Union Berlin

Wo kommen sie her?

Von einem Platz, den eigentlich Borussia als ihr Mindestziel auserkoren hatte. In allerletzter Sekunde stahl ausgerechnet Max Kruse seinem Ex-Verein die Chance, in die altehrwürdige Europa Conference League einziehen zu dürfen. Dort wird nun die einzig erfolgreiche Union aus Berlin in den kommenden Wochen gegen Feyenoord Rotterdam, Maccabi Haifa und Slavia Prag antreten, während die große Borussia lässig zugucken muss. So hervorragend Borussia in den vergangenen Jahren mit relativ bescheidenen Mitteln gewirkt hat: Im vergangenen Jahr gab es mit Union einen Verein, der dies mit noch viel bescheideneren Mitteln deutlich besser hinbekommen hat.

Was passierte bis zum Ende der Transferperiode?

Erstaunlich viel, wenn man bedenkt, wie erfolgreich Union in den letzten Jahren gewesen ist. Der wichtigste „Einkauf“ war die Verpflichtung von Stürmer Taiwo Awoniyi, der im vergangenen Jahr ausgeliehen worden war. Für 6,5 Mio. € konnte dieser an der Spree gehalten werden und das Vertrauen in den ersten Partien gleich mit drei Toren zurückzahlen. Daneben kam eine Fülle weiterer Kaderspieler, von denen einige über viel Bundesligaerfahrung verfügen: Rani Khedira, Bastian Oczipka, Levan Öztunali, Timo Baumgartl.

Weniger erfreulich für Freunde des Berliner Fußballs war der Verkauf diverser Stammspieler – allen voran der von Robert Andrich nach Leverkusen. Mit Marcus Ingvartsen wechselte eine Sturmalternative leihweise nach Mainz. Der Abgang von Spielern wie Gentner, Lenz oder Schlotterbeck wird vermutlich durch die Neuzugänge kompensiert werden können.

Wo gehen sie hin?

Insgesamt scheint der Kader durch Andrichs Abgang etwas schwächer zu sein als im Vorjahr. Dies muss sich aber nicht unbedingt auf die Ergebnisse auswirken, da der Verein über seine mannschaftliche Geschlossenheit kommt und mit Urs Fischer zudem einen hervorragenden Trainer besitzt, um dessen Klasse und Loyalität ihn andere Klubs beneiden. Zentraler Erfolgsgarant ist zudem Max Kruse, der aus einer ansonsten durchschnittlichen Mannschaft zumindest im vergangenen Jahr den entscheidenden Schritt mehr herausgeholt hat. Auch in dieser Saison wird nicht zuletzt er dafür sorgen, dass Union nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird, sondern im gesicherten Mittelfeld landet. Noch einmal Europa wird aber u. a. wegen der bevorstehenden Doppelbelastung nur schwer zu erreichen sein.

Es war Max Eberls größter Fehler der letzten Jahre, dass er 2020 nicht dafür gesorgt hat, Kruse zurück an den Niederrhein zu lotsen. Ein solcher Spieler wäre vermutlich genau das, was der Borussen-Mannschaft an Charakter fehlen würde, um aus der Mittelmäßigkeit wieder zu entfliehen.

Copyright: Ulrich Hufnagel/Hufnagel PR

 

Borussia Mönchengladbach

Wo kommen sie her?

Aus eben jener Mittelmäßigkeit und der enttäuschendsten Saison seit 2011. Das letzte Jahr hat im Verein und bei den Fans einiges zerstört, was über die vergangenen Jahre mühsam aufgebaut wurde. Es wäre zu einfach, dies allein an einem Trainer festzumachen, der in den letzten Monaten kein gesteigertes Interesse mehr an einem nachhaltigen Erfolg seines Noch-Vereins zeigte. Die Vielzahl an vergebenen Führungen ist schon in erster Linie der Mannschaft selbst anzulasten. Der Charakter ist ihr dabei nicht per se abzusprechen, denn es gab kaum eine Partie, die sie kampflos herschenkte. Selbst zuletzt beim 0:4 in Leverkusen z. B. haben sich die Spieler – wenn auch mit begrenzten Mitteln und mit noch begrenzterem Erfolg – bis zum Schluss gegen das Debakel gewehrt. Irgendwo muss es aber an der Mentalität hapern, dass zu wenige der vermeintlichen Führungsspieler in kritischen Situationen das Heft in die Hand nehmen. Mit Kramer, Stindl, Ginter, Bensebaini oder Zakaria verfügt der Kader über eine Reihe erfahrener und charakterstarker Spieler, denen dies eigentlich zuzutrauen wäre. Es wird an Adi Hütter sein, dies in den kommenden Monaten herauszukitzeln und mit der richtigen Mischung wieder höhere Ziele verfolgen zu können. Dass dies in den ersten vier Saisonspielen bislang noch kaum gelungen ist, sollte nicht überbewertet werden. Abgesehen davon, dass die bisherigen Gegner eher undankbar gewesen sind, war in diesem Sommer eine echte Vorbereitung aufgrund von EM-Abstellungen und Verletzungen kaum möglich. Hütter muss nun im Laufe der Saison sein Team finden und kann dabei von den fehlenden europäischen Spielen unter der Woche profitieren.

Was passierte bis zum Ende der Transferperiode?

Als die Seitenwahl-Redaktion entschied, ihre Bundesliga-Checks auf die erste Bundesliga-Pause Anfang September zu verschieben, um das Ende der Transferperiode abzuwarten, geschah dies insbesondere mit Blick darauf, dass auch bei Borussia noch allerhand Umwälzungen bevorzustehen schienen. Nach den exklusiven Insider-Informationen bestimmter Boulevard-Zeitungen hätte es nämlich noch mindestens vier bis fünf Transfers wichtiger Stammspieler geben müssen und Borussia wäre wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen.

Wahrhaft „True“ dagegen ist: Anders als der FC Barcelona oder Juventus Turin gelang es Borussia allen Unkenrufen zum Trotz, ihren Kader beisammenzuhalten und keinen Stammspieler zu verkaufen. So erfreulich dies ist, so hat dies aber leider einen kleinen Haken. Der Verkauf von Denis Zakaria war von Eberl nämlich ein Stück weit eingeplant gewesen. Hier erhoffte er sich rund 20 Mio. €, um u. a. Matthias Ginter ein verbessertes Vertragsangebot unterbreiten zu können und den nicht wirklich optimal ausgerichteten Kader an einer bis zwei weiteren Stellen zu optimieren.

Mit Manu Koné war bereits ein talentierter Nachfolger für den Schweizer verpflichtet worden, sodass die Nachricht vom Verbleib Zakarias nicht unbedingt nur auf Wohlwollen in der Hennes-Weisweiler-Allee stieß. Die Gefahr ist hoch, nun im kommenden Jahr mit Zakaria und Ginter zwei Spieler ablösefrei zu verlieren, deren Marktwert im vergangenen Jahr noch mit jeweils rund 40 Mio. € beziffert wurde und für die auch diesen Sommer noch je 20 Mio. € hätten erwartet werden dürfen. In Corona-Zeiten ist der Markt aber unberechenbar geworden und die höchst unbefriedigende Saison von Zakaria zuletzt stieß bei potentiellen Kunden offensichtlich auf zu große Skepsis.

Wo gehen sie hin?

Dem Verein bleibt nichts Anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen. Zakaria deutete in Berlin zuletzt nach seiner Einwechselung an, dass mit ihm wieder zu rechnen ist. Gelingt es ihm, seine Dynamik wieder voll in den Dienst der Mannschaft zu stellen, könnte er ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Saison werden. Eine solche braucht der Verein dringender denn je, denn ein weiteres Jahr ohne internationale Einnahmen würde die Arbeit für Management und Scouting massiv erschweren. Dann wären neben Ginter und Zakaria auch Spieler wie Thuram oder Bensebaini im kommenden Sommer nur noch schwer zu halten und ein größerer Umbruch wäre zu befürchten.

Hierfür hat Eberl aber immerhin schon zum Teil vorgesorgt, indem er diesen Sommer mit Netz und Koné zwei hoch talentierte Spieler verpflichtet hat, die spätestens in der kommenden Saison in die Fußstapfen einer der potentiellen Abgänge treten könnten. Aber auch in dieser Saison wird es auf sie bereits ankommen, da Borussias Kader in der Breite relativ schwach aufgestellt ist. Je zwei bis drei Ausfälle in Defensive oder Offensive engten den Spielraum zuletzt enorm ein, sodass der ewige Patrick Herrmann als einzige nennenswerte „Sturm“-Alternative eingewechselt werden konnte. Durch die Rückkehr von Embolo entspannt sich die Lage gegen Bielefeld ein wenig. Defensiv gilt das gleiche dank Ginters Genesung. Auf Lainer und Thuram wird der Verein dagegen noch länger verzichten müssen.

Sollte Borussia das Verletzungspech der Startphase über die Saison hinweg erhalten bleiben, so wird es enorm schwer für Adi Hütter, die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllen zu können. Nur wenn es ihm relativ schnell gelingt, aus der Mannschaft wieder eine geschlossene und eingespielte Einheit zu machen, sollte diese ihr Potential wieder abrufen können. Denn allen derzeitigen Stimmungseintrübungen zum Trotz: Von der Qualität der Mannschaft aus bewertet muss es Borussias Anspruch sein, zu den sechs besten Teams der Liga zu gehören. Damit es sogar für die Champions League reicht, dafür muss stets sehr vieles gut laufen – also genau anders als zu Saisonbeginn. Gegen Lieblingsgegner Bielefeld könnte aber ein Anfang gemacht werden, um mit einem überzeugenden Sieg die Trendwende einzuleiten.

Arminia Bielefeld

Wo kommen sie her?

Wir beschließen unseren Bundesliga-Check mit Borussias Gegner vom kommenden Sonntagabend. Ein wesentlicher Faktor, der die Bielefelder im Vorjahr von ehemaligen Aufsteigern wie Paderborn oder Fürth unterschied, war ihre starke Abwehrleistung. Offensivfreudige Aufsteiger bemerken in Liga 1 oft sehr schnell, dass die Verteidigungslinien ihrer Gegner dort nur selten rumschalken, während dies im Unterhaus zum bewährten Standard gehört. Gutes, stabiles Verteidigen dagegen funktioniert fast gegen jeden Gegner irgendwie und kann selbst hochklassige Mannschaften zu Punktverlusten verleiten. Die Arminia machte sich dies im vergangenen Jahr zunutze und hamsterte sich so zu beachtlichen 35 Punkten und dem direkten Klassenerhalt.

Was passierte bis zum Ende der Transferperiode?

Ähnlich wie in Mönchengladbach verhältnismäßig viel. Spektakulärster Neuzugang war Linksaußen Robin Hack aus Nürnberg, den angeblich auch Borussias Scouts beobachtet haben sollen. Mit Alessandro Schöpf wurde zudem ein abstiegserfahrener Spieler aus Gelsenkirchen verpflichtet. Kiels Torjäger Janni Serra ist dagegen primär als Alternative für die nicht jünger werdende Vereinsikone Fabian Klos gedacht, der im Dezember seinen 34. Geburtstag feiern wird.

Wo gehen sie hin?

Die Arminia wird sich an der Berliner Union orientieren wollen, die vergangene Saison mit dem Mythos aufräumte, nach der das zweite Jahr nach dem Aufstieg das schwerste sei. In der (finanziellen) Situation, in der sich Arminia – und Union – befinden, ist grundsätzlich jedes Jahr das schwerste. So wird es auch für die Ostwestfalen sein, die sich dieses Jahr nicht unbedingt darauf werden verlassen können, wie in der Vorsaison mit Köln, Bremen und Schalke gleich drei Traditionsklubs mit inkompetenter Vereinsführung hinter sich lassen zu können. Die Rolle des größten Underdogs konnten die Bielefelder an Fürth weiterreichen. Während sich die Franken in Liga 1 noch offensichtlich schwertun, ist dem VfL Bochum zuzutrauen, eine ähnliche Rolle einzunehmen wie zuletzt Arminia. Zwischen diesen Klubs sowie erwartungsgemäß ein bis zwei weiteren wird sich die Abstiegsfrage am Ende entscheiden.

Den Klassenerhalt der Arminia hatten wir voriges Jahr erfolgreich vorhergesagt. Anders als im Vorjahr bin ich diese Saison aber skeptisch, ob es für Bielefeld erneut reichen wird. Müsste ich mich festlegen, würde ich auf Platz 17 tippen. Eine Rettung über die Relegation wäre dem sympathischen Klub aus Ostwestfalen aber zu gönnen.

Kommenden Sonntag gibt es aber keine Sympathien zu verteilen: zu wichtig sind die drei Punkte für Borussia. In den letzten neun Bundesligapartien beider Klubs verließ Gladbach achtmal den Platz als Sieger, bei nur einem Remis. Im April bedeutete das 5:0 einen der wenigen Höhepunkte der späten Rose-Ära. So einfach dürfte es am Sonntag nicht unbedingt werden. Aber alles andere als ein Heimerfolg würde den Druck auf Mannschaft, Trainer und Verein enorm erhöhen.

Seitenwahl-Tipps

Michael Heinen: „Es wird deutlich mühsamer als in der letzten Saison. Die Krise lässt sich auch gegen Bielefeld nicht so einfach abschütteln. Am Ende setzt Sich Borussia aber dennoch souverän durch: 2:0.“

Christian Spoo: „Die letzten beiden Spiele waren ernüchternd. Borussia ist nicht besser als in der Vorsaison. Die gute Nachricht: Für einen 2:0-Sieg gegen Bielefeld reicht das ganz lässig.“

Claus-Dieter Mayer: „Die Borussia hat was gut zu machen und tut das auch. Das 4:0 gegen die Arminia macht wieder etwas mehr Hoffnung für den Rest der Saison.“

Thomas Häcki: „Es dauert lange, bis der Borussia etwas gegen den Bielefelder Riegel einfällt. Der 1:0-Sieg ist glücklich aber verdient.“