Warnung
  • JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 83

 

 

Hat der alte Hexemeister

Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
Merkt ich, und den Brauch,
und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch.

(Der Zauberlehrling, Johann Wolfgang von Goethe)

 

 

 

Fußball ist Emotion. Fußball ist Leidenschaft. Fußball ist Sucht. Wer vom Fußball-Virus befallen ist, kann mit wildfremden Menschen zu jeder Tageszeit über vergangene Tore, kuriose Szenen, grandiose Triumphe und bittere Niederlagen diskutieren. Außenstehende schütteln hierüber meist den Kopf, aber das ist dem Fußballverückten egal. Wer diese Leidenschaft nicht in sich hat, wird niemals mit völligem Genuss Nick Hornbys Meisterwerk „Fever Pitch“ lesen und verstehen können. In einem solchen Umfeld ist es völlig normal, das man mit der Bezeichnung „Wunder“ inflationär umgeht. Was jedoch am 14.12.2008 geschah, schien tatsächlich ein kleines Fußballwunder zu sein. An diesem Tag brachte der Aufsteiger und Liganeuling aus Hoffenheim die Bundesliga-Herbstmeisterschaft unter Dach und Fach. Es war weniger der Erfolg, der die Fußballfachwelt in Verzückung versetzte. Es war vielmehr die Art, wie Hoffenheim mit Tempofußball die Bundesliga verzauberte. Sollte dem Kraichgau tatsächlich ein neuer Zauberlehrling entsprungen sein, der den Großen der Zunft das Konzept von modernem Fußball vorführt? Schließlich musste es doch erklärbar sein, wie es ein Provinzclub schaffen konnte, innerhalb von 18 Monaten aus den Niederungen der Regionalliga an die Bundesligaspitze zu stürmen. Fakten, wie z.B. die aggressive Transferpolitik der letzten Jahre, wurden nicht wahrgenommen. Nein, spektakulärer war die Ansicht, dass bei den Süddeutschen ein glasklares Konzept besteht und dieses überlegen war. Der Erfolg gab der Rangnick-Truppe ja Recht.

 

Seitdem ist einiges schief gelaufen bei der TSG. Der Start in die Rückrunde misslang. Zudem geriet die Mannschaft nach ihrem Auswärtsauftritt in Mönchengladbach unter Doping-Verdacht und manch ein Zeitgenosse fragte sich nun, ob beim Wunder Hoffenheim nicht doch ein wenig nachgeholfen wurde. Zwar bestätigte sich der Verdacht nicht, allerdings konnten die Sinsheimer im Verlauf der Rückrunde nur noch selten an den Glanz der Hinrunde anknüpfen und verpassten letztendlich einen internationalen Startplatz. Im Sommer platzte dann die Mär, dass die Spieler hauptsächlich wegen des schönen Umfelds in Hoffenheim spielen wollen. Der senegalesische Stürmer Demba Ba lieferte sich mit seinem Arbeitgeber ein Transfertheater vom Feinsten. Auch wenn Ba der Wechsel zum VfB Stuttgart letztendlich verweigert wurde: Vereinsliebe sieht wohl anders aus. Auch in der laufenden Saison konnte an das wahrlich glänzende Jahr 2009 nicht angeknüpft werden. Nach einem durchaus vielversprechenden Start fand man sich am Ende der Hinrunde im Mittelfeld auf Augenhöhe mit Vereinen wie Mainz, Frankfurt und eben Mönchengladbach wieder. Das ist respektabel für eine Mannschaft, die gerade mal ihre zweite Bundesligasaison spielt, aber offensichtlich viel zu wenig für Hoffenheimer Ansprüche. Wie hoch diese sind, definierte Manager Jan Schindelmeiser, als er in der Winterpause Hoffenheim auf Augenhöhe mit den Spitzenclubs in Europa sah. Ein wirklich bemerkenswerter Ausspruch, sprach er doch von einem Verein, der bis heute noch keine Europapokal-Partie absolviert hat, geschweige denn einen bedeutenden nationalen Titel erringen konnte. Als dann Hoffenheim kurz darauf von einem wirklichen europäischen Spitzenverein zum Auftakt der Rückrunde in die Schranken gewiesen wurde, klang er moderater und musste zugeben, dass sein Verein momentan eben nicht zur Spitze gehört – in Deutschland übrigens. Konzepte währen in Hoffenheim mittlerweile äußerst kurz.

 

Dass die sportliche Realität derzeit weit entfernt von den Hoffenheimer Ansprüchen ist, liegt aber selbstverständlich in erster Linie an der Mannschaft. Schon in der Sommerpause hielten es einige Spieler mit dem Erhalt der Fitness nicht so genau. Egoismen prägen das Team und dies ist Gift für eine Spielphilosophie, die von einer kollektiven Ballbeherrschung ausgeht. Sejad Salihovic forderte daher mehr Disziplin von seinen Mannschaftskameraden. Dieser Appell scheint jedoch ungehört zu verhallt zu sein. Der Start in die Rückrunde misslang komplett. Nur einen Heimsieg gegen das derzeit völlig desolate Hannover 96 erkrampften sich die Kraichgauer. Dabei ist Potential zweifelsfrei vorhanden – der Teamgeist fehlt. Und so ist die TSG genau dort angekommen, wo schon viele Sternschnuppen des Fußballs verglühten. Schneller Erfolg birgt eben auch die Gefahr der zu schnellen Zufriedenheit. Der Zauberlehrling, der auszog, anderen die Kunst der Magie zu lehren, steht nun selbst entzaubert da.

 

 

Das Team aus Hoffenheim

 

Momentan lamentiert man in Hoffenheim über Verletzungspech und in der Tat fallen mit Obasi und Beck gegen die Borussia verletzungsbedingt wichtige Stützen aus. Auf der anderen Seite verfügt man in Hoffenheim über einen breiten, ausgeglichenen Kader und kann die meisten Positionen ohne größeren Qualitätsabfall besetzen. Was in optimalen Zeiten bei der Rangnick-Truppe auf der Ersatzbank sitzt, hätte bei so manchem Bundesligisten eine Stammplatzgarantie. Ex-Nationaltorhüter Hildebrand ist die unumstrittene Nr. 1 im Tor der Kraichgauer. So unumstritten, dass er sich sogar einen kleinen Disput mit Manager Schindelmeiser leisten konnte, bei dem der ehemalige Stuttgarter Torwart am Ende mitteilte, dass er die Leistung des Managers nicht kommentieren möchte. Seine bisherige Leistung ist allerdings nicht der Grund für die aktuelle Krise. Vor Hildebrand agiert eine Viererkette mit Josip Simunic und dem Ex-Gladbacher Marvin Compper in der Innenverteidigung. Simunic spielt eine stabile Saison, ohne allerdings an die Leistung der letzten Spielzeit anknüpfen zu können. Interessant ist, dass ihm in Hoffenheim vorgeworfen wird, kein „Leader“ zu sein. In Berlin beklagt man gleichzeitig, dass man mit ihm den Führungsspieler in der Abwehr verloren habe und deshalb in der Hinrunde defensiv desolat spiele. Letztendlich ist Simunic aber als Innenverteidiger unumstritten und wird spielen. Neben ihm hat Ex-Nationalspieler Marvin Compper seinen Platz sicher. Seit der Winterpause sind seine Leistungen allerdings sehr dürftig. Zudem ist er zurzeit leicht angeschlagen, so dass es möglich ist, dass er durch Per Nilsson ersetzt wird. Auf den Außenpositionen ersetzt der österreichische Nationalspieler Andreas Ibertsberger rechts Andreas Beck, der aufgrund eines Innenbandrisses ausfällt. Ibertsberger ist so etwas wie der Defensiv-Allrounder und variabel einsetzbar. Allerdings fühlt er sich auf der linken Seite deutlich wohler. Dort spielt allerdings Christian Eichner. Vom Bundesliga-Absteiger Karlsruhe nach Hoffenheim gewechselt, absolviert er auf dieser Position eine ordentliche Saison.

 

Hoffenheims Stärke liegt nicht nur im Tempo, sondern auch in der Variabilität des Systems. Dank des breiten, qualitativ hochwertigen Kaders kann man sich auf den Gegner einstellen und wahlweise mit einem 4-5-1, 4-4-2 oder 4-3-3 spielen. Aufgrund der angespannten personellen Situation ist diese Variabilität allerdings erheblich eingeschränkt. Zwei absolute Schlüsselspieler im Hoffenheimer Mittelfeld sind gegen Gladbach gesperrt. Der Verlust von Mittelfeldstratege Luiz Gustavo dürfte dabei nur schwer aufgefangen werden. Er agierte vor der Abwehr und gibt einen klassischen Sechser ab, über den das Spiel gesteuert wird. Ersetzen wird ihn voraussichtlich der Ghanaer Isaac Vorsah. Der hat diesen Job bereits zu Saisonbeginn erledigt und dabei durchaus überzeugen können. Ungleich schwerer wiegt aber die Gelbsperre von Kapitän Sejad Salihovic. Der Bosnier dürfte kaum zu ersetzen sein, ist er doch der Führungsspieler im Team. Boris Vukcevic ist der aussichtsreichste Kandidat auf seiner Position im linken Mittelfeld zu spielen. Ob der talentierte Shootingstar dieser Saison aber bereits in kritischen Situationen die Ärmel hochkrempeln wird und den Antreiber spielt, darf bezweifelt werden. Kein Mann fürs Ärmelhochkrempeln ist hingegen Carlos Eduardo. Der Brasilianer ist einer der feinsten Spieler im Hoffenheimer Mittelfeld, hat aber auch alle Allüren einer Primadonna. Im einen Kettenhund auf die Füße zu stellen, wäre sicherlich eine Überlegung wert.

 

Im Sturmzentrum herrscht Vedad Ibisevic. Auch wenn er vergangene Woche seine Torflaute beenden konnte, ist er nicht mehr der Vollstrecker, der er noch in der letzten Saison war. Selten hat eine Verletzung so deutlich einen Karriereknick eingeläutet, wie beim Bosnier. Flankiert wird er vom Brasilianer Maicosuel, der sich nach anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten in das Stammteam spielen konnte. Fraglich ist hingegen, ob Demba Ba die dritte Sturmspitze sein wird. Nach seiner Verletzung fehlt ihm noch die Fitness. Ein Kandidat ist er aufgrund seiner Klasse auf jeden Fall. Möglich ist, dass Prince Tagoe sein erstes Spiel von Beginn an macht. Nach einem öffentlich geführten Theater wegen einer Kündigung aufgrund seines Gesundheitszustandes durch den Verein kam er zuletzt immerhin zu Kurzeinsätzen. Möglich ist aber auch, dass der bislang enttäuschende Millioneneinkauf Franco Zuculini von Beginn an aufläuft und Vukcevic einen offensiveren Part bekommt. Auch in der Krise und mit Personalproblemen hat Hoffenheim immer noch eine hohe Qualität und ist zumindest auf dem Papier der Favorit.

 

 

Die Borussia

 

Gegensätzlicher könnten die Situationen wohl kaum sein. Gesperrt ist bei den Borussen niemand. Im Gegenteil, nach abgesessener Gelbsperre rutscht Tobias Levels wieder ins Team und verweist Tony Jantschke zurück ins zweite Glied. Das Krankenlager zeigt sich ebenfalls entspannt. Von den Stammkräften fällt lediglich Mittelfeldspieler Thorben Marx aus, so dass Marcel Meeuwis eine weitere Chance von Beginn an erhalten wird. Der Niederländer strahlte im Heimspiel gegen Nünberg nicht die Sicherheit aus, die man sich erhofft hatte, was aber nach seiner langen Abstinenz durchaus nachzuvollziehen ist. Im Sturm kann Michael Frontzeck wieder auf sein gesamtes Personal zurückgreifen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich an der Startformation  Bobadilla/Colautti etwas verändern wird. Rob Friend muss sich also weiterhin gedulden. Wie gering die Abstände im Leistungspotential derzeit sind, zeigte sich ja im vergangenen Heimspiel, als Friend/Matmour das argentinisch-israelisch Duo sofort gleichwertig ersetzen konnte. Mönchengladbach wird also nahezu unverändert auftreten können, was einen weiteren Unterschied zur Hoffenheimer Situation darstellt. Während man bei den Kraichgauern sowohl bei Personal wie auch der Taktik variabel auftritt und auch auftreten muss, setzen die Borussen auf ein gefestigtes System. Wer die Auftritte in dieser Saison verfolgt hat, kommt zu dem Schluss, dass sich dies bislang nicht gerade schädlich auf die Gladbacher Spielkultur auswirkt. Am Niederrhein fährt man halt ein anderes Konzept und es wird sich zeigen, welchem mehr Erfolg bescheinigt sein wird.

 

 

Aufstellungen

 

Hoffenheim: Hildebrand – Ibertsberger, Simunic, Compper, Eichner – Vorsah – Eduardo, Zuculini – Vukcevic, Ibisevic, Maicosuel

 

Borussia: Bailly - Levels, Brouwers, Dante, Daems - Bradley, Meeuwis - Reus, Arango – Bobadilla, Colautti

 

SEITENWAHL-Prognose

 

Thomas Häcki: Am Ende werden beide nicht zufrieden sein. Die Hopp-Schützlinge, weil ihre Krise weiter anhält, die Fohlen, weil sie ein überlegen geführtes Spiel wieder nicht mit einem Sieg belohnen konnten. 2:2


Mike Lukanz: Es wird Zeit, dem bereits gefühlten Klassenerhalt einen weiteren Schritt Richtung fast sicheren entgegenzukommen. Borussia gewinnt etwas glücklich, aber nicht unverdient mit 1:0.


Christoph Clausen: Ein Pünktchen in Hoffenheim könnte drin sein. Sagen wir 1:1.