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Yann Sommer wechselt zeitnah an die Isar. Borussia Mönchengladbach erteilt einem Wechsel eine Absage. Farke spricht ein Machtwort. Hasan Salihamidzic nimmt das Wort Sommer abseits der Jahreszeiten in den Mund. Viel wurde in den letzten Tagen zu einem möglichen Wechsel von Borussias Nummer 1 geschrieben. Viele „überraschende“ Wendungen wurden berichtet. Und kaum ein Thema elektrisiert die Fans der beiden Traditionsvereine derzeit mehr. Doch was ist dran an den Wechselgerüchten? Seitenwahl wird diese Frage derzeit auch nicht beantworten können, aber zumindest etwas Ordnung in das derzeitige Wirrwarr bringen.

In Zeiten von Neuen Medien, Populismus, Corona, Klimakatastrophe und besonders bei König Fußball fällt es vielen Journalisten zunehmend schwerer, Tatsachen von der eigenen Meinung unterscheiden zu können (zur Ehrenrettung sei gesagt, dass Journalist keine geschützte Berufsbezeichnung darstellt und viele selbsternannten Medienvertreter vermutlich nicht mal den Grundethos verstehen). Zeit also, mal abseits aller Insiderberichte einen Blick auf die Transfergerüchte rund um Yann Sommer zu werfen. Zur Vorgeschichte: Manuel Neuer hat sich bei der Frustbewältigung einer verpatzten WM schwer verletzt. Sein Arbeitgeber sucht nun händeringend nach einer Lösung, da man dem derzeitigen Ersatz Sven Ulreich eine Langzeitvertretung offenbar nicht zutraut. Wenig überraschend ist dabei die Personalie Yann Sommer ins Blickfeld der Münchener geraten. Doch ist ein Wechsel bereits ausgemacht und nur noch eine Frage der Zeit, welchem sich die Borussia zwangsläufig fügen muss? Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass für einen vorzeitigen Wechsel von Yann Sommer drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

1. Ein Verbleib von Yann Sommer über die Saison hinaus ist unwahrscheinlich.

2. Die Borussia müsste kurzfristig einen Ersatz präsentieren.

3. Eine Ablöse für einen neuen Torhüter müsste sich in einem vertretbaren Maß bewegen.

1. Ein Verbleib von Yann Sommer über die Saison hinaus ist unwahrscheinlich.

Fakt ist, dass der FC Bayern nach der Verletzung seines Stammtorhüters Manuel Neuer ein Torwartproblem hat, welches er gerne beheben würde. Fakt (und mittlerweile durch die Offiziellen des deutschen Meisters auch bestätigt) ist, dass bei der Suche nach Ersatz Yann Sommer verstärkt in deren Fokus gerückt ist. Mit dem Schweizer soll man sich mittlerweile mündlich über einen Wechsel verständigt haben. Fakt ist allerdings auch, dass Yann Sommer einen Arbeitsvertrag bei Borussia Mönchengladbach hat. Somit können sich beide Parteien gerne über einen Wechsel verständigt haben, das Heft des Handels liegt derzeit alleine bei Borussia Mönchengladbach, ohne deren Zustimmung ein Wechsel nicht zustande kommen kann. Gerne wird darauf verwiesen, dass Sommers Arbeitspapier nur bis zum Saisonende läuft und er dann eben ablösefrei in die bayrische Hauptstadt ziehen würde. Ist somit ein Wechsel bereits ohnehin beschlossen? Nein, die Situation ist durchaus komplizierter, denn es ist davon auszugehen, dass Manuel Neuer im Sommer zurückkehren wird. Der FC Bayern hätte dann zwei potentielle Stammtorhüter, wobei natürlich offen ist, wer sich leistungsmäßig durchsetzen würde. Ein Kampf um diese Position wäre natürlich sportlich attraktiv, jedoch ist wohl kaum davon auszugehen, dass sich ein langjähriger Führungsspieler wie Manuel Neuer klaglos mit einer Reservistenrolle zufrieden geben wird. Ob Yann Sommer die Rolle des gutverdienenden Bankdrückers zufriedenstellt kann ebenfalls nicht beantwortet werden. Es droht also gegebenenfalls Unruhe im Kader und dessen Hierachie und es ist davon auszugehen, dass dies den Verantwortlichen des FC Bayern durchaus bewusst ist. Zudem benötigt man eine Torwartlösung jetzt und nicht in der nächsten Saison. Falls ein Wechsel also nicht zustande kommt, sind die Bayern gut beraten, erst einmal abzuwarten und sich gegebenenfalls um eine andere Lösung zu bemühen. Da umgekehrt Borussia Mönchengladbach auf Planungssicherheit drängt, ist nicht davon auszugehen, dass sich ein Vertragspoker bis zum Saisonende ziehen würde. Yann Sommer müsste sich dann entscheiden, ob er die Borussia unbedingt verlassen möchte. Wie seine Tendenz ist, weiß derzeit wohl nur er allein. Auch wenn ein Verbleib des Schweizers vielleicht grade nicht die wahrscheinlichste Option ist, ausgeschlossen ist noch nichts.

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2. Die Borussia müsste kurzfristig einen Ersatz präsentieren.

Für den Fall, dass sich alle Parteien sich über einen sofortigen Wechsel einigen, müsste die Borusssia einen neuen Torhüter präsentieren. Pressegerüchten zur Folge sind hierbei insbesondere Jonas Omlin und Philipp Köhn in den Fokus gerückt. Das Problem: Auch diese beiden Torhüter besitzen gültige Arbeitsverträge aus denen sie erst einmal herausgelöst werden müssten. Für die Borussia gelten hier die gleichen Regeln wie für die Bayern bei der Personalie Sommer. Es ist kaum davon auszugehen, dass die Borussia ihren Torhüter an die Isar ziehen lässt, ohne den Ersatz gleichzeitig klar gemacht zu haben. Zur Erinnerung: Das Problem besteht durch eine Torhütervakanz beim FC Bayern, warum sollte sich diese Problemlage nun an den Niederrhein verschieben? Somit ist es auch keine Option, dass die Borussia Yann Sommer abgibt und sich bis zum Saisonende mit einer Zwischenlösung behilft. Auch in diesem Fall würde man das bajuwarische Problem zu seinem eigenen machen – ohne das es Not tut. Ebenfalls keine Option ist es Tobias Sippel oder gar den von vielen geforderten Jan Olschowsky zur neuen Nummer 1 zu ernennen. Sippels Leistungen als Vertretung des verletzten Sommer waren freundlich ausgedrückt durchwachsen. Olschowsky war bis zu seinem ersten Bundesligaspiel allenfalls Insidern bekannt. Beide Optionen sind also mit einem großen Risiko behaftet. Natürlich kann diese Variante gut gehen. Geht sie es nicht, ist davon auszugehen, das die gleichen Leute, die dem Jungen eine Chance geben wollen nun fragen, wie sich die Borussia sehenden Auges auf dieses Vabanque-Spiel einlassen konnte. Zu Recht übrigens. Die Optionen Sippel und Olschowsky sind somit geeignet, bei einem Misserfolg die Personalie des Sportdirektors und die Vereinsführung nachhaltig zu beschädigen – ein Risiko, welches die Borussia unbedingt vermeiden muss.

3. Eine Ablöse für einen neuen Torhüter müsste sich in einem vertretbaren Maß bewegen.

Sind sich alle Parteien einig und ist der passende Nachfolger gefunden, geht es um das liebe Geld. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Borussia vielleicht nicht arm, aber finanziell keinesfalls auf Rosen gebettet ist. Die Wirtschaftlichkeit eines Wechsels muss somit im Auge behalten werden. Das bedeutet nicht, dass man für Sommer den gleichen Betrag erzielen muss, den man für seinen Nachfolger ausgibt. Borussias Keeper würde unter Umständen nach der Saison ablösefrei gehen, während man für seinen Nachfolger vermutlich immer noch eine Transferausgabe tätigen müsste. Diese Zahlen müssen somit in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Da eine zukünftige Ablöse unbekannt ist, ist dies natürlich keine feststehende mathematische Lösung. Klar ist nur, dass eine gewisse Verhältnismäßigkeit eingehalten werden muss – sprich: Mondpreise für einen Nachfolger verbieten sich. Da mit dem Torwartwechsel auch ein gewisses Qualitätsrisiko verbunden ist und die Fohlen durchaus auch Chancen nach oben oder Risiken nach unten haben, darf sich die Borussia dieses Risiko auch bezahlen lassen (es sei immer wieder daran erinnert – das aktuelle Problem liegt in München, nicht am Niederrhein). Die Ablöse für einen neuen Torhüter ist somit nicht durch die Ablösesumme von Sommer begrenzt, sollte sich aber auch nicht zu weit von ihr entfernen.

Bedeutet dies, dass Sommer nicht wechseln wird? Nein keineswegs. Im schnelllebigen Bundesligageschäft ist vieles möglich und schon zeitnah könnte es hierzu kommen. Allerdings ist ein Wechsel auch keinesfalls so sicher, wie er von einigen Medienvertretern auf der Suche nach einer sensationsträchtigen Schlagzeile gerne dargestellt wird. Die Borussia ist letztlich der letzte Entscheidungsträger bei einem Winterwechsel und hat Rahmenbedingungen an die sie sich halten muss. Für alle anderen Beteiligten kommt es darauf an, ob sie mit diesen Bedingungen leben können. Das winterliche Sommertheater wird uns somit noch etwas begleiten – das Ende ist weiter offen.