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Als vor einem Jahr Lucien Favre die Leitung des Trainings von Borussia Mönchengladbach übernahm, lag der Verein abgeschlagen an letzter Stelle – mit 7 Punkten und 18 Toren Rückstand auf einen Relegationsplatz. Der Klassenerhalt galt zu diesem Zeitpunkt als faktisch unmöglich.


Drei Monate später war das Unmögliche eingetreten und ganz Mönchengladbach feierte den Klassenerhalt. Doch die Experten und selbst Lucien Favre waren sich einig, dass dem Last-Minute-Klassenerhalt eine weitere schwere Spielzeit folgen würde. Eine Platzierung in der oberen Tabellenhälfte oder gar ein Kampf um die internationalen Plätze galt nun als faktisch unmöglich.

Nach dem überragenden 3:0-Erfolg über Schalke ist endgültig geklärt, dass das Unmögliche erneut eingetreten ist. Und erneut treten die Mahner auf den Plan, die nicht ganz zu Unrecht darauf hinweisen, dass diese Mannschaft am oberen Limit ihrer Möglichkeiten spielt und es unmöglich stetig weiter bergauf gehen kann wie innerhalb des vergangenen Jahres.

Diese Sorge ist zweifelsohne berechtigt, denn der konstante Lauf der Borussia seit Favres Amtsantritt mutet mit jeder Woche unheimlicher an. Vergessen werden sollte z. B. nicht, dass die Mannschaft im Vergleich zur Vergangenheit relativ wenig Grund zur Klage bei den Schiedsrichtern und über das Verletzungspech hatte. Doch die Art und Weise, wie selbst kleinere Schwächephasen in einzelnen wenigen Spielen immer wieder mit beeindruckenden Auftritten beantwortet werden, spricht für eine gehörige Qualität und einen grandiosen Charakter einer Mannschaft, der auch nach dem Verlust der beiden so wichtigen Stützen im kommenden Sommer noch einiges zuzutrauen ist.

Lucien Favre wird immer wieder zitiert, dass man aufhören sollte, wenn es am Schönsten ist, was auf den ersten Blick Böses erahnen lässt. Rein statistisch wird dieses Jahr in den nächsten Jahren tatsächlich schwer zu wiederholen sein, denn Platz 3 und der Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale sind angesichts der (finanz-)starken Konkurrenz ein kaum hoch genug zu würdigendes Resultat. Erfolg sollte jedoch nicht immer nur an reinen Zahlen gemessen werden. Eine überragende Saison zu spielen ist aller Ehren wert; dies gelingt aber immer wieder einmal auch kleineren Mannschaften, die dann meist in der Folgezeit wieder auf normaleres Maß zurückgestutzt werden. Für einen ehrgeizigen Trainer wie Favre sollte es eine Herausforderung sein, diese junge, entwicklungsfähige Mannschaft eines solch traditionsreichen Vereins mit gezielten Verstärkungen in den oberen Regionen der Tabelle zu etablieren. Wer weiß, ob in einem Jahr nicht erneut darüber gestaunt wird, wie einmal mehr das scheinbar unmögliche möglich geworden ist?

Staunen konnte so mancher Betrachter am vergangenen Samstag über die Demontage des FC Schalke 04. Dabei war es die eigentliche Überraschung, wie überrascht die Öffentlichkeit immer noch auf solche Auftritten der Borussia reagiert. Immerhin wurden in dieser Saison bereits einige höchst finanzstarke Vereine ähnlich dominant aus dem Borussia-Park vertrieben und die brillante erste Halbzeit gegen Schalke war letztlich „nur“ eine Fortsetzung der nicht minder starken Auftritte gegen Wolfsburg, Bremen und Bayern. Zumindest im heimischen Stadion legt Borussia mittlerweile so regelmäßig eine Dominanz an den Tag, wie sie tatsächlich eines deutschen Meisters würdig wäre. Da ist es kein Wunder, dass nicht wenige Fans mittlerweile immer weniger heimlich vom ersten Gewinn eines Titels nach 16 Jahren träumen.

Angesichts der günstigen Pokalauslosung gegen den Saison-Lieblingsgegner werden einige Optimisten sogar bei Gedanken ans Double erwischt. Doch so sehr sich dies mit etwas Abstand und gesundem Realismus immer noch in den Bereich des extrem unwahrscheinlichen rücken lässt, so ist es bemerkenswert genug, dass zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt noch diese Möglichkeit besteht. Mindestens ebenso bemerkenswert ist es im Übrigen, dass Borussia nicht als Außenseiter in ein Spiel gegen Bayern München starten wird – zumindest dann, wenn Marco Reus und Manuel Neuer am 21. März zur Verfügung stehen.

Die Bedeutung von Reus als Offensivkraft und Torjäger wurde auch gegen Schalke deutlich, da ihm einmal mehr das in Borussen-Spielen quasi vorentscheidende, frühe 1:0 gelang. Insgesamt wurde seine gute Leistung an diesem Abend aber sogar noch überragt von seinen drei offensiven Teamkollegen. Mike Hanke erzielte dabei den schönsten Treffer, bei dem er mit 2 Doppelpässen gleich die halbe Schalker Mannschaft alt aussehen ließ. Angesichts seiner tollen Saisonleistung und seiner zunehmenden Torgefahr rückt er mittlerweile sogar in den Fokus der Nationalmannschaft. Blickt man auf das nun schon recht lang anhaltende Formtief seines Konkurrenten Cacau, so wäre es im Grunde nur folgerichtig, dass sich Jogi Löw derlei Gedanken macht. Ob dies für den Verein so wünschenswert ist, steht auf einem anderen Blatt, denn so manchem Borussen wurden im Kreis der Spieler aus Dortmund oder Bayern der Kopf verdreht, was sich z. B. durch das Anbringen merkwürdiger Tattoos sowie die Wahl merkwürdiger Reisepartner für den Winterurlaub äußerte.

Doch diese Gefahr ergibt sich bei zunehmendem Mannschaftserfolg zwangsläufig. So hätten es auch Tony Jantschke und Marc-Andre ter Stegen angesichts ihrer Leistungen verdient, vom Bundestrainer beachtet zu werden. Dieser hat zwar geäußert, dass ein Großteil der EM-Kaderplätze bereits vergeben sei, dass aber einzelne Spieler mit herausragenden Leistungen schon noch eine Chance haben könnten. Selbst wenn es nur noch wenige Testspiele bis zur Nominierung geben wird, besteht also durchaus die Chance, dass am Ende der eine oder andere Borusse an der Europameisterschaft teilnehmen wird. Dass aber am 1. Juli ein Borusse mit dem EM-Pokal zum dritten Mal innerhalb nur weniger Wochen eine Trophäe wird in Empfang nehmen dürfen – das scheint zum jetzigen Zeitpunkt nun wahrlich unmöglich zu sein.