr, um seine spätere Klasse zu erreichen. Der Sprung von den Niederrungen der 2. Liga in die anvisierte obere Tabellenhälfte von Liga 1 wird für Kramer jedenfalls kein einfacher werden.

Borussia scheint sich entschieden zu haben, diese (potentiellen) Baustellen in diesem Transferfenster nicht energischer zu schließen, sondern sich vornehmlich der zuletzt mangelnden Kreativität und Spielfreude in der Offensive anzunehmen. Einem Schöngeist wie Lucien Favre wird dies ebenso recht sein wie den zuletzt arg gequälten Anhängern des Vereins. Der Schweizer hat für die kommende Saison jedenfalls ausreichend Möglichkeiten erhalten, den von ihm so geliebten Tempofußball in die Tat umzusetzen. Sollte ihm dies gelingen und sollte darunter dann auch die defensive Stabilität nicht allzu sehr leiden, dann ist Borussia in der kommenden Saison ein ernstzunehmender Anwärter auf einen Vorstoß ins obere Tabellendrittel.