So langweilig sie erscheinen mag, ist die Sommerpause womöglich die schönste Zeit des Jahres für einen Fußballfan. Mit jeder Woche ohne Pflichtspielniederlage verblassen eventuelle negative Erinnerungen ans Vorjahr; jeder Testspielsieg gegen einen unterklassigen Gegner zeigt fantastische Frühform, jeder Neueinkauf oder hochgezogene Jugendspieler hat das Potenzial, der neue Messi zu sein. Es ist wunderbar, wäre da nicht diese dumme Realität, die einem am ersten Spieltag dann in die Quere kommt. Zumindest konnte die Borussia in den letzten vier Jahren diesen Moment der Wahrheit ungeschlagen überstehen. Die letzte Auftaktniederlage gab es 2015: gleicher Gegner, gleicher Ort, gleicher Optimismus im Vorfeld, ähnliches Ergebnis. Kein Wunder, dass eine gewisse Ernüchterung in Mönchengladbach herrscht.

Vermutlich waren nicht nur die Gladbacher, sondern auch so mancher neutrale Verfolger des Spiels enttäuscht, der ein Spektakel erwartet hatte zwischen zwei Teams, die ja vor allem für ihre Offensive bekannt sind. Allerdings ignorieren solche Erwartungen etwas die Veränderungen, die sich beim BVB in diesem Kalenderjahr ergeben haben. Gab es zu Jahresbeginn noch ein vogelwildes 5:3 in Augsburg, konnte Lucien Favre mit der Etablierung der Dreierkette wieder mehr defensive Ordnung schaffen und in 9 der 16 folgenden Spiele blieb man ohne Gegentor, darunter schmucklose aber effiziente 1:0 Siege gegen Hertha, Freiburg oder Düsseldorf. Dieses neue Favre-Dortmund präsentierte sich auch am Samstagabend. Die Heimmannschaft begann keineswegs stürmisch, sondern taktisch diszipliniert und legte es erstmal darauf an, mit frühem Stören das Gladbacher Offensivspiel zu behindern. Es entwickelte sich ein vorsichtiges Abtasten, bei dem die Dortmunder den Gladbachern für ein Auswärtsteam erstaunlich viel Ballbesitz gewährten. Auf Gladbacher Seite witterte man hingegen, dass dies durchaus Teil der Favre-Taktik war: Der Ball lief zumeist quer, immer wieder wurde der angedeutete Versuch des Vertikalspiels aus Angst vor Dortmunder Kontern abgebrochen. Dass diese Angst durchaus angebracht war, zeigte sich in der 22. Minute als Haaland einmal steil geschickt werden konnte und Elvedi im letzten Moment den Schuss noch ablenken konnte.

Darauf folgte die aus Gladbacher Sicht hoffnungsvollste Phase der Partie. Der Ballbesitz fand nun etwas weiter in der Dortmunder Hälfte statt und die Pfiffe der 9300 Zuschauer deuteten an, dass man in Dortmund allmählich ungeduldig wurde. In der 32. Minute zeigte die Borussia, dass man zur Not auch auf engem Raum kombinieren kann. Torhüter Bürki hatte großes Glück, dass er den Abpraller nach Hofmanns Abschluss gerade noch so mit der Hand vorm heranstürmenden Neuhaus abwehren konnte. Leider sollte es die beste Gladbacher Chance des Spiels bleiben. Die Dortmunder Führung kam dann doppelt überraschend: Zum einen lag sie nicht in der Luft, zum anderen war sie nicht das Resultat eines Gladbacher Ballverlusts mit anschließendem Dortmunder Konter, sondern eine billige Flanke aus dem Halbfeld, ein missglückter Klärungsversuch von Elvedi, schnelles Schalten von Bellingham und ein gekonnter Abschluss von Reyna bedeuteten urplötzlich den Rückstand für den VFL. Pech nennen das die einen, höhere individuelle Qualität auf Dortmunder Seite konstatieren die anderen.

So nahm das Schicksal dann seinen Lauf, das Spiel wurde etwas munterer (Sancho per Kopf und Lainer nach Einzelaktion hatten vor der Pause noch Torchancen), aber früh in der zweiten Halbzeit war das Bonbon dann zerkaut: diesmal war es einer dieser schnellen Dortmunder Angriffe, Bensebaini setzte (unnötig) zur Grätsche von hinten an, traf weder Ball noch Gegner, aber beide waren weg bzw. letzterer lag am Boden. Schiedsrichter Brych ließ zuerst weiter spielen wurde dann aber aufgefordert sich das Ganze noch mal am Bildschirm anzuschauen. Man kann nur vermuten, dass er dabei eine Berührung erkannte, auf jeden Fall gab es Elfmeter, den Haaland verwandelte. Noch bitterer fühlte sich das Ganze an als später der eingewechselte Thuram nach Zweikampf mit Hummels im Dortmunder Strafraum zu Boden ging, der VAR aber keinen Anlass sah einzuschreiten. Mit den hinzugekommenen Plea und Thuram hatte das Spiel der Fohlen nun etwas mehr physische Präsenz im Sturm, aber beiden fehlte dann doch die Spielpraxis, um der Partie noch eine Wende zu geben. In der 78. Minute mussten die aufgerückten Borussen dann den schwer vermeidbaren tödlichen Konter kassieren und mit Haalands 3:0 war dann endgültig alles entschieden.

Angesichts der Tatsache, dass mit Zakaria, Lazaro, Embolo, Plea und Thuram in der Startelf gleich 5 potentielle Stammspieler fehlten, ist solche eine Niederlage in Dortmund durchaus erklärbar. Das sonstige Herz des Gladbacher Kombinationsspiels Neuhaus-Hofmann-Stindl wurde trotz engagierter Leistung der drei von den Dortmundern geschickt stillgelegt (Hannes Wolf soll laut DFL-Spielberichtsbogen auch bei der Partie mitgewirkt haben). Insgesamt war die Gladbacher Offensive einfach zu harmlos, was ein Wert von 0.51 xGoals (expected goals) ziemlich deutlich reflektiert. Das Endergebnis ist sicher um ein Tor zu hoch ausgefallen, aber man tut sich keinen Gefallen damit, dass Spiel mit Benachteiligung durch den Schiedsrichter oder aufgrund von Zweikampf oder Ballbesitz Statistiken gefühlter Augenhöhe schönzureden. Zumindest in diesem Spiel zeigte sich, dass der BVB die höhere Qualität in seinen Reihen besitzt, was angesichts der Umsatz-Zahlen, die Max Eberl am Tag darauf ja noch einmal zitierte, auch völlig normal ist.

Positiv ist, dass Thuram und Plea wieder zur Verfügung stehen, so dass man in den nächsten Wochen sicher eine andere Borussia auf dem Platz sehen wird und dass gegen Gegner (Union, FC, Wolfsburg), die nicht an das hohe Niveau des BVB heranreichen. Eine Bundesliga-Saison ist kein Sprint, sondern eher ein Marathon, da sollte man solch einen Fehlstart nicht überbewerten, aber vielleicht tut man ganz gut daran, nicht allzu viel über ganze hohe Ziele nachzudenken, sondern so bescheiden wie der Gegner vom Samstag nur „von Spiel zu Spiel“ zu denken.

 

Die Stimmen der anderen Seitenwähler:

Christian Spoo:

Kaum Torgefahr, das ist das Eine. Die recht klare Benachteiligung durch das Feld-/Videoschiedsrichtergebaren - wieder in Dortmund - ist das Andere. Ohne die wahlweise wirre oder dreiste Praxis bei den Elfmeterentscheidungen wäre vielleicht ein Punkt drin gewesen. Das 3:0 ist definitiv zu hoch.

Michael Heinen:

Lange Zeit war es ein ausgeglichenes Match auf Augenhöhe. Während Borussia aber in der ersatzgeschwächten Offensive die Durchschlagskraft fehlte, zahlte sich die individuelle Klasse des Dortmunder Sturms im entscheidenden Moment aus. So wurde es am Ende eine verdiente Niederlage, die um zwei Tore zu hoch ausfiel.

Mike Lukanz:

Lange Zeit war es ein ausgeglichenes Match auf Augenhöhe. Während Borussia aber in der ersatzgeschwächten Offensive die Durchschlagskraft fehlte, zahlte sich die individuelle Klasse des Dortmunder Sturms im entscheidenden Moment aus. So wurde es am Ende eine verdiente Niederlage, die um zwei Tore zu hoch ausfiel.

Thomas Häcki:

Am Ende war es Business as usual. Den Dortmundern reichte es, sich auf ihre Qualität zu verlassen, um einen verdienten und nie gefährdeten Sieg nahezu mühelos einzufahren. Haben die Fohlen deshalb enttäuscht? Nein, das Rose Team zeigte sich insgesamt sehr sortiert, musste sich aber aber am Schluss der höheren Klasse des Gegners beugen. Egal, Mund abwischen, die Punkte waren eh nicht eingeplant und müssen gegen andere Gegner geholt werden.