Nach 13 Minuten hätte man den Fernseher ausschalten können. Also, man hätte es ganz gerne getan. In meinem Fall lag es nur zum Teil daran, dass ich für den Nachbericht eingeteilt war, dass ich es nicht tat. Es lag auch daran, dass ich für solche Fälle immer ein wahnsinnig dämliches Signal im Kopf habe, dass heute der Tag sein könnte, an dem ein längst verloren geglaubtes Spiel nach furioser Aufholjagd noch in der letzten Minute gedreht werden würde. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass ich mit diesem komplett irrationalen Verhalten nicht alleine bin. So viele schauen das Spiel bis zum Schlusspfiff in der Hoffnung auf ein Fußballwunder. Das passiert natürlich letztlich dann doch nicht. Weshalb ich vom Endergebnis berichten kann. Aufsteiger Werder Bremen schlägt die Borussia mit 5-1. Read it from my lips, kicker: Auch. In. Der. Höhe. Verdient.

Jetzt lassen sich trefflich Argumente finden, warum das erwartbar war: Die zur Unzeit kommende Pause nach dem berauschenden Spiel gegen die Rosenballer. Die Absenz großer Teile der Mannschaft beim Training und statt dessen die Anwesenheit bei völlig belanglosen Länderspielen. Dagegen ein Gegner, der sich zwei Wochen mehr oder weniger komplett auf einen Gegner einspielen konnte. Aber sagen wir es, wie es ist: Trotz allem gibt es keinen Grund, sich von einem Aufsteiger so abledern zu lassen.

Denn was die Bremer auf den Platz brachten, war einfach nur eine Kopie des Mainzer Spiels gegen die Borussia, mit dem feinen Unterschied, dass sie anders als diese Ballgewinne zu Chancen und Toren ummünzten. Und zwar höchst effektiv. Bereits nach 13 Minuten stand es 3-0, nachdem Borussia kollektiv alles im Abwehrverhalten vermissen ließ, was die Bundesligataugleichkeit einer Mannschaft ausmacht. Konè ließ eine einfache Flanke zu und Scally das Sprintwunder Füllkrug einfach vorbeiziehen zum ersten Tor (5.). Beim zweiten Tor (8.) durfte Ducksch, der in der bisherigen Saison selbst offene Scheunentore nicht mit Bällen zu penetrieren wusste, ins mehr oder wenige leere Tor einschieben; und beim dritten Tor war klar: Borussia stimmt dafür, dass Füllkrug doch zur WM darf wegen kein Neuner, kein Strafraumstürmer, und weil der dufte Buden knippst. Also zumindest, wenn der Gegner sich nicht wehrt. Denn das tat die Borussia auch in der 13. Minute nicht, weshalb es nichts über Füllkrugs Qualität aussagte, denn so einfach wird es bei der WM vermutlich nicht einmal Saudi-Arabien machen. Bensebaini hatte zuvor Ducksch den Ball ohne jede Not in den Lauf gelegt.

Und damit war das Spiel schon durch. Im Anschluss hatte die Borussia durch Kramer und Scally zwei gute Möglichkeiten, die sie - natürlich, denn nur so passte es zu diesem Abend – liegen ließen. Und noch zwei Höhepunkte der ersten Hälfte sahen Gladbacher im Mittelpunkt: Stindl hätte in der 42. Ergebniskosmetik betreiben können, scheiterte aber am glänzend reagierenden Pavlenka. Es wäre der Treffer zum 4-1 gewesen, denn fünf Minuten zuvor hatte Bensebaini völlig unbedrängt eine Bremer Flanke von rechts mit der Hacke (!) ins eigene Tor bugsiert. Überhaupt Bensebaini: Robert Louis Stevenson würde seinen Schauerroman heute im Gladbacher Strafraum spielen lassen und Bensebaini könnte die Titelrolle einnehmen. Also beide.

Für die zweite Hälfte könnte man versuchen, einen Spannungsbogen zu erzeugen, und nach den Erfahrungen der letzten beiden Spielzeiten ist es mehr als Chronistenpflicht zu erwähnen, dass die Borussia sich zumindest im Ansatz noch einmal gegen die Niederlage stemmte. Aber mehr als ein Anschlusstreffer durch Thuram nach feinem Zuspiel von Stindl (63.) kam nicht heraus, und dies wurde durch einen weiteren Bremer Treffer von Weiser zehn Minuten später korrigiert. Das Zuspiel kam natürlich von Füllkrug, der am Montag eine 1 im Fachmagazin erhalten wird und den Herr Toppmöller sicherlich auch bald zu einem anderen Verein zu schreiben versuchen wird. Und morgen in dieser Quasselrunde in München ... naja, man muss den Quatsch ja nicht gucken.

Die sportliche Fairness gebietet es, darauf hinzuweisen, dass die Bremer ein ganz fantastisches Heimspiel hinlegten und den Sieg nicht nur wegen der Gladbacher Schwäche geschenkt bekamen, sondern sich durch ein couragiertes und stringentes Spiel mehr als verdienten. Ja, das Spiel gegen den Ball der Borussia ist mit mangelhaft nur unzureichend gerügt, und im Spiel nach vorne fehlte es wieder an Lösungen gegen das Pressingverhalten der Bremer und an der Klarheit in den Aktionen nach vorne, aber die Bremer machten es auch einfach richtig gut und stehen nun wegen der Höhe des Sieges sogar vor der Borussia in der Tabelle.

In Mönchengladbach ist hingegen Wunden lecken angesagt. Dieses Spiel muss, es darf nur ein Ausrutscher gewesen sein. Denn es ist gerade überhaupt keine gute Zeit für eine Krise, also, wenn es überhaupt einen guten Zeitraum geben sollte. Aber am Sonntag kommt der FC Köln in den Borussia-Park. Und es ist kein Geheimnis, dass da eine Mannschaft kommt, deren Stärke es ist, dem Gegner permanent auf dem Fuß zu stehen. Gegen die beiden Mannschaften, die das in dieser Saison gegen die Borussia so umgesetzt haben, setzte es die beiden Saisonniederlagen. Es wird also Zeit für einen Neustart. Und für eine Anpassung, damit diese Sicherheitslücke geschlossen wird. Daniel Farke wird sich beweisen müssen.