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Der plötzliche Abgang von Jonas Hofmann zu Bayer 04 Leverkusen hat nicht nur die Fans von Borussia Mönchengladbach kalt erwischt, sondern offensichtlich auch die Vereinsführung. Das jedenfalls konnte man zwischen den Zeilen des konsterniert wirkenden Statements lesen, mit dem dieser Wechsel verkündet wurde. Gewiss, dass Hofmann eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag hatte, war jedem auch nur halbwegs interessierten Beobachter bekannt. Jedoch hatte man vermutlich nicht nur aus der Außenperspektive, sondern auch innerhalb des Vereins angenommen, dass diese Klausel nur dann gezogen würde, wenn entweder Bayern München ruft oder ein attraktives Angebot aus dem Ausland vorliegt. Dass Hofmann jedoch zu Bayer Leverkusen wechselt, also zu einem Verein, mit dem man in den letzten Jahren regelmäßig auf Augenhöhe agierte, ist ein ganz anderes Signal, ein verheerendes Signal.

Dieser Wechsel zeigt, wie wenig Vertrauen die wenigen noch halbwegs ambitionierten Spieler in den Weg haben, den der Verein eingeschlagen hat. Der Wechsel verschärft den Eindruck, dass derzeit jeder geht, der ein halbwegs sinnvolles Angebot hat und dass nur die Spieler bei Borussia Mönchengladbach bleiben, bei denen das nicht der Fall ist, sei es, weil sich die Karriere dem Ende zuneigt oder weil sie bisher den Nachweis gehobener Bundesligatauglichkeit schuldig geblieben sind. Ausnahme vielleicht Weigl, der aber zu einem Zeitpunkt unterschrieben hat, als die derzeitige Entwicklung so noch nicht abzusehen war.

Jonas Hofmann ist in dieser Angelegenheit nicht zu kritisieren. Es mag sein, dass wir Fans uns wünschen, ein solcher Spieler bliebe aus emotionaler Verbundenheit beim Verein. Wer jedoch Hofmann jetzt des Verrats beschuldigt, möge sich in die Rolle eines ambitionierten Arbeitnehmers versetzen, dessen Arbeitgeber gerade in der Krise ist und ungewisse Perspektiven aufweist, der gleichzeitig aber ein attraktives Angebot eines Konkurrenten vorliegen hat. Der emotionalen Komponente des Fußballs entkleidet ist das ein nachvollziehbarer Wechsel.

Der Vereinsführung ist in Bezug auf die individuelle Vertragssituation von Jonas Hofmann ebenfalls wenig vorzuwerfen. Die Vertragsverlängerung, die einen ablösefreien Abgang Hofmanns in diesem Sommer verhindert hat, war zu anderen Konditionen mutmaßlich nicht zu haben. Auch das ein nachvollziehbares Ansinnen von Hofmann, der sich in diesem Punkt vergleichsweise korrekt verhalten und anders als Thuram und Bensebaini gerade nicht den Weg eingeschlagen hat, die Ablöse als Handgeld in die eigene Tasche zu erhalten.

Vorzuwerfen – und nicht mehr ausschließlich mit den Hinterlassenschaften von Max Eberl zu erklären – ist der Vereinsführung jedoch, dass sie ohne Gegensteuern die aktuelle Entwicklung zugelassen hat. Es ist zwar richtig, wirtschaftliche Solidität zu propagieren und wieder in die „Leitplanken“ zurückzukehren, in denen man sich vor den Anfällen von Größenwahn der Jahre 2019ff. bewegt hat. Das darf jedoch nicht so weit gehen den Eindruck zu erwecken, ohne außergewöhnliche Einnahmen aus dem Verkauf von Spielern überhaupt nicht mehr handlungsfähig zu sein. Entsteht dieser Eindruck, passiert genau das, was jetzt passiert ist: Jeder Arbeitnehmer denkt über die Perspektiven nach, die sich ihm im folgenden Geschäftsjahr bieten. Sehen diese Perspektiven wie im Fall Borussia Mönchengladbach so aus, dass mit Ausnahme von Omlin, Lainer, Elvedi, Kramer, Weigl und bisher noch Hofmann keine gestandenen Bundesligaspieler mehr vorhanden sind, die eine Mannschaft durch die Saison führen können, riecht es mehr nach Abstiegskampf als nach Übergangssaison mit anschließendem Angriff auf Europa, sehen sich die Protagonisten zukünftig mit einer Auswahl von Jugendspielern und Neuzugängen von Zweitligaabsteigern auf dem Platz stehen, muss sich niemand wundern, wenn bei einer Abwägung die eigenen Perspektiven mehr Gewicht einnehmen als das Schicksal des (bisherigen) Arbeitgebers. Dieser Entwicklung hätte man entgegenwirken können, wenn man vielleicht bei einem oder zweien der potentiellen Neuzugänge unabhängig von eingehenden Verkaufserlösen zur Tat geschritten und so den vorhandenen Spielern (und auch dem zukünftigen Trainer) eine glaubhafte Perspektive vermittelt hätte.

Warum das nicht geschieht, ist rätselhaft.

Entweder ist die finanzielle Lage des Vereins noch viel dramatischer, als das nach außen dargestellt wird. Das würde erklären, warum noch nicht einmal die Einnahmen aus dem Verkauf von Beyer und die freiwerdenden Mittel für die gewiss nicht geringen Gehälter der bisherigen Abgänge komplett reinvestiert werden können. Oder aber man hat kommunikativ die Situation komplett unterschätzt und einfach vergessen, dass man auch seinen Angestellten gegenüber in der Pflicht ist, den weiteren Weg des Vereins zu erklären und dessen Perspektiven aufzuzeigen. Sollte letzteres der Fall sein, schlösse sich dies nahtlos an die seit geraumer Zeit unglückliche Außendarstellung des Vereins an, deren Provinzialität kaum zu überbieten ist und aus der man wahlweise Ratlosigkeit oder aber Ambitionslosigkeit herauslesen kann.

In beiden Fällen darf man sich große Sorgen um die Zukunft machen. Nach dem Abgang von Hofmann stellt sich der Kader für die neue Saison als Torso dar, der weder Breite noch Spitze aufweist. Erfolgen nicht schnellstens Korrekturen, findet sich Borussia Mönchengladbach schneller im Jahr 2007 wieder, als uns allen das lieb ist.