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Es war mal wieder eine kuriose Partie, die Borussia in Sinsheim ablieferte. Ein gutes Spiel unserer Elf war es aber nicht wirklich. Der Unmut über die zahlreichen Fehler und das späte Gegentor darf dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein verdienter Punkt bei den so hoch gehandelten und deutlich höher bezahlten Hoffenheimern gewonnen wurde, was noch vor einigen Monaten als Sensation gewertet worden wäre. Inzwischen darf man sich darüber sogar ärgern, denn bei einer etwas konzentrierteren Leistung wäre ein Auswärtssieg herausgesprungen.

Ausgerechnet einige der stärksten Akteure der letzten Zeit offenbarten unerklärliche Schwächen. Einen rabenschwarzen Abend erwischte Michael Bradley, der so viele Fehlpässe verursachte wie vermutlich in der kompletten Rückrunde zuvor. Exemplarisch der völlig unnötige Pass auf den nicht minder überforderten Daems vor dem 1:2 in einer Phase, in der die Hoffenheimer mausetot am Boden lagen.  

Selbst ein Dante war in einigen Aktionen ungewohnt konfus. Im bisherigen Saisonverlauf setzte er seine Technik stets gewinnbringend ein. Mit fast schon unverschämter Lässigkeit umspielt er seine Gegner und scheint sich der Situation stets voll bewusst. Einen echten Patzer, der zu einem Gegentor führt, kann man bei ihm nur selten ausmachen. Am Freitag abend war er aber mehrere Male kurz davor. Wie er Carlos Eduardo in Halbzeit 1 mit der Hacke frei spielte, wie er ihn später vor dem Ausgleich unbedrängt in den Strafraum ziehen ließ oder wie er vor seinem Handspiel unbeholfen über den Ball trat. Das war mit Abstand der schwächste Auftritt des Brasilianers in dieser Saison, dem man ihm nach so vielen genialen Partien aber zugestehen muss.  

Es fällt schwer, so etwas wie den besten Borussen auszumachen. Logan Bailly mag sich für diesen Job empfehlen, da er Borussia zu Beginn durch zwei tolle Paraden vor einem Rückstand bewahrte. Mit einigen kleineren Unsicherheiten trug er aber nur wenig zur Beruhigung des Spiels und seiner Vorderleute bei. Diese hatten defensiv allesamt einige unglückliche Aktionen. Tobias Levels beeindruckte immerhin einmal mehr mit großem Offensivgeist. Seine Flanke vor dem 2:0 beweist, dass er in diesem Bereich enorm dazugelernt hat. Geradezu beschämend wirkt im Vergleich dazu die offensive Harmlosigkeit unseres Kapitäns auf der gegenüberliegenden Seite.  

Analog zur Vorwoche wurde über den Schiedsrichter viel diskutiert, wenngleich dies in den Medien allzu einseitig geschah. Zur Erinnerung: Am vorigen Freitag wurde Nürnberg ein Abseitstor gestattet und Borussia zwei mögliche Elfmeter verweigert. Berichtet wurde fast ausschließlich über das Foul vor dem 2:1 sowie einen nicht gegebenen Strafstoß des Clubs.  

Gegen Hoffenheim scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Ralf Rangnick betonte zwar mit weinerlichem Gesicht, nicht jammern zu wollen, um dann aber genau dies doch zu tun. Auslöser waren gleich vier Handspiele, von denen kurioserweise das einzige zu einem Elfmeter führte, das definitiv nicht im Strafraum stattfand. Immerhin war es aber auch das einzige Handspiel, bei dem man nur schwer fehlende Absicht unterstellen konnte. Gefühlte 30 Sekunden schaute Per Nilsson dem Ball hinterher, ohne seinen Arm wegzuziehen. Klarer kann ein Pfiff gar nicht ausfallen. Dennoch lässt sich selbst für diesen Fall argumentieren, dass der Schwede so knapp am Strafraum den Ball wohl kaum absichtlich mit der Hand spielen wollte, sondern eher einem Blackout unterlag. 
 

Ob ein Schuss aus ein bis zwei Metern Entfernung an die Hand von Daems als Absicht gewertet werden darf? Oder ob man einem Dante unterstellen kann, dass er, nachdem er soeben über den Ball getreten hatte, volle Kontrolle über seine Aktionen und Hände hatte? Es gibt Kommentatoren, die scheinen dies zu tun. Schuld an dieser ganzen Debatte ist in erster Linie der DFB, der die Frage nach der Absichtlichkeit bei Handspielen seit Jahren genauso konfus behandelt wie er im „Skandal“-Fall Amarell oder zuletzt bei der Löwschen Vertragsverlängerung auftritt. 

Ein Blick in die Fußballregeln verrät zum Thema „Handspiel“ Folgendes: 

„Ein Handspiel liegt vor, wenn ein Spieler den Ball mit seiner Hand oder seinem Arm absichtlich berührt. Der Schiedsrichter achtet bei der Beurteilung der Situation auf 

- die Bewegung der Hand zum Ball (nicht des Balls zur Hand),
- die Entfernung zwischen Gegner und Ball (unerwartetes Zuspiel),
- die Position der Hand (Das Berühren des Balls an sich ist noch kein Vergehen.)…“ 

Eindeutig geht ganz klar anders, denn jeder dieser Punkte lässt viel Spielraum für subjektive Auslegungen durch den Schiedsrichter. Zudem kann es durchaus passieren, dass sich der Ball zwar – wie bei der Situation vor dem 2:2 – eindeutig auf die Hand zubewegt und Daems von einem „unerwarteten Zuspiel“ aus sehr kurzer Entfernung überrascht wurde. Aus Hoffenheimer Sicht könnte man aber trotzdem einwenden, dass die Hand so weit vom Körper positioniert war, dass ein Pfiff Berechtigung haben könnte.  

Eine solch undurchsichtige Formulierung der Regel ist unerträglich, führt sie doch zwangsläufig zu unterschiedlichen Auslegungen. Wir alle erinnern uns noch an Herrn Steinborn, der den Aachener Spielern einst noch nach Betrachtung der Fernsehbilder keine Absicht unterstellen wollte. Damals ging es für Borussia um Millionen, während Herr Stark gestern durch seine Konzessionsentscheidung kurz vor dem Ende noch eine vielleicht nicht ganz ungerechte Kompromisslösung fand.  

Vorwerfen lassen muss er sich eigentlich nur, dass er vor dem 0:1 auf den Platzverweis verzichtete. Dies mag man als „Fingerspitzengefühl“ loben, widerspricht aber allzu eindeutig den Regeln, die einen Feldverweis zwingend einfordern, „verhindert ein Spieler durch ein absichtliches Handspiel ein Tor oder eine klare Torchance des gegnerischen Teams.“ Seinem Assistenten ist zudem anzulasten, den Tatort falsch eingeschätzt zu haben. Alle übrigen Entscheidungen des Schiedsrichter-Teams lassen sich anhand der formulierten FIFA-Regel problemlos rechtfertigen. Genauso wie es aber auch bei einer gegenteiligen Auslegung der Fall wäre.

Beschweren darf man sich daher weniger beim Schiedsrichter als bei den Verantwortlichen von FIFA und DFB, denen es seit Jahren nicht gelingt, diese Grauzonen zu beseitigen.
 Eine Präzisierung der Regel wäre dringend vonnöten. Selbst eine extreme Änderung, indem man z. B. sämtliche Handspiele bestraft und den höchst subjektiven Tatbestand der Absicht streicht, wäre ein Gewinn für die Gerechtigkeit, da beide Mannschaften die gleichen Chancen hätten, sich von vornherein auf die Gegebenheiten einzustellen. In jedem Fall bedarf es aber einer konkreteren Anweisung, was objektiv unter „Absicht“ verstanden werden soll. 

Nun ist bekannt, dass die alternden Herren in der Regelkommission relativ immun gegen fortschrittliche Ideen sind und ihren eitlen Starrsinn stets über Gerechtigkeitsaspekte stellen. Warum man z. B. im beliebtesten Sport der Welt nicht in der Lage ist, wie in so vielen anderen Sportarten den neusten Stand der Technik zumindest soweit einzusetzen, wie es den Charakter des Spiels nicht verfälscht, wird man rational nicht beantworten können.  


Selbst wenn man aber nicht dazu bereit ist, die Regel neu zu formulieren, so könnte man auch beim DFB für eine einheitlichere Auslegung der Regel sorgen, indem man den Schiedsrichtern klare Vorgaben macht und diese offen und transparent kommuniziert. Der DFB steht hier eindeutig in der Pflicht, den in der Regel allzu schwammigen Begriff der „Absicht“ genauer zu definieren. Solange dies nicht geschieht, wird es immer wieder ähnliche Diskussionen geben, die man mit etwas gutem Willen verhindern könnte. Ein Gewinn wäre dies für den Fussball, die Gerechtigkeit und speziell für näher am Wasser gebaute Menschen wie Ralf Rangnick.