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dfbDer Deutsche Fußballbund hat über 6,6 Millionen Mitglieder. Wäre er ein Land, hätte er eine größere Bevölkerung als Finnland oder Israel, auch wenn das Verhältnis der Geschlechter mit 5:1 eher bedenklich wäre. Als Land hätte der DFB vermutlich eine richtige Regierung und eine vernünftige Gewaltentrennung, als Verband ist er aber nur ein Staat im Staate, mit einer Menge von einzelnen Parteien innerhalb. Mit den unvermeidlichen Grüppchenbildungen, Machtkämpfen, Intrigen und Skandalen. Nur etwas schmerzhafter als bei einem Land.

 

Es ist zwar völlig normal, dass in Zeiten des Erfolges alles ruhig läuft und im Misserfolg die Knüppel rausgeholt werden. Revolutionen stehen nur dann an, wenn die Dinge nicht so laufen wie gewünscht. Wenn ein „Land“ wie der DFB, für den sportlich seit der WM 2006 alles nach Plan  verläuft, derart abstruse Schlagzeilen wie zuletzt produziert, deutet das stark daraufhin, dass unter der betulichen und manchmal selbstgefälligen Oberfläche die Vorgänge nicht so professionell ablaufen, wie sie sollten. Und erst dann fällt auf, dass die Strukturen des größten und reichsten Sportverbandes der Welt mit provinziellen Klüngeleien zu tun haben, die nach außen hin so glatt wie möglich verkauft werden.

Da gab es zum einen die unsäglichen Vorgänge um die Vertragsverhandlungen von Bundestrainer Löw. Joachim Löw hat aus nächster Nähe miterlebt, wie sein Vorgänger Klinsmann von den verkrusteten Strukturen des DFB unter Gerhard Mayer-Vorfelder immer wieder behindert und torpediert wurde. Dementsprechend gilt sein Bemühen außer der Nationalelf einer starken Position, die er zusammen mit seinem Team Flick, Köpke und Bierhoff behaupten will. Normalerweise sollte das erst zu Problemen führen, wenn der Erfolg ausbleibt, aber diesem Team gegenüber steht der Sportdirektor des DFB, Matthias Sammer. Diesen hat sich der DFB seinerzeit gegönnt, als Klinsmann den ehemaligen Feldhockeytrainer Bernhard Peters verpflichten wollte. Das Wort „Hockey“ war für die Honoratioren bei DFB offenbar eine derartige Provokation, dass sie auch Dieter Bohlen verpflichtet hätten, nur um Klinsmann zu ärgern. Mit dem ausgesprochenen Machtmenschen Sammer aber holte man sich einen Geist, der so schnell nicht Ruhe gibt.

Die Machtkämpfe um die sportliche Führung kulminierten in den letzten Wochen, als der Zeitpunkt für Löws Vertragsverlängerung kam, die von Präsident Zwanziger für eine Art Tagesordnungspunkt gehalten wurde nach dem Motto „Fragen – Nicken – abhaken“. Die Bedingungen des Bundestrainers lagen schon lange auf dem Tisch und waren bekannt. Seriöserweise hätten die Optionen gelautet „Annehmen“ , „Ablehnen“ oder „verhandeln und mal gucken“.  Stattdessen wurde Zwanziger von „der Reaktion“ gezwungen, Löws Forderungen unannehmbar zu finden und einen Gegenentwurf auszuarbeiten, der innerhalb von 48 Stunden angenommen oder abgelehnt werden sollte, Punkt. Ein Staat, der sich derart verhält, kommt schnell in den Ruf eines unzuverlässigen Geschäftspartners, der DFB aber wählte erst mal seine bewährte Taktik, eine Pressekonferenz einzuberufen mit dem Tenor „ist doch alles in Ordnung“. Lange wird man den Anschein nicht wahren können.

Zwanziger, der seinem Verband vorsteht wie ein gutmütiger Bundespräsident, hat es verpasst, seinen wild umherlichternden Sportdirektor in klare Grenzen zu zwingen, seinem Manager der Nationalmannschaft einen deutlich umrissenen Geschäftsbereich aufzuzeigen und den regelrecht revanchistischen Funktionärsapparat zur Raison zu bringen. Die Beschneidung der Kompetenzen von Pressesprecher Harald Stenger im Jahr der Weltmeisterschaft ist nur ein weiteres Zeichen für die Kämpfe hinter den Kulissen im „Land DFB“. Man darf die Vermutung hegen, dass die drei Presseprecher, die Stengers Aufgaben mit übernehmen, auch nicht für mehr Offenheit sorgen werden.

Der andere Fall, der für Schlagzeilen sorgt, betrifft die oberste Etage der Schiedsrichter des DFB. Die Schlagzeilen und damit verbundenen Andeutungen gehören in die Kategorie von Neuigkeiten, bei der man erst mal glaubt, sich verlesen zu haben. Kurz zusammengefasst: „Dem Schiedsrichter-Sprecher und langjährigem Bundesligaschiedsrichter Manfred Amerell wird vorgeworfen, junge Schiedsrichter sexuell belästigt zu haben.“  Bei solchen Schlagzeilen reibt man sich schon einmal die Augen. Nachdem die Vorwürfe offenbar eine Zeit lang ignoriert wurden, wurde der Verdacht bekannt und Amerell trat zurück, veröffentlichte dabei aber eine SMS eines jungen Bundesligaschiedsrichters, die ihn von dem Verdacht der Nötigung entlasten soll, unter anderem mit dem Text „Wieso machen wir alles kaputt?“ Zwecks maximaler Publizität via „Bild“ Zeitung.

Gerechterweise muss man festhalten, dass diese Dinge nicht alle im Einflussbereich des DFB oder gar seines Präsidenten standen. Wenn es einmal soweit gekommen ist, ist ein Skandal nicht mehr zu verhindern. Dieser Skandal besteht aber keineswegs in der sexuellen Ausrichtung erwachsener Männer, wie es die Schlagzeilen suggerieren, sondern viel mehr in dem Umstand, dass tatsächlich keiner weiss, nach welchen Kriterien Schiedsrichter berufen und befördert werden. Jedenfalls, wenn es um höchste Weihen und die Spitzenligen geht. Natürlich werden die Spielleiter beobachtet und beurteilt, letzten Endes sind die Kriterien aber weicher als bei einem Fußballspieler. Inzwischen steht der verheerende Eindruck öffentlich da, dass mit dem nunmehr ehemaligen Schiedsrichtersprecher Amerell und dem obersten Chef der Schiedsrichter Volker Roth eine Machtspitze existiert, die nicht nur Leistungskriterien folgt.

Wieviel an den jetzt kommenden Meldungen dran ist, dass vieles schon länger bekannt gewesen sei, wird sich vielleicht in Zukunft erweisen. Spätestens dann muss man dem DFB vorwerfen, in der Kontrolle dieses hochsensiblen Bereiches versagt zu  haben. Was man ihm jetzt schon vorwerfen darf, ist ein ausgeprägtes Bemühen, den Vorgang glatt vergessen zu wollen, denn nach dem Rücktritt Amerells gab Präsident Zwanziger einfach zu Protokoll, diese Angelegenheit sei damit erledigt. Wieder einmal „ist doch alles in Ordnung“. Angesichts solch treuherziger Versuche fällt es schwer, beispielsweise italienische Verbände oder Politiker der Verdunkelung zu bezichtigen. In den fünf seither vergangenen Tagen wird der Präsident des DFB bereits eingesehen haben, wie naiv das gewertet wurde. "Man sollte dem DFB und seinem Präsidenten nicht unterstellen, dass er nur  möglichst schnell den Deckel drauf machen wollte" , so großzügig gibt sich der "Kicker" in der Ausgabe vom Montag. Dabei dürfen diejenigen, die genau das unterstellen, näher an der Wahrheit liegen.

Es spielt was foul im Staate DFB. Der Ruf nach mehr Transparenz wird richtigerweise laut werden, auch wenn solches nur begrenzt helfen kann bei einer Organisation, bei der einfach nicht nach Leistung befördert wird sondern maximal nach einstigen Verdiensten. Offenbar hat der sportliche Niedergang, der bis 2004 zu verzeichnen war, nicht für genug Veränderung gesorgt bei Strukturen, den handelnden Personen und der selbstgefälligen Mentalität. Daher machen wir erst einmal weiter alles kaputt.