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Nun ist es also tatsächlich passiert. Bundestrainer Joachim Löw hat Roman Weidenfeller für die November-Länderspiele in England und Italien nominiert. Aller Voraussicht nach wird der 33jährige dort sein vielfach gefordertes Länderspieldebüt geben. Löw versucht so diese lange schwelende Diskussion in den Medien sowie die zunehmend angriffslustigen Verantwortlichen des BVB zu beruhigen. Gleichzeitig wirft er aber Fragen auf, deren Antworten kein allzu gutes Bild auf ihn werfen.

Warum Weidenfeller?

Vorausgeschickt sei, dass Roman Weidenfeller zweifelsohne auf eine beachtliche Bundesliga-Karriere von mittlerweile 13 Jahren zurückblicken kann, in der er stets zu den besten seines Fachs gehörte. Niemand wird bestreiten können, dass er sich dadurch die Ehre eines Länderspiels für Deutschland verdient hat und ihm dies vergönnt sein sollte.

Nur: Wenn solche langjährigen Verdienste das vorrangige Kriterium für eine Nominierung in den Nationalkader sein sollen, dann gäbe es eine Vielzahl von Spielern, die es genauso verdient hätten. Gerade auf der Torhüterposition ist es nun einmal so, dass die Zahl der verfügbaren Plätze besonders stark begrenzt und die Auswahl hochkarätiger Kandidaten in Deutschland hoch ist.

Neben der trotz regelmäßiger Patzer unumstrittenen Nr. 1 Manuel Neuer gilt Rene Adler zurecht als Nr. 2. Während diese beiden mit 27 und 28 Jahren im besten Torhüteralter sind, stehen eine Vielzahl junger Kandidaten dahinter parat, die ebenfalls seit einigen Jahren konstant auf hochklassigem Niveau halten und sich nicht hinter den Leistungen von Weidenfeller zu verstecken brauchen. Ob Zieler, ter Stegen, Leno, Baumann, Trapp oder Ulreich. Sie alle hätten auf ihre Weise den 3. Platz im deutschen Tor verdient. Nur für die ersten beiden hat es aber bislang zu einer Nominierung gereicht. Rein sportlich gibt es eigentlich keinen Grund, warum ihnen der BVB-Keeper so zwingend vorgezogen werden sollte.

Warum ausgerechnet jetzt?

Es wäre noch halbwegs plausibel gewesen, wenn Weidenfeller im vergangenen Jahr nominiert worden wäre. Damals war noch ausreichend Zeit, um den Keeper über einen längeren Zeitpunkt bei diversen Länderspielen zu testen. Und damals konnte der BVB auf eine international überragende Saison verweisen, zu der auch ihr Keeper wesentlich beitrug. Damals hieß es aber von Seiten der DFB-Verantwortlichen, dass man zwar um die Klasse des BVB-Keepers wisse, ihm aber die nicht minder starken, aber dafür deutlich jüngeren Keeper für den Perspektivposten der Nr. 3 vorziehen möchte.

Es dürfte den Herren Löw und Köpke schwerfallen zu erklären, was genau sich an dieser Sichtweise in den vergangenen Monaten geändert haben könnte. In dieser Zeit fiel Weidenfeller sportlich nur noch selten so richtig überragend auf. Im Gegenteil: Der TSG Hoffenheim gestattete er mit einer übereifrigen Aktion einen Elfmeter und damit den unverhofften Klassenerhalt. In die diesjährige Champions-League startete er mit einer nicht minder unnötigen Roten Karte, die seinem Verein in Neapel beim Stand von 1:2 gehörig schadete. In seinem zweiten Spiel gegen Arsenal trug er durch ein Missverständnis mit Subotic gehörige Mitschuld am Gegentor, während er im Rückspiel Glück hatte, dass der Schiedsrichter ein neuerliches Foul im Strafraum nicht mit dem fälligen Elfmeter ahndete.

Währenddessen spielen die jüngeren Kandidaten eine überwiegend starke Saison. Gerade Bernd Leno machte zuletzt auch in der Champions League gehörig auf sich aufmerksam und muss sich schon fragen, ob er nicht ein Opfer seiner zurückhaltenden Art und fehlenden Lobby geworden sein mag.

Der BVB ist nicht nur sportlich dabei, sich immer mehr am FC Bayern zu orientieren. Da kann es den Verantwortlichen nicht gefallen, dass in der Nationalelf eine deutliche Vorherrschaft des großen Rivalen zu erkennen ist. Die berechtigte Kritik des Nationaltrainers an den schwachen Leistungen der Dortmunder Abwehrspieler Hummels und Schmelzer in den vergangenen Länderspielen wurde zum Anlass genommen, um Löw Parteilichkeit zu unterstellen und ihn medial unter Dauerdruck zu nehmen. So gab es ein "Krisentreffen" zwischen Löw und Klopp, in dessen Folge der Bundestrainer wenige Tage später nach dem Länderspiel in Schweden auf einmal den Bajuwaren Boateng für die erhaltenen Gegentore an den öffentlichen Pranger stellte. Die Nominierung Weidenfellers ist jetzt offensichtlich ein weiterer Versuch, die angespannte Situation mit dem zweiten Schwergewicht im deutschen Fußball zu befrieden. Für eine erfolgreiche WM ist der Bundestrainer insbesondere auf das Wohlwollen der beiden deutschen Großklubs angewiesen. Nichts dürfte er mehr fürchten als das Entstehen zweier Lager, die sich während des Turniers misstrauisch begegnen.

So erklärt sich, warum Löw in dieser Streitfrage so offensichtlich eingeknickt ist, während er in der Vergangenheit bei ähnlichen Anlässen eine bemerkenswerte Sturheit an den Tag gelegt hat. Langfristig dürfte er sich damit aber keinen Gefallen tun, dem Lobbyismus der Medienlieblinge aus dem Ruhrpott zu erliegen und dafür seine - in diesem Fall durchaus plausiblen - Prinzipien zu verraten.

Wer fährt zur WM?

Es ist nicht abzusehen, inwieweit die Nominierung Weidenfellers auch dessen Chancen auf eine WM-Teilnahme betreffen. Das Argument von Löw, man wolle den Keeper einmal für längere Zeit bei sich haben, um sich ihn mal genauer anzuschauen, dürfte Stefan Kießling wie Hohn in den Ohren klingen. Diesem wird mit Blick auf sein Alter und seine langjährigen Erfahrungen stets vorgehalten, dass man ihn eben nicht einzuladen braucht, weil man ohnehin weiß, was er kann und was man im Notfall an ihm hat. Warum sollte gleiches nicht auch für einen Weidenfeller gelten, dessen sportliche Qualitäten nun wirklich jedem bekannt sein sollten?

Sollte Weidenfeller ernsthaft als Kandidat für die WM-Teilnahme gelten, so wäre dies insbesondere für Ron-Robert Zieler und Marc-André ter Stegen ein gewaltiger Schlag ins Gesicht, da diese beiden in den vergangenen Jahren regelmäßig für die Länderspiele nominiert wurden.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, so könnte man dies ter Stegen noch am ehesten plausibel erklären, da der Borusse bei seinen bisherigen Länderspieleinsätzen leider keine glückliche Figur machte und den Eindruck erweckte, Probleme mit der besonderen Drucksituation zu haben. Selbst wenn nicht übersehen werden darf, dass die Ausgangslage in den jeweiligen Spielen für einen Torwart höchst undankbar war, hinter einer desolaten Notabwehr aushelfen zu müssen: Es beinhaltet leider ein gewisses Risiko, einen 3. Torhüter in der Hinterhand zu haben, der bei seinen bisherigen Auftritten höchst unglücklich agierte und im Schnitt 4 Gegentore kassierte. Auflösen ließe sich dies wohl nur, wenn man ter Stegen bis zur WM-Nominierung noch mindestens 2 Länderspiele gönnen würde, um sich für die vorherigen Leistungen zu rehabilitieren. Da insgesamt nur noch 4 Spiele zur Verfügung stehen, bleibt dafür aber leider nicht mehr wirklich Zeit. Somit ist absehbar, dass ter Stegen selbst bei einer starken Saisonleistung im Dress der Borussia kaum noch Aussichten auf den WM-Platz hat - unabhängig davon, ob sich Löw tatsächlich für oder gegen Weidenfeller entscheiden sollte.

Konsequent wäre es, den Weg mit Zieler weiterzugehen, der zwar selten überragend, aber stets solide hält und mit 25 Europacup-Einsätzen ebenfalls über eine beachtliche internationale Erfahrung verfügt. Mutig wäre es, auf einen der seit Jahren starken Jungkeeper wie Leno oder Baumann zu setzen. Letzterer versagte zwar zuletzt gegen den HSV, reagierte darauf aber sensationell mit zuletzt zwei überragenden Leistungen, was sehr für ihn und seinen Charakter spricht.

Zu befürchten ist aber, dass der Sündenfall des Joachim Löw auch bei der WM-Nominierung fortgesetzt wird und er sich der exzellenten Lobbyarbeit des BVB geschlagen gibt. Rein sportlich gibt es ohnehin wichtigere Fragen als jene, wer als Tourist auf der 3. Torwartposition mitfahren darf. Prinzipiell ist es aber bedenklich, wenn der Bundestrainer anfängt, seine Entscheidungen allein solch taktischen Erwägungen unterzuordnen.