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Wenn sich ein Traditionsverein mit breiter Fanbasis vor der Saison für mehrere Millionen Euro verstärkt, einen realistischen Mittelfeldplatz anstrebt und sich dann nach 15 Spieltagen mit 10 Punkten abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz wiederfindet, dann ist öffentliches Chaos vorprogrammiert. Vor diesem Hintergrund war es in den vergangenen Monaten rund um den Borussia-Park erstaunlich friedlich zugegangen. Das bislang so erfolgreiche Ansinnen des Vereins, selbst in dieser akut kritischen Lage um jeden Preis Ruhe zu bewahren, ist aber mit der erneuten Heimniederlage gegen Hannover 96 endgültig fehlgeschlagen.


Zu Wochenbeginn bestimmte die Hexenjagd auf Raul Bobadilla das öffentliche Geschehen. Der Argentinier hatte seinem Verein einen Bärendienst erwiesen, als er in der eminent wichtigen letzten Partie die Nerven verlor und mit seinem Platzverweis zur späteren Heimniederlage beitrug. Soweit die Fakten, für die Bobadilla zurecht mit einer hohen Geldstrafe, einer temporären Rückversetzung zur U23 und insgesamt 6 Spielen Sperre (inkl. Pokal) bestraft wurde. Wenn der Argentinier doch noch ein großer Spieler werden möchte, dann muss er dieses Ereignis zwingend positiv verarbeiten. Es bedarf einer gewaltigen Portion an Einsicht, Reue und Willen, das Geschehene wieder gutzumachen. Bislang ist nicht überliefert, ob allzu viel davon bei unserem Stürmer vorhanden ist.

Es wäre aber stark übertrieben, die gesamte Misere unseres Vereins nur an einem Spieler festzumachen, der noch vor wenigen Wochen beim 4:0-Erfolg in Köln als großer Derby-Gewinner gefeiert worden war. Selbst in voller Besetzung hat Borussia in den vergangenen Wochen regelmäßig Führungen verspielt. Die Leistung der Mannschaft war zudem schon in der 1. Halbzeit sehr dürftig und hätte angesichts unserer obligatorischen Defensivleistungen kaum zu einem Sieg gereicht.

Da war es nur gerecht, dass in den letzten Tagen eine neu gegründete Initiative, den Fokus vom wütenden Gaucho hin zu den vermeintlich fehlerhaften Strukturen im Verein lenkte. Nun kann man diverse Ideen und Vorschläge dieses Zusammenschlusses regionaler Wirtschaftsvertreter gerne diskutieren. Nur ist dies ohnehin erst für die kommende Jahreshauptversammlung im Mai angedacht – zu einem Zeitpunkt, der besser geeignet erscheint für Überlegungen, wie sinnvoll z. B. ein Hotelbau am Niederrhein sein mag. In unserer momentanen Situation bestehen weiß Gott genügend dringlichere Probleme als sich mit den „revolutionären Ideen“ einer bislang ziemlich obskur auftretenden Gruppe allzu populistischer Möchtegern-Edelfans zu beschäftigen.

Von daher sollte man das Geschehen fürs erste interessiert, aber doch nüchtern beobachten. Die ausgelöste Unruhe in den Medien wird sich sportlich kaum negativ auswirken können, da es tiefer als Platz 18 nicht mehr geht. Für die Partie in Freiburg muss die Initiative von Borussia allein Richtung dritter Auswärtssieg ausgehen, damit der Anschluss nach oben nicht noch weiter abreißen lässt. Dieses Unterfangen wird allerdings kein einfaches, denn zum vierten Mal in Folge reist Borussia zu einer Mannschaft aus dem oberen Tabellendrittel.

SC Freiburg

Dass der SC Freiburg aktuell einen solch sensationellen 5. Platz einnimmt, ist ähnlich hoch zu bewerten wie der Höhenflug der Mainzer. Die Elf von Robin Dutt hat mit Papiss Demba Cissé einen treffsicheren Stürmerstar, der 13 von bislang 22 Saisontreffern des SC erzielt hat. Zu Saisonbeginn wirkte es noch wie das Pfeifen im Walde, als Dutt den Abgang von Mo Idrissou mit einem müden Lächeln wegsteckte. Als Ersatz habe man schon lange jenen Cissé, der in der vorigen Winterpause in den Breisgau wechselte und der seinem Trainer mit 17 Treffern in bislang 31 Bundesligaspielen nachhaltig Recht gegeben hat. Auch wenn schon jetzt absehbar ist, dass der 25jährige Senegalese nicht mehr allzu lange in Freiburg zu halten sein wird, könnte er Borussia am kommenden Sonntag empfindlich weh tun.

Die ansonsten sehr ausgeglichene Mannschaft zeichnet sich durch ähnliche Qualitäten aus wie Borussias letzter Gegner. In der Defensive steht der SC sehr solide und bietet den Gegnern mit hohem Einsatz und hoher Disziplin wenig Torraummöglichkeiten. In Heimspielen ist die Mannschaft regelmäßig bemüht, selbstbewusst nach vorne zu spielen und über die technisch starken Spieler eigene Torgefahr zu entwickeln. Man ist aber auch jederzeit in der Lage, aus einer sicheren Abwehr blitzartig zu kontern, was Borussia besonders schwer zu schaffen machen dürfte.

Zuletzt beendete Freiburg eine kurzzeitige Schwächeperiode von 2 Niederlagen in Folge mit einem souveränen 1:0-Heimsieg gegen den Hamburger SV. In den Spielen gegen St. Pauli, Schalke und Dortmund gab es aber immerhin auch schon drei Heimpleiten an der Dreisam, so dass Borussia normalerweise nicht ganz chancenlos die lange Fahrt in Deutschlands wärmste Stadt auf sich nimmt.

Borussia

Doch was ist bei Borussia in diesem Spieljahr noch normal? Stellt man die einzelnen Spieler der beiden Mannschaften vom Sonntag individuell gegenüber, würden die meisten Borussen-Fans, aber auch zahlreiche objektive Experten voraussichtlich kein allzu eindeutiges Ergebnis zugunsten des Tabellen-Fünften finden. Doch gerade Borussias Defensive offenbart in dieser Saison kaum für möglich zu haltende Schwächen, die nur bedingt durch den Ausfall der beiden Innenverteidiger zu entschuldigen sind. Einer der beiden wird am Sonntag voraussichtlich sein Comeback feiern. Ob Roel Brouwers die große Herausforderung Cissé nach langer Verletzung erfolgreich meistern kann, wird ein wesentlicher Schlüssel zu einem möglichen Erfolg sein.

Offen ist noch die Frage, wer Brouwers Nebenmann wird. Grundsätzlich ist hier Bamba Anderson vorgesehen, selbst wenn der in den vorigen Partien eher schlechter agierte als der zurückgeholte Callsen-Bracker. In dieser Woche konnte Anderson wegen entzündeter Zehnägel nur begrenzt trainieren, weswegen sein Einsatz in Freiburg noch ein wenig fraglich ist. Auflaufen wird er vermutlich nur, wenn er zu 100% fit ist, da Frontzeck nach den bisherigen Erfahrungen der Saison kaum das Risiko eingehen wird, mit zwei angeschlagenen Innenverteidigern in die Partie zu starten.

In der Offensive fallen mit Bobadilla und Reus zwei Stammspieler gesperrt aus, die von zwei Ex-Freiburgern ersetzt werden könnten. Mo Idrissou bietet sich durch Bobadillas Unbeherrschtheit die Chance, gleich in bis zu 6 Spielen für sich und seine Zukunft in der Startelf zu werben. Zudem stellt sich die Frage, ob auch Karim Matmour erstmals seit dem 1. Spieltag zu Beginn aufläuft oder ob Frontzeck lieber auf den jugendlichen Elan von Patrick Herrmann setzt.

Elan und Engagement werden auf jeden Fall nötig sein, um in Freiburg bestehen zu können. Die Mannschaft steht in der Pflicht, den Abstiegskampf endlich mit Haut und Haaren anzunehmen und sich bedingungslos gegen das drohende Schicksal zu stemmen. Wer Trainer Michael Frontzeck dermaßen negativ gegenübersteht, dass er ihn unbedingt loswerden möchte und sich damit insgeheim eine möglichst hohe Niederlage von Borussia „wünscht“, dem sei gesagt: In unserer aktuellen Situation können wir uns keine einzige Niederlage mehr leisten. Jeder weitere Punktverlust könnte bereits einer zu viel sein, denn unabhängig vom Trainer, Manager, Präsidenten oder Platzwart wird es extrem schwierig, in dieser verfluchten Saison doch noch die Klasse zu erhalten. Der Verein ist offensichtlich fest entschlossen, mit der bestehenden Besetzung das Unternehmen Klassenerhalt anzugehen. So skeptisch man sein darf, ob dies die richtige Entscheidung darstellt, bleibt uns Fans nichts Anderes übrig, als ihnen dabei alles erdenkliche Glück zu wünschen – auf dass sie uns Skeptikern am 14. oder spätestens 23. Mai 2011 eines Besseren belehrt haben werden. Ein Auswärtssieg in Freiburg wäre ein erster wichtiger Schritt zur Durchsetzung dieser wahrlich lohnenswerten Initiative.

Aufstellungen:

Freiburg:
Baumann – Mujdza, Barth, Butscher, Bastians – Nicu, Schuster, Putsila, Abdessadki, Rosenthal – Cissé

Borussia:
Heimeroth – Levels, Brouwers, Callsen-Bracker, Daems – Herrmann, Marx, Bradley, Arango – de Camargo, Idrissou

SEITENWAHL-Tipps:

Michael Heinen:
Momentan gibt es leider kaum etwas leichteres, als Borussen-Spiele zu tippen. Alles andere als eine Niederlage in Freiburg wäre eine große Überraschung. Daher setze ich auf eine Wiederholung des letzten Ergebnisses: Borussia verliert mit 1:2.

Christian Spoo: Eine Krise ist eine Krise ist eine Krise. Ein Cissé ist ein Cissé ist ein Cissé. Freiburg gewinnt mit 2:1.

Christian Heimanns: Wenig Abwehr, kein Reus. Freiburg reicht ein 1:0, um Borussia bequem niederzuhalten.

Christoph Clausen: Nachdem das mit dem zweckoptimistisch Tippen letzte Woche daneben ging, jetzt wieder pessimistisch: Borussia unterliegt mit 0:2.

Thomas Häcki: Am Schluß wird Freiburg einer harten Hinrunde Tribut zollen und das Spiel locker auslaufen lassen. Warum auch nicht? Schließlich gewinnt man ohne Anstrengung 3:0. Es bleibt nur die Hoffnung, dass man sich in Mönchengladbach danach endlich aus der Lethargie löst, denn so hat man keine Chance mehr und wird auch aus dem Pokal ausscheiden.