Normalerweise sind Derbysiege der Borussia in etwa so bemerkenswert wie Regen im April oder Schnee auf der Zugspitze. Von 95 Bundesliga-Partien gegen den Effzeh konnte Gladbach 52 gewinnen. Das sind fast doppelt so viele Siege wie der kleine Nachbar mit 27 vorweisen kann. Es gibt aber einige gute Gründe, warum der 5:2-Erfolg an diesem Wochenende nicht unbedingt als selbstverständlich angesehen werden darf.

Schwache Derbybilanz in der jüngeren Vergangenheit

Da wäre zunächst einmal die jüngste Derbybilanz, die zuletzt drei Kölner Siege in Folge aufwies. Dieser unwürdige Zustand konnte durch das deutliche 5:2 eindrucksvoll getilgt werden. An diesem Sonntag war Borussia dem Gegner in allen wesentlichen Belangen überlegen und siegte auch in der Höhe verdient. Dass der Kölner Trainer dies anders bewertete, kann angesichts seiner regelmäßig peinlichen Aussagen und Auftritte als Bestätigung für die Richtigkeit dieser Einschätzung angesehen werden.

Die Kölner setzen wie so viele Mannschaften in der Bundesliga auf bedingungsloses Pressing, um ihre spielerischen Defizite zu kompensieren. Anders als in der Woche zuvor in Bremen ließ sich die Elf von Daniel Farke davon aber nicht beeindrucken, sondern wartete geduldig auf die sich zwangsläufig ergebenden Chancen. Dies war in der ersten halben Stunde nicht unbedingt schön anzusehen, gehört aber zur neuen Borussen-Spielweise elementar dazu. Angesichts der hohen individuellen Qualität der Mannschaft wird dies in den meisten Partien irgendwann zu einem erfolgreichen Ende führen. An schlechten Tagen kann dies aber auch schon mal schiefgehen und zu unerwarteten Punktverlusten führen wie auf Schalke, gegen Mainz oder zuletzt in Bremen.

Schwache Partie in Bremen belegt fragile Erfolgsbilanz

Durch das 1:5 beim SV Werder stand die Fohlenelf unter erheblichem Druck, denn zum ersten Mal in dieser Saison gab es eine Reihe kritischer Stimmen im Umfeld. Eine weitere Niederlage im Derby hätte die Stimmung mit ziemlicher Sicherheit ins Negative kippen und die Erfolge der ersten Spieltage vergessen lassen.

Aber auch jetzt, wo die Mannschaft wieder zurück auf den 6. Tabellenplatz gesprungen ist, sollte jedem klar sein, wie fragil die bisherigen Erfolge weiterhin sind. Borussia verfügt über eine Ansammlung individuell hochklassig veranlagter Spieler, die aber in den letzten beiden Jahren als Einheit nicht funktioniert haben. Es wäre zu einfach, dies ausschließlich nur den beiden Ex-Trainern anzulasten.

Unabhängig von den bisherigen Ergebnissen gelingt es Daniel Farke bislang aber deutlich besser als seinen Vorgängern, dem Team seine Spielidee zu vermitteln und diese auch tatsächlich als Mannschaft auftreten zu lassen. Entscheidender als solche Rückschläge wie in Bremen ist, wie die Mannschaft auf diese reagiert. Dies gelang ihr schon in der Vorwoche in Halbzeit 2 und noch viel mehr gegen den 1. FC Köln höchst beeindruckend.

Starke Reaktion

Personifiziert wurde dies insbesondere durch Ramy Bensebaini, der seinem Katastrophenauftritt an der Weser eine Topleistung gegen Köln folgen ließ, die er mit zwei Treffern krönte. In seinen 92 Pflichtspieleinsätzen traf er damit bereits zum 23. Mal. In jedem 4. Spiel gibt es ergo einen Bensebaini-Treffer zu bewundern. Zum Vergleich: Der einst als sehr torgefährlich geltende Roel Brouwers traf in jeder 14. Partie. Und selbst Wilfried Hannes – DER Inbegriff eines torgefährlichen Abwehrspielers in den 1980er Jahren – schnitt mit einem Treffer in jedem 5. Spiel nicht so gut ab wie der Algerier.

Ebenfalls rehabilitieren konnte sich das Defensive Mittelfeld, wo sich Koné mit Einsatz und Kampfgeist auszeichnete, während Julian Weigl über seine Präsenz und Ballsicherheit zur prägenden Figur des Spiels wurde. Für die Spielidee von Daniel Farke ist Weigl perfekt geeignet, da er fast immer die richtige Entscheidung trifft und spektakulär unspektakulär seine Leistung als Ballpass-Maschine abruft.

Starke Defensive und Offensive

Trotz der beiden Gegentore war auch Borussias Defensivleistung sehr ordentlich. Der Elfmeter entsprang einer höchst unglücklichen Aktion, während das zweite Gegentor überwiegend der fehlenden Spielpraxis des soeben eingewechselten Stefan Lainers zuzuschreiben war. Ansonsten ließ Borussia wenig zu und knüpfte so an die starken Defensivleistungen des Saisonbeginns an.

In der Offensive waren die fünf eigenen Treffer ein klares Statement. Erfreulich war das Tor von Kapitän Stindl, der anschließend vom nicht minder wichtigen Plea ersetzt wurde. Im Normalfall gehört der Franzose immer in die Startelf, was er mit seinen Beteiligungen an den letzten beiden Treffern unterstrich. Sofern die aus dem Köln-Spiel angeschlagenen Kramer und Koné am Samstag wieder fit sein werden, wird Plea aber voraussichtlich auch in Wolfsburg als Edeljoker agieren.

Da Nathan Ngoumou bei seinen bisherigen Kurzeinsätzen Anpassungsschwierigkeiten andeutete und Oscar Fraulo nach seinen vielversprechenden Ansätzen in der Vorbereitung vorläufig noch kein ernsthafter Kandidat für die erste Mannschaft zu sein scheint, sind die offensiven Optionen auf der Bank ansonsten weiterhin überschaubar.

Starke Resilienzen

Jonas Hofmann sorgte am 9. Spieltag für seine ersten drei Assists in dieser Saison und zeigte damit eine bemerkenswerte Resilienz – hatte er doch zwischenzeitlich mit einem unglücklichen Foul den Elfmeter zum Ausgleich verschuldet.

Auch Marcus Thuram musste während der Partie Widerstände überwinden, nachdem er zunächst einmal mehr eine Vielzahl großer Chancen ausgelassen hatte. Umso wichtiger, dass auch er sich am Ende noch in die Torjägerliste eintragen konnte, was er anschließend ausgiebig feierte. Sein an die Gästefans gerichteter Modeste-Jubel sollte dabei nicht überbewertet werden. Man kann die Spieler nicht auf der einen Seite für ihre mangelnde Derby-Sensibilität und dann gleichzeitig für solche emotionalen Aktionen in solch besonderen Spielen rügen. Wer möchte schon ernsthaft in einer Welt leben, in der es als normal angesehen wird, wenn ein Spieler emotionslos von Gladbach nach Köln wechselt? Die gewaltfreie Rivalität zwischen diesen beiden Klubs gehört zur Faszination Fußball dazu und macht diesen sehr prägend aus.

Starke Zukunftsaussichten

Nicht unterschlagen werden sollte zum Abschluss, dass das Derby durch den Elfmeter zum 2:1 und den damit verbundenen Platzverweis von Kainz maßgeblich beeinflusst wurde. Deshalb darf der Erfolg nicht überbewertet oder direkt wieder von überzogenen Erwartungen begleitet werden. Borussia wird jedes Spiel über 90 Minuten so konzentriert angehen müssen wie an diesem Sonntag, um auch in den kommenden Wochen und Monaten erfolgreich zu agieren und sich in der oberen Tabellenhälfte festzusetzen. Nur wenn dies konstant gelingt, ist am Ende auch ein europäischer Platz nicht auszuschließen, der gerade mit Blick auf die weiterhin unsicheren Vertragslagen vieler Spieler oder die Kaufoption von Julian Weigl sehr wichtig für die Zukunft des Vereins wäre.